Thomas de Maizière im Interview "Illusionen hart und schnell nehmen"
08.11.2015, 07:50 Uhr
(Foto: dpa)
Innenminister Thomas de Maizière versucht, Albaner von der Reise nach Deutschland abzuhalten. Im Interview mit n-tv.de erklärt er, wie er das schaffen will. Zu seiner Aussage, dass der Familiennachzug auch bei Syrern begrenzt werden muss, steht er: "Wir können nicht noch ein Vielfaches an Familienmitgliedern aufnehmen."
n-tv.de: Sie wollen mehr Albaner aus Deutschland nach Albanien zurückbringen. Kooperiert die Regierung dort?
Thomas de Maizière: Die Kooperation ist tadellos. Die albanische Regierung hatte selbst darum gebeten, dass Albanien ein sicheres Herkunftsland wird. Sie unterstützt Kampagnen, das Land nicht zu verlassen. Es gibt keinerlei Probleme bei der Rückübernahme - anders als bei vielen anderen Ländern. Albanien akzeptiert auch die Rücknahme von Menschen ohne Pässe nach dem Laissez-passer-Verfahren, bei dem wir das Reisedokument ausstellen.
Nun kooperiert Albanien schon länger und trotzdem kommen viele Albaner nach Deutschland. Sie haben in Albanien versucht, sich einen Eindruck zu verschaffen, warum das so ist.
Ich habe mit Rückkehrern gesprochen. Meine Eindrücke sind natürlich nicht repräsentativ. Dennoch: Kein Einziger hat vorgetragen, dass es in Albanien politische Verfolgung gäbe. Die Albaner, die als Asylbewerber gekommen waren, sagen ganz offen: Wir wollen eine bessere Zukunft in Deutschland und wir wollen Arbeit. Doch dafür ist das Asylsystem nicht da. Deswegen war den meisten auch klar, dass sie wahrscheinlich zurückkehren müssen. Aber sie haben sich gesagt: Vielleicht haben wir doch eine Chance, Arbeit zu finden und dann bleiben zu können. Diese Illusion müssen wir allen hart und schnell nehmen.
Viele Albaner hören, dass Deutschland Fachkräfte sucht, und machen sich auf den Weg.
Subsidiärer Schutz wird Menschen gewährt, denen kein individuell begründeter Flüchtlingsstatus zuerkannt wird, die aber zum Beispiel wegen einer Bürgerkriegssituation vorerst ein Bleiberecht erhalten. Im laufenden Jahr bekamen etwas mehr als 1300 Menschen diesen Status. Für diese Gruppe wurde erst vor wenigen Monaten die Möglichkeit geschaffen, Kinder oder Ehepartner ins Land nachzuholen. Dies Recht will die Koalition nun wieder aussetzen - und zwar für zwei Jahre. Fast alle Syrien-Flüchtlinge erhalten bisher dagegen den Flüchtlingsstatus auf Grundlage der UN-Flüchtlingskonvention. De Maizière hatte am Freitag zunächst Medienberichte bestätigt, wonach syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen künftig nur noch vorerst befristet auf ein Jahr subsidiärer Schutz gewährt werden würde. Nach den Beschlüssen der Koalition würde dies zugleich bedeuten, dass die Betroffenen den Anspruch auf Familiennachzug verlieren würden.
Das ist der Grund, warum ich ein Gegner des sogenannten "Spurwechsels" bin. Der Begriff meint, dass auch abgelehnte Asylbewerber bleiben dürfen, wenn sie qualifiziert sind. Wenn wir das erlaubten, hätten wir sicher einen neuen Sogeffekt. Wir verweisen stattdessen jetzt darauf, dass es nun auch legale Wege der Arbeitsmigration gibt. Das ist für viele neu.
Was wollen Sie nun gegen die vielen Anträge aus Albanien tun?
Die gute Nachricht ist, dass die Zahl derer, die nach Deutschland kommt, sinkt. Im Oktober waren es rund 4500. Das ist noch immer sehr viel. Aber zwei Monate vorher waren es 8000. Im bisherigen Jahr 2015 steht Albanien mit mehr als 50.000 Menschen auf Platz zwei der Herkunftsländer. Deswegen ist es so wichtig, die Zahl zu reduzieren. Dazu gehört, in Albanien deutlich zu machen, dass es keine Chance gibt. Dazu gehört die Vermeidung von Anreizwirkungen wie Bargeldzahlungen. Dazu gehören sichtbare Rückführungen. Und dazu gehören vor allem kurze Asylverfahren, damit die Menschen die Erfahrung machen: Wir sind schnell wieder zu Hause. Das in der Summe wird die Zahlen weiter reduzieren.
