Atommüll-Rücknahme gescheitert Hendricks kommt mit der Gießkanne
17.03.2015, 13:10 Uhr
Barbara Hendricks will sich nicht mehr von den Ländern hinhalten lassen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Kaum jemand will den deutschen Atommüll haben, der aus dem Ausland zurückgeholt werden muss. Vor allem jene Bundesländer nicht, die jahrzehntelang zu den Verursachern des Mülls zählten. Deshalb kommt jetzt der Aufnahmezwang.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat endgültig die Bund-Länder-Verhandlungen über die Verteilung von 26 Castor-Behältern mit radioaktivem Atommüll für gescheitert erklärt. Vereinbart war eine Unterbringung in drei Ländern, aber nur Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg signalisierten Bereitschaft.
"Das Bundesumweltministerium wird nunmehr selbst ein Konzept erarbeiten, das eine Verteilung der gesamten noch in Frankreich und Großbritannien befindlichen radioaktiven Abfälle an verschiedenen Standorten in einem bundesweit ausgewogenen Verhältnis vorsieht", heißt es in einer Vorlage für den Umweltausschuss des Deutschen Bundestags.
Die SPD-Politikerin Hendricks hatte dies bereits im Februar in einem Zeitungsbeitrag angekündigt. Da das Bundesverwaltungsgericht dem als Aufnahmeort geplanten Zwischenlager Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) die Betriebserlaubnis entzogen hatte, war eine Lösungsfindung noch komplizierter geworden.
Die Vorsitzende des Umweltausschusses, Bärbel Höhn (Grüne), betonte: "Das Vorgehen ist überfällig." Bayern und andere unionsgeführte Bundesländer hätten leider keine Verantwortung übernommen, "obwohl sie immer zu den größten Profiteuren und Befürwortern der Atomkraft gehörten".
Gorleben noch immer im Rennen
Bei den in La Hague und Sellafield befindlichen und bis 2020 zurückzuführenden Abfällen handelt es sich um fünf Behälter mit mittelradioaktivem Atommüll in Frankreich und 21 Behälter mit hochradioaktiven Abfällen in Großbritannien. Der Atommüll aus der Wiederaufarbeitung sollte nicht mehr wie bisher in das Zwischenlager Gorleben, um im Zuge der neuen Endlagersuche keine weiteren Fakten für ein Endlager im nahegelegenen Salzstock zu schaffen. Gorleben ist seit 1977 die einzige Endlageroption, soll aber trotz massiver Proteste bei der neuen Suche im Rennen bleiben und gegen andere Standorte abgewogen werden.
Kontext
- Tatsächlich war die Entsorgung von Atommüll ins Meer jahrzehntelange Praxis. Erst 1994 wurde die Verklappung von Feststoffen verboten. Staaten, darunter auch Deutschland, versenkten im Nordostatlantik etwa 115.000 Tonnen Atommüll. Auch im Ärmelkanal, vor der portugiesischen und der süditalienischen Küste, in der Adria und dem Tyrrhenischen Meer liegt Atommüll auf dem Grund. Die Fässer rosten, viele sind leck, Radioaktivität entweicht ins Meer.
- Im Mittel produziert ein AKW pro Jahr gut 30 Tonnen hoch radioaktiven Abfall. In Deutschland sind bis Ende 2012 knapp 14.700 Tonnen Schwermetall in Form von bestrahlten Brennelementen angefallen, laut Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) 6670 Tonnen. Davon sind 6230 Tonnen in die Wiederaufarbeitungsanlagen (WAA) nach La Hague in Frankreich und Sellafield in Großbritannien gegangen, die restlichen 440 Tonnen wurden in "sonstige Anlagen" im europäischen Ausland, z.B. Belgien, Schweden oder Ungarn, "entsorgt". Bisher sind also mehr als 8000 Tonnen abgebrannter Brennelemente endzulagern.
- Dazu kommt noch eine prognostizierte Menge von weiteren 2550 Tonnen aus dem Betrieb der noch laufenden AKW. Insgesamt muss Deutschland also 10.550 Tonnen Schwermetall aus Brennelementen endlagern. Zählt man die Abfälle, die noch aus der Wiederaufarbeitung zurück kommen, aus den Forschungsreaktoren, den Konditionierungsanlagen, den Versuchsreaktoren Hamm/Uentrop und Jülich dazu, ergibt sich eine Gesamtmenge von gut 14.300 Tonnen Schwermetall, das entspricht einer Volumenmenge von 28.100 Kubikmetern.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa