Strack-Zimmermann bei Miosga "Ich kämpfe wie eine Löwin für die Ukraine"


FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Gespräch mit Caren Miosga.
Können höhere Verteidigungsausgaben ohne die Aufweichung der Schuldenbremse gestemmt werden? Das will Caren Miosga am Sonntagabend in ihrer Talkshow von der FDP-Spitzenkandidatin für das EU-Parlament, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, wissen.
"Boah, die Alte nervt." Das sagte der außenpolitische Chefberater des Bundeskanzlers, Jens Plötner, vergangenen November auf einem Bundeswehrforum über sie. StraZi nennt man sie liebevoll in ihrer alten Heimat Düsseldorf, und das schon lange, bevor sie dort stellvertretende Oberbürgermeisterin war. Und sie ist die wohl streitbarste Gegnerin des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Ampelkoalition. "Ich bin ein temperamentvoller Mensch", sagt Marie-Agnes Strack-Zimmermann am Sonntagabend in der ARD-Talkshow "Caren Miosga" über sich, "und ich denke, bevor ich einen Herzinfarkt bekomme, lass' ich's lieber raus."
Sie gibt zu: "Manchmal habe ich auch Spaß dran, mit Wortspielen eine gewisse Stimmung zu erzeugen." Für Stimmung sorgt sie: Im Verteidigungsausschuss des Bundestages, dessen Vorsitzende sie ist, bei Bundestagsreden und in so mancher Fernseh-Talkshow. Vor allem, wenn es um den Krieg in der Ukraine geht. Seit dem russischen Einmarsch Februar 2022 hat sie das Land häufig besucht, kennt das Leid der Menschen dort. Und sie spricht sich deutlich für mehr Waffenlieferungen an die Ukraine aus – auch für den Marschflugkörper Taurus. Dafür kann sie sich wahrscheinlich bald europaweit starkmachen: Strack-Zimmermann ist Spitzenkandidatin der FDP für das Europaparlament.
Würde es bei den Europawahlen eine Fünf-Prozent-Hürde geben, sähe es schlecht aus für die Liberalen. Denn in Umfragen liegt die Partei zwei Prozent darunter. "Politik ist kein Ponyhof", hat Strack-Zimmermann erkennen müssen. Es fährt sich leichter mit Rückenwind, weiß die Hobbybikerin. Aber im Moment bläst ihr der Wind heftig ins Gesicht. In den nächsten Wochen komme es für ihre Partei darauf an, den Menschen zu erklären, warum die FDP andere Positionen als die anderen Ampelparteien hat. Am Ende gehe es ihr darum, "ein vernünftiges Ergebnis einzufahren, was immer das auch bedeutet." Ihr Traum, soviel Prozent wie der Düsseldorfer Kult-Kräuterschnaps "Killepitsch" zu erreichen, wird allerdings kaum in Erfüllung gehen. Der hat einen Alkoholgehalt von 42 Prozent.
Mehr Geld für Verteidigung
Genau wie Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius von der SPD setzt sich auch Strack-Zimmermann dafür ein, dass mehr Geld in die Verteidigung fließt. Es gehe darum, die Bundeswehr zu ertüchtigen und gleichzeitig die Ukraine in ihrem Kampf gegen die russischen Besatzer zu unterstützen. "Letztlich ist es eine Frage der Priorität", sagt Strack-Zimmermann. "Die Priorität, sich um die Bundeswehr zu kümmern, Geld in die Hand zu nehmen, eine Armee aufzubauen, um letztlich resilient zu sein. Darum geht es." Deutschland müsse in der Lage sein, Gegner abzuschrecken, fordert Strack-Zimmermann. "Und wir müssen wissen angesichts der grauenvollen Erfahrungen nicht nur in der Ukraine, dass die Themen, die uns berühren, infrage gestellt werden, wenn wir angegriffen würden."
