Auch Maljar muss gehen Großes Stühlerücken im Kiewer Verteidigungsministerium
18.09.2023, 13:20 Uhr Artikel anhören
Hanna Maljar ist ihren Posten als stellvertretende Verteidigungsministerin los.
(Foto: picture alliance/dpa)
Erst wird das Aus von Verteidigungsministers Olexij Resnikow bekannt gegeben, jetzt sind fast alle stellvertretenden Verteidigungsminister in der Ukraine ihren Job los. Und das kurz nach einer fatalen Kommunikationspanne bei der Gegenoffensive.
In der Ukraine sind sechs stellvertretenden Verteidigungsminister entlassen worden. Darunter befindet sich auch Hanna Maljar, die einer breiten Öffentlichkeit wegen ihrer Informationen zum Stand der Kämpfe und den Aktivitäten an der Front bekannt ist. Nur der Erste Stellvertreter, Olexander Pawljuk, bleibt demnach weiter im Amt. Die Regierung in Kiew begründete die Maßnahme zunächst nicht. Der neue Verteidigungsminister Rustem Umjerow sprach auf Facebook von einem "Neustart".
Neben Maljar müssen auch Wolodymyr Havrylow, Rostyslaw Zamlynskyj, Denys Scharapow, Andrii Schewtschenko und Vitali Deineha ihre Posten in der Behörde räumen. Ebenso wurde der ukrainische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Kostantyn Waschtschenko, vor die Tür gesetzt, wie der das Portal Kyiv Independent berichtet.
Der Schritt erfolgte, nachdem eine verfrühte Eroberungsmeldung von Maljar für Ärger gesorgt hatte. Sie hatte am vergangenen Donnerstag mitgeteilt, das Dorf Andrijiwka nahe der kriegszerstörten Stadt Bachmut befände sich wieder unter ukrainischer Flagge. Nach wenigen Stunden nahm sie diese Aussage aber wieder zurück und machte eine "Kommunikationspanne" für die vorschnelle Triumphmeldung verantwortlich.
Korrigiert wurde sie von ukrainischen Soldaten vor Ort, die sie zugleich deutlich kritisierten. "Solche Aussagen sind schädlich, gefährden das Leben der Truppe und beeinträchtigen die Durchführung von Kampfeinsätzen", verlautete seitens der dritten Sturmbrigade. "Die Aussage über die Einnahme von Andrijiwka ist falsch und verfrüht". Einen Tag später wurde die Eroberung von Andrijiwka dann vom ukrainischen Generalstab bestätigt.
Ukraine führt Kampf gegen Korruption
Ob der Vorfall zu Maljars Entlassung beigetragen hat, ist unklar. Möglicherweise geht es auch darum, das Ministerium grundsätzlich neu aufzustellen. Anfang des Monats hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Entlassung des damaligen Verteidigungsministers Olexij Resnikow angekündigt. Das Parlament entließ Resnikow daraufhin formell.
Resnikow bekleidete den Posten seit November 2021. Die nach dem russischen Einmarsch vor mehr als 18 Monaten erfolgten Waffenlieferungen der westlichen Verbündeten wurden auch dem Verhandlungsgeschick des Juristen zugeschrieben. Zu seiner Entlassung sollen Korruptionsskandale bei der Armeeversorgung und in den Wehrersatzämtern beigetragen haben. Resnikow hat gegen ihn gerichtete Vorwürfe immer zurückgewiesen. Seinen Posten als Verteidigungsminister hat der Chef des Fonds für Staatsvermögen, Rustem Umjerow, übernommen.
Die Ukraine versucht derzeit massiv gegen Korruption im Land vorzugehen, um dem EU-Beitritt einen Schritt näherzukommen. Nach dem russischen Angriff auf das Land hatte die EU der Ukraine im vergangenen Jahr den Status eines EU-Beitrittskandidaten verliehen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bescheinigte Kiew zuletzt große Fortschritte auf dem Weg zum EU-Beitritt.
Quelle: ntv.de, ysc/rts/dpa