Politik

Kurz zuvor noch unter Beschuss IAEA-Experten erreichen AKW Saporischschja

Die Reise findet unter unsicheren Bedingungen im Kriegsgebiet statt.

Die Reise findet unter unsicheren Bedingungen im Kriegsgebiet statt.

(Foto: via REUTERS)

Die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde sind am Ziel: Nach gefährlicher Reise kommen sie im Atomkraftwerk Saporischschja an. Dort muss zuvor nach nächtlichem Beschuss einer der Reaktoren abgeschaltet werden.

In Europas größtem Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine ist erstmals seit Beginn des Kriegs vor mehr als einem halben Jahr ein Team von internationalen Experten eingetroffen. Die Beobachtermission der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA will sich in dem AKW, das seit März von russischen Truppen besetzt ist, ein Bild von den Zuständen machen. Das Kraftwerk mit insgesamt sechs Reaktoren steht immer wieder unter Beschuss. Die beiden Kriegsparteien machen sich gegenseitig dafür verantwortlich. International gibt es zunehmend Sorgen, dass es zu einem nuklearen Zwischenfall kommen könnte.

Nach Angaben der IAEA und der ukrainischen Atombehörde Enerhoatom, die das Kraftwerk betreibt, traf das Team gegen 14.15 Uhr Ortszeit (13.15 Uhr MESZ) in Saporischschja ein. Nur eine Stunde zuvor sei das Kraftwerk noch beschossen worden, berichtete Enerhoatom. Auch der Konvoi der IAEA musste Medienberichten zufolge mehrfach stoppen, um nicht unter Feuer zu geraten. IAEA-Chef Rafael Grossi hatte bei der Abfahrt am Morgen betont, er sei sich über die Gefahren bewusst. Die Mission sei aber zu wichtig, um sie im letzten Moment abzublasen.

Wie ein mit der Situation vertrauter Vertreter der Ukraine sagte, könne die Visite kürzer ausfallen als geplant. Grund seien die Kämpfe in unmittelbarer Nähe der Anlage. Zuvor hatte der ukrainische Betreiber des Kraftwerks mitgeteilt, dass nach nächtlichem Granatenbeschuss ein Reaktor abgeschaltet worden sei. Das Notfallsystem sei daraufhin aktiviert und der Meiler Nummer 5 um 03.57 Uhr MESZ abgeschaltet worden.

Insgesamt hat Grossi 13 Experten an seiner Seite. Diese wollen sich mit dem Betreiberpersonal unterhalten und das Kraftwerksgelände in Augenschein nehmen. Die Belegschaft ist größtenteils ukrainisch. Grossi kündigte an, dass einige Experten für eine längere Zeit in Saporischschja stationiert bleiben sollen. Um die Mission hatte es ein längeres diplomatisches Tauziehen gegeben. Unter anderem wurde kritisiert, dass der IAEA-Chef die Delegation selbst anführen wolle.

Rotes Kreuz appelliert an beide Kriegsparteien

Beide Kriegsparteien gaben am Ende der Inspektion ihre Zustimmung zu ihren Bedingungen. So bestand beispielsweise Kiew darauf, dass die Route der Delegation über ukrainisches Territorium führen müsse und die Experten nicht über die bereits seit 2014 von Russland annektierte Krim anreisen.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow betonte erneut Moskaus Bereitschaft, die Beobachtermission zu unterstützen. "Wir erwarten davon Objektivität", sagte der Minister in Moskau. Russland will sich als verantwortungsvoller Nutzer und Betreiber des AKW präsentieren - und gleichzeitig die Ukraine als Schuldigen für den Beschuss. Die Ukraine wiederum sieht in der Mission eine Chance auf Entmilitarisierung der Zone rund ums AKW. Dies könnte einen ersten Schritt zur Wiederherstellung der Kontrolle über das eigene Hoheitsgebiet bedeuten.

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Das Atomkraftwerk Saporischschja ist mit einer Kapazität von 5700 Megawatt die leistungsstärkste Nuklearanlage in Europa. Das Gelände und die dazugehörige Stadt Enerhodar wurden bereits kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs von den Besatzungstruppen erobert. Seither werden sie von einer moskauhörigen Militärverwaltung kontrolliert. Das Kraftwerk selbst wird jedoch weiterhin von ukrainischem Fachpersonal betrieben.

Das Internationale Rote Kreuz forderte unterdessen Russland und die Ukraine zu einem Ende der Kämpfe in der Nähe des Atomkraftwerks auf. "Es darf keine Kämpfe in, um, in Richtung und aus derartigen Einrichtungen wie dem AKW heraus geben", sagte der Leiter der Organisation, Robert Mardini. Bei einem "massiven Zwischenfall" in dem Kraftwerk gäbe es "nur noch wenig, was irgendjemand tun kann".

Quelle: ntv.de, jog/dpa/rts

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