Sie sei Vorsitzende eines Bundestagsausschusses, der sich mit der Verteidigung und mit dem Schutz der Bevölkerung beschäftige. "Und da muss man Prioritäten setzen. Und deswegen: Wir haben dieses einmalige 100-Milliarden-Sondervermögen, um die Bundeswehr von Grund auf zu modernisieren. Aber auf Dauer brauchen wir einen höheren Etat."
Um das Geld zur Verfügung zu haben, müssten alle Ministerien bei den kommenden Haushaltsverhandlungen überlegen, wo sie sparen könnten. Zudem fielen die höheren Kosten für neue Waffensysteme nicht sofort an, sondern erst nach deren Auslieferung. Wichtig sei eine Langfristfinanzierung. "Und meine Sorge ist: Wenn Sie die Schuldenbremse aufmachen, sagen wir mal nur für die Verteidigung, ich kenne alle Kolleginnen und Kollegen gut genug: also dann wäre was los. Dann würde ein Wall brechen. Dann würde ununterbrochen in diesen Haushalt gelangt. Und genau das wollen wir nicht."
Zeit nicht reif für Friedensverhandlungen
"Ich kämpfe wie eine Löwin für die Ukraine", sagt Strack-Zimmermann. Europa könne die Ukraine noch mehr unterstützen. Das gelte für Deutschland auch. Deutschland besitze 600 Taurus-Waffen, von denen die Ukraine nur ein Bruchteil benötigen würde. Zudem produziere die Industrie weitere Waffen. Insgesamt seien für die Bundeswehr und die Ukraine die nötigen finanziellen Mittel vorhanden, sagt die Militärexpertin. "Das ist eine Frage der Priorisierung."
Dass eine besondere Priorität der deutschen Politik auf der Unterstützung der Ukraine liegt, ist auch Heribert Prantl klar. Allerdings beklagt der Kolumnist der "Süddeutschen Zeitung" den "Dogmatismus und Fundamentalismus", mit dem in den Diskussionen die Meinungen vertreten würden. Er goutiere die Meinung von Strack-Zimmermann, dass die Ukraine mit Waffen ausgestattet werden müsse. "Aber, dass die andere Position kein Ohr hat, dass man die andere Position als Verrat und als Schande bezeichnet, das ist falsch. Und wir müssen in der Frage von Krieg und Frieden miteinander diskutieren. Sie überzeugen die Überzeugten. Sie müssen die anderen überzeugen und dafür werben."
Auch Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff kritisiert die Unausgewogenheit der Diskussion, kann sie jedoch erklären: Panzer könne man sehen und anfassen. Diplomatie, die man für mögliche Friedensverhandlungen brauche, aber nicht. Sie sei etwas Imaginäres. Dass es am Ende Friedensverhandlungen geben müsste, sei klar, sagt Deitelhoff. Aber: "Wir sind noch weiter von Friedensverhandlungen entfernt, als wir es uns wünschen. Wir sind bisher nicht in einer Situation, in der die Bereitschaft dazu da ist." Immerhin richte die Schweiz jetzt eine Friedenskonferenz aus. Dort könnten die Voraussetzungen für Friedensverhandlungen abgeklopft werden.
Und Strack-Zimmermann? Die gibt zu: "Dass ich mit meinen Worten polarisiere, das ist nicht falsch." Aber sie wisse durch ihre Reisen in die Ukraine Bescheid über die entführten Kinder, die vergewaltigten Frauen und die Massengräber. "Ich werde, solange ich Politik mache, nicht zuschauen, was in der Ukraine passiert, und dann zur Tagesordnung übergehen", sagt die Politikerin. Sie und ihre Kollegen im Verteidigungsausschuss seien heute gefordert, Entscheidungen zu treffen. Darum halte sie die Besonnenheit von Bundeskanzler Scholz für falsch. Die nütze nur dem russischen Präsidenten. "Ich teile die Sichtweise der Ukrainerinnen und Ukrainer. Dieses Volk leidet Todesqualen. Und sie wollen nicht besetzt werden. Sie wollen in Freiheit leben. Wie wir auch."
Quelle: ntv.de