Am Donnerstag hat die Koalition weitere Verschärfungen beschlossen. Sind sie damit zufrieden?

Zufrieden mit den Ergebnissen der Koalitionsgespräche: Thomas de Maizière in Tirana.
(Foto: Christoph Herwartz)
Ja, ich bin mit den Ergebnissen sehr zufrieden. Ein Streit ist beendet, das ist ein Wert an sich. Außerdem sind die Ergebnisse in der Sache gut. Sie untermauern vieles von dem, was mein Ressort zurzeit vorbereitet.
Bislang wissen wir von Flüchtlingen nicht immer, wann und wo sie eingereist sind und ob sie richtig verteilt sind. Deswegen brauchen wir mehr Steuerung und vor allem wieder mehr Ordnung. Mit den Beschlüssen von Donnerstag wird genau dies erreicht. Es wird einen Ausweis für alle Betroffenen geben und nur mit diesem Ausweis gibt es Geld und ein Asylverfahren. Und dieses Verfahren wird an der Stelle bearbeitet, wo der deutsche Staat es will und nicht, wo der Asylbewerber es will. Das gilt nicht nur für Menschen aus sicheren Herkunftsländern, sondern für alle. Das ist ein sehr wichtiges Ergebnis.
Darüber hinaus schaffen wir besondere Aufnahmeeinrichtungen - ob Sie die nun "Transitzonen light" nennen oder nicht, ist mir nicht so wichtig. Wir erreichen damit, was wir mit den Transitzonen erreichen wollten: Nämlich keine Verteilung von Menschen aus sicheren Herkunftsländern auf die Kommunen, ein noch schnelleres Verfahren und eine Rückkehr direkt aus diesen Einrichtungen heraus. Das ist es, was die Union wollte und das haben wir erreicht.
Die Koalition hat auch beschlossen, dass der Familiennachzug für Menschen mit "subsidiärem Schutz" vorerst ausgeschlossen werden soll. Diese Gruppe ist sehr klein. Was soll das also bringen?
Die Zahl der Menschen mit subsidiärem Schutz ist jetzt klein. Ich halte es für richtig, auch bei Syrern wieder in jedem Einzelfall zu prüfen, welcher Schutzstatus angemessen ist, statt pauschal zu verfahren. Auch andere Staaten vergeben in solchen Fällen nur einen Aufenthaltsstatus für eine begrenzte Zeit. Anfang der Woche hatten wir eine Änderung vorgesehen. Im Lichte der Entscheidung der Koalition am Donnerstag zum Familiennachzug gibt es aber Gesprächsbedarf in der Koalition. Und deswegen bleibt es jetzt so, wie es ist, bis es neue Entscheidung gibt.
Ist das schon auf dem Weg oder müssen Sie ein Gesetz ändern?
Damit der Familiennachzug begrenzt wird, müssen wir, wie in der Koalition verabredet, ein Gesetz ändern. Schon jetzt ist es so, dass wir so viele Anträge haben, dass wir keinerlei Hoffnung machen können, dass Anträge auf Familiennachzug schnell beschieden werden. Von daher ist auch schon jetzt ein Bremszeichen gesetzt. Die Zahl der Flüchtlinge ist so hoch, wir können nicht noch ein Vielfaches an Familienmitgliedern aufnehmen.
Sie argumentieren aus der Sicht der deutschen Behörden. Für den einzelnen Syrer wäre die Konsequenz aus der neuen Regelung, dass er seine Familie im Krieg zurücklassen muss.
Ich muss um Verständnis dafür bitten. Wenn die Zahlen so hoch sind wie jetzt, dann müssen wir Maßnahmen ergreifen, dass die Zahl nicht weiter steigt. Dazu gehören auch solche Maßnahmen.
Das Interview wurde am Freitagnachmittag geführt und am Samstag angepasst und freigegeben. Warum, lesen Sie hier. Mit Thomas de Maizière sprach Christoph Herwartz.
Quelle: ntv.de