Politik

Wahl-Talk bei "Anne Will" "Ich glaube nicht, dass Merkel durchregiert"

Anne Wills Gäste, von links nach rechts: Wolfgang Kubicki, Cem Özdemir, Ursula von der Leyen, Manuela Schwesig, Alexander Gauland und Hans-Ulrich Jörges

Anne Wills Gäste, von links nach rechts: Wolfgang Kubicki, Cem Özdemir, Ursula von der Leyen, Manuela Schwesig, Alexander Gauland und Hans-Ulrich Jörges

(Foto: NDR/Wolfgang Borrs)

Die SPD hat keine Lust mehr auf eine Große Koalition, für die Union kommt eine Minderheitsregierung nicht in Frage. Bleibt noch Jamaika. Statt um die Rahmenbedingungen einer etwaigen Koalition geht es dann aber doch vor allem um die AfD.

Die Union feiert einen alles andere als glänzenden Wahlsieg, die SPD kassiert ihr schlechtestes Wahlergebnis seit Gründung der Bundesrepublik - und mit der AfD zieht zum ersten Mal seit 1961 eine rechtsnationale Partei in den Bundestag ein. Bei "Anne Will" gibt es an diesem denkwürdigen Wahlabend viel zu bereden: Zu Gast im Studio sind Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die mecklenburg-vorpommerische Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki, die Spitzenkandidaten von Grünen und AfD, Cem Özdemir und Alexander Gauland sowie "Stern"-Kolumnist Hans-Ulrich Jörges.

"Es hat schon vor der Wahl wichtige Signale gegeben, wie schmal die Machtbasis von Angela Merkel geworden ist", sagt Jörges und nennt nicht nur das schlechte Abschneiden der Kanzlerin auf dem CDU-Parteitag, sondern auch eine "Gegenstimmung auf den Marktplätzen, die sie so noch nie erlebt hat." Für den Journalisten lässt das nur einen Schluss zu: "Ich glaube nicht, dass Angela Merkel mit dem schlechtesten Wahlergebnis seit 1949 die vollen vier Jahre durchregiert." 33 Prozent der Wähler haben sich nach den letzten Hochrechnungen für die Union entschieden, ganze 8,5 Prozent weniger als noch vor vier Jahren. Mehr als eine Million Menschen sind aus dem Lager der Unionsparteien direkt an den rechten Rand zur AfD gewechselt.

Koalitionsgespräche? Nicht im Fernsehen!

"Die Behandlung, die Sie uns angedeihen lassen, sorgt dafür, dass unsere Zahlen nach oben gehen", sagt Gauland und nickt dabei CDU-Politikerin von der Leyen zu. Dass 60 Prozent der AfD-Wähler ihr Kreuzchen nicht aus Überzeugung, sondern aus Enttäuschung, gemacht haben, stört den Spitzenkandidaten der Partei nicht. Ganz im Gegensatz zum verbalen Gegenwind, der der Partei aus allen Richtungen entgegenweht: "Wir sind eine demokratische Partei, wir haben demokratische Regeln wie alle anderen auch. Es ist doch völlig lächerlich, von einer Machtergreifung zu sprechen." Das Wort hatte kurz zuvor FDP-Mann Kubicki in den Mund genommen, um seinem Frust über das beherrschende Thema des Abends Luft zu machen: Gerade einmal 12,6 Prozent hätten die AfD gewählt "und wir diskutieren, als ob die Machtergreifung der AfD bevorstünde. Wir machen uns alle so klein. Warum? Meine Frau würde sagen: Das ist wie ein Stein im Schuh."

Dass die Runde nicht vom Thema wegkommt, hat mit der Unlust der versammelten Politiker zu tun, über die zweite große Frage des Abends zu reden: die Beschaffenheit der künftigen Bundesregierung. "Die Große Koalition ist heute abgewählt worden, das war ein deutliches Zeichen der Wähler", sagt Manuela Schwesig und richtet sich wie ihr Chef Martin Schulz schon mal auf die Zeit in der Opposition ein. Und weil CDU-Politikerin von der Leyen weder eine Minderheitsregierung noch Neuwahlen in Betracht zieht, bleibt nur noch Jamaika.

"Ab und zu geht es nicht um Parteiinteressen, sondern ums Land", ist schon das Konkreteste, was Cem Özdemir über eine etwaige Koalition mit Union und FDP zu entlocken ist. Übersetzt soll das wohl heißen, dass die Grünen bis zu einem gewissen Grad kompromissbereit sind - wo sie allerdings zurückstecken würden, wenn die Umweltpolitik der Partei nicht verhandelbar ist, verrät Özdemir nicht. Auch von der Leyen lässt sich nicht in die Karten schauen, nur Kubicki wagt es einmal, vorsichtig seine Hand zu den Grünen auszustrecken: "Ich würde Ihnen raten, zuerst mit der FDP zu sprechen." Und wird dafür direkt von Özdemir abgestraft: "Und ich würde Ihnen raten, diese Diskussion nicht im Fernsehen zu führen." Schade, es wäre sicherlich eine spannende Debatte geworden.

Quelle: ntv.de

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