Politik

Fahrverbote für Diesel-Pkw "Heimlich drücken Politiker uns die Daumen"

Fahrverbote sind umstritten, als Mittel, um die Feinstaub-Belastung zu senken, sind sie jedoch eine effektive Maßnahme.

Fahrverbote sind umstritten, als Mittel, um die Feinstaub-Belastung zu senken, sind sie jedoch eine effektive Maßnahme.

(Foto: picture alliance / Marijan Murat)

An diesem Donnerstag entscheidet das Bundesverwaltungsgericht, ob Fahrverbote für Diesel-Pkw rechtens sind. Genau darauf hofft die Deutsche Umwelthilfe: Zu lange habe der Staat darauf verzichtet, bestehende Regeln durchzusetzen.

Der größte Feind der deutschen Automobilindustrie sitzt in einem Altbau am Hackeschen Markt in Berlin-Mitte. Allerdings sieht Jürgen Resch sich gar nicht als Auto-Feind. "Ich bekämpfe die Autoindustrie nicht", sagt er, "sondern ich versuche, einer wichtigen Industrie zu helfen, wieder auf Recht und Gesetz zu achten." Man merkt, dass das keine Ironie sein soll. "Ich meine das ganz ernsthaft und bin wirklich in Sorge, dass sie ihre Zukunftschancen verspielt."

Jürgen Resch ist Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.

Jürgen Resch ist Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.

(Foto: picture alliance / Kay Nietfeld/)

Resch ist Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, des Vereins, der an diesem Donnerstag Geschichte schreiben könnte. Dann wird das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig aller Voraussicht nach ein Urteil über Fahrverbote für Dieselfahrzeuge fällen. Glaubt man den Kommunalverbänden, der Bundesregierung und den Automobilherstellern, dann droht nichts weniger als ein Ende des städtischen Lebens in Deutschland. Und wirklich könnten die Folgen drastisch sein. Resch schätzt, dass 20 bis 30 Städte ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge werden aussprechen müssen - Städte wie Stuttgart, Düsseldorf, München, Hamburg, Frankfurt und Berlin. Dort würden die zulässigen Grenzwerte so stark überschritten, "dass Diesel-Fahrverbote das einzige Mittel sind, um in diesem Jahr die Werte für Stickstoffdioxid sicher einzuhalten".

Seit mehr als 30 Jahren kämpfen Resch und die DUH für saubere Luft. Zuerst in klassischen Kampagnen, wie jener mit der Überschrift "Kein Diesel ohne Filter", die 2002 startete und durchaus erfolgreich war: Drei Jahre später nötigte ausgerechnet Autokanzler Gerhard Schröder mit der Drohung eines Sonntagsfahrverbots die Automobilhersteller, Partikelfilter in ihre Dieselfahrzeuge einzubauen.

Allerdings zeigte die Kampagne auch, wie groß der Widerstand der Autohersteller ist. Um den politischen Druck zu erhöhen, reichte die DUH daher im Jahr 2005 Klagen gegen fünf Bundesländer ein, weil in Kommunen dieser Länder die europäischen Luftqualitätsziele nicht eingehalten wurden. "Wir haben in allen Instanzen Recht bekommen und damit das Klagerecht der Bürger für saubere Luft europaweit durchgesetzt", so Resch.

"Auch Grüne beugen sich der Wirtschaftsmacht"

Der Klageweg wurde zur zentralen Strategie des Vereins. In zahllosen Prozessen sorgte die DUH dafür, dass Gerichte die Behörden dazu verpflichteten, die Luftqualität zu verbessern. Und dennoch werden diese Urteile von Bundesländern und Kommunen meist ignoriert - bislang. Das könnte sich nun ändern.

