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Signale des Parteitags Ampel-Ende? FDP hält den Ball flach

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Abwarten und Kaffee trinken scheint Lindners Herangehensweise für die Zukunft der Ampel zu sein.

Abwarten und Kaffee trinken scheint Lindners Herangehensweise für die Zukunft der Ampel zu sein.

(Foto: picture alliance/dpa)

Nach Anspielungen und Andeutungen von FDP-Chef Lindner kommt eine Debatte über ein mögliches Ampel-Aus im Sommer auf. Das geht auch so auf dem Parteitag weiter. Dort gibt es keinen Knall, keine Eruption der Unzufriedenheit. Stattdessen geben sich Lindner und die Seinen betont sachlich.

Eines ist nach dem Parteitag der FDP an diesem Wochenende klar: Er wird nicht in die Geschichte eingehen als das Wochenende, ab dem die Liberalen sich von der Ampel verabschiedeten. Liebeserklärungen gab es zwar auch nicht auf dem Treffen in Berlin, dafür durchaus ein bisschen Murren. Im Großen und Ganzen war die Botschaft aber: Wir müssen jetzt dringend etwas für die Wirtschaft tun. Denn ohne eine starke Wirtschaft und die daraus folgenden steigenden Steuereinnahmen lässt sich auch nicht viel in Sachen Verteidigung und Soziales erreichen.

Kernstück ist das Zwölf-Punkte-Papier von vor einer Woche, das die Delegierten am Samstagabend mit großer Mehrheit annahmen. Der Entlastung der Wirtschaft dient darin beispielsweise die Forderung nach einer Abschaffung des Solidaritätszuschlags, aber auch die Bemühung um Bürokratieabbau. Keineswegs handele es sich um die Scheidungsurkunde der Ampel, sagte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am Samstagabend. Es sei eine "Liebeserklärung an Deutschland".

Damit griff er den Ton auf, den FDP-Chef Christian Lindner seit Wochen setzt. Die Botschaft ist: Es geht nicht darum, SPD und Grüne zu ärgern oder die FDP zu retten. Nein, es gehe um das Land, es gehe um die Sache. Die Liberalen haben durchaus gute Argumente: Die deutsche Wirtschaft stagniert, die Klagen über Bürokratie oder auch zu langsame Digitalisierung sind laut und zahlreich. Investitionen fließen vermehrt ins Ausland. Es ist keine Überraschung, wenn die FDP als wirtschaftsfreundlichste Partei hier Handlungsbedarf formuliert.

Wahlen könnten Lage ändern

Ob die Führung der Liberalen aber wirklich nur die Lage von Mittelstand, Handwerk und Industrie um den Schlaf bringt und so gar nicht das Schicksal der eigenen Partei, darf hinterfragt werden. Natürlich müssen sich Lindner, Djir-Sarai und die restliche Führung auch Gedanken um die Zukunft der FDP machen. Und da ist die Luft dünn. In Umfragen zur Bundestagswahl im kommenden Jahr steht sie mal bei fünf Prozent, mal darunter. Der Wiedereinzug ist - Stand jetzt - also in Gefahr. Lindner verspricht dennoch ein zweistelliges Ergebnis im Herbst 2025 - was ihm schon zweimal gelungen ist, allerdings aus der Opposition heraus.

Wichtiger ist derzeit ohnehin die Europawahl. Die ist schon in sechs Wochen und auch da sieht es für die Freien Demokraten nicht rosig aus. Immerhin ist mit der Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann eine prominente FDP-Politikerin in den Ring gestiegen. Doch die Umfragen gehen eher in Richtung drei Prozent als vier oder fünf. Für das EU-Parlament gibt es aber keine Fünfprozenthürde.

Im Herbst folgen dann die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Außer Thüringen gleichen diese Länder Auswärtsspielen für die FDP, bei denen sie sich keine großen Hoffnungen machen kann. Im Erfurter Landtag ist die FDP hingegen vertreten - allerdings mit dem Partei-Outlaw Thomas Kemmerich, der sich einst von der AfD zum Ministerpräsidenten wählen ließ und anschließend wieder zurücktrat. Kemmerich ist so etwas wie ein Stachel im Fleisch der Bundes-FDP, die ihn im Wahlkampf nicht unterstützt. Da die Landesverbände unabhängig agieren, hat Parteichef Lindner keinen Zugriff. Diese Europawahl und die Landtagswahlen könnten den Boden, auf dem sich die Ampel bewegt, zumindest erschüttern.

Keine Einigung wirklich "unvorstellbar"?

Aber wie sehr? So sehr, dass die Koalition zerbricht? Lindner sagte nichts, was in diese Richtung geht. Seine Strategie scheint zu sein, die aufkommende Debatte laufen zu lassen, aber nicht offensiv zu befeuern. Bei ntv sagte er am Samstag wieder einmal, es sei "unvorstellbar", dass nichts zugunsten der Wirtschaft passiere. Seit vier Wochen sei er dazu bereits mit Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck in Gesprächen. Dabei ist es natürlich keineswegs unvorstellbar, dass SPD und Grüne den Plänen der FDP nicht folgen. Was dann passieren würde? Dieser Frage weicht Lindner aus.

Das Signal dieses Parteitags ist es, den Ball flach zu halten, aber die Spekulationen über ein Ampel-Aus weiter glimmen zu lassen. Das hat zwei Vorteile: Zum einen werden die Unzufriedenen an der Basis beruhigt. Mit ihrem Kernthema Wirtschaft rennt die Führung in der Partei offene Türen ein. Zum anderen sehen die Koalitionspartner: Die Geduld des kleinsten Koalitionspartners ist nicht grenzenlos. Zugleich kann man der Partei kaum den Vorwurf machen, bloß zu blockieren. Sie macht nun Vorschläge und gibt sich diskussionsoffen.

Die Frage wird dann sein, wie sehr SPD und Grüne der FDP entgegenkommen. Denn beschlossen wurde auch ein Ende der Rente mit 63 und ein Förderstopp für Erneuerbare Energien. Dem werden die Koalitionspartner kaum zustimmen. Die große Klippe wird der Haushalt für das kommende Jahr sein. Den zusammenzuschnüren, wird ohnehin schon schwierig. Wenn Lindner jetzt aber noch zusätzlich massiv die Steuern senken will, wird das noch herausfordernder. Die Lücke zwischen Gelb, Grün und Rot wächst jedenfalls. Eine Einigung wird dadurch nicht leichter. Bis die Koalition tatsächlich zerbricht, müsste aber noch viel Wasser die Spree hinunterfließen.

Quelle: ntv.de

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