Vordergründig entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nicht, ob Fahrverbote kommen, sondern nur, ob sie ein zulässiges Mittel sind. Konkret geht es um die Luftreinhaltepläne von Stuttgart und Düsseldorf: Die Verwaltungsgerichte dort hatten die Behörden dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Grenzwerte möglichst rasch eingehalten werden. Das Gericht in Stuttgart erklärte gar, Fahrverbote seien dazu die effektivste Maßnahme. Die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg  gingen gegen diese Urteile in Revision. Wird die Revision zurückgewiesen, werden Fahrverbote wahrscheinlich - nicht nur in Stuttgart und Düsseldorf, sondern in jeder Stadt, deren Grenzwerte deutlich zu hoch sind.

Pikant ist, dass ausgerechnet die Landesregierung von Baden-Württemberg gegen die Umwelthilfe vorgeht. Immerhin hat das Land einen grünen Ministerpräsidenten. "Ich mag Winfried Kretschmann persönlich, wir kennen uns seit 35 Jahren", sagt Resch dazu. "Aber wir erleben auch in Landesregierungen, an denen die Grünen beteiligt sind, dass man sich der vermeintlichen oder tatsächlichen Wirtschaftsmacht der Industrie beugt und notwendige Maßnahmen nicht ergreift."

Was den Einfluss der Automobilhersteller auf die Politik angeht, zeichnet Resch ein düsteres Bild. "Wir haben in Deutschland die Situation, dass bestimmte Industrien durchregieren: die chemische und pharmazeutische Industrie, die Banken und die Automobilindustrie. In diesen Wirtschaftsfeldern nimmt die Politik ihre gesetzgeberische und auch ihre kontrollierende Funktion nicht mehr wahr." Als Beispiel nennt Resch "Dieselgate", den Skandal um die falschen Messwerte. "Bereits 2011 hatten wir das Verkehrsministerium und das Kraftfahrtbundesamt im Detail über den Betrug bei VW-Dieselmotoren informiert. Die Behörden sind unseren Hinweisen nicht nachgegangen. Und bis heute hat die Bundesregierung keine fünf Euro Bußgeld gegen die deutsche Autoindustrie wegen Dieselgate verhängt. Die französischen Behörden fordern hingegen über 18 Milliarden Euro Strafe."

"Wir haben eine dreistellige Anzahl von Whistleblowern"

Noch schlimmer findet Resch allerdings, dass einige Politiker offenbar gegen ihre Überzeugung handeln. "Viele klopfen uns auf die Schulter und sagen: 'Wir drücken euch die Daumen, dass ihr durchkommt, denn im Windschatten eines Urteils können wir dann handeln.' Ohne Gerichtsentscheidungen wagen Regierungspolitiker keine Entscheidungen mehr gegen übermächtige Industrien. Das macht mir ein bisschen Angst um die Demokratie."

Wenn der Staat darauf verzichte, Regeln durchzusetzen, motiviere dies die Autohersteller, nicht in saubere Motoren zu investieren, "sondern in immer kreativere Auslegungen der Vorschriften", sagt Resch. "Wir sprechen von Betrug." Nebenbei erzählt er, dass die DUH "eine dreistellige Anzahl von Whistleblowern und guten Bekannten" in der Automobilindustrie habe. "Was denken Sie, wie viele Manager und Ingenieure, bis in die Spitzenpositionen, nicht einverstanden sind, wie hier betrogen wird?"

Resch ist überzeugt, dass allein die konkrete Drohung mit Fahrverboten ausreichen wird, um die Hersteller zu bewegen, ihre Autos nachzurüsten. Darum geht es ihm. "In dem Moment, in dem der Fahrer eines Autos, der sein Fahrzeug vor zwei oder vier Jahren als vermeintlich sauber gekauft hat, einem Fahrverbot ausgesetzt ist, wird die Autoindustrie dieses Fahrzeug kostenlos so nachrüsten, dass es die aktuellen Grenzwerte der Abgasnorm Euro 6 auch im Winter auf der Straße einhält und damit vom Fahrverbot befreit ist."

Und so kämpft Resch, der angebliche Auto-Feind, nicht gegen die Industrie, auch nicht gegen den Staat, sondern für die Durchsetzung bestehender Gesetze. "Wir brauchen die Kontrolle des Staates, damit die Regeln für alle gelten und eingehalten werden."

Quelle: ntv.de

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