Syrien droht die "Groß-Explosion" Ischinger fordert Militär-Option
15.09.2015, 12:26 Uhr
Kämpfer an einem Kontrollposten der kurdischen Peschmerga: Mit Waffenhilfen im Nordirak und Luftschlägen aus der Distanz lassen sich fanatische Islamisten kaum aufhalten.
(Foto: picture alliance / dpa)
Wie lassen sich die Ursachen von Flucht und Vertreibung in Syrien wirkungsvoll bekämpfen? Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz ruft die Europäer dazu auf, über militärische Maßnahmen nachzudenken - auch mit deutscher Beteiligung.
Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, spricht sich offen für ein militärisches Eingreifen in Syrien aus. "Unsere Strategie in der Syrien-Krise ist nur dann glaubwürdig, wenn sie mit glaubwürdigen militärischen Handlungsoptionen unterlegt ist", sagte er dem "Münchner Merkur".

Kennt die Handlungsspielräume in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik: Wolfgang Ischinger.
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"Die EU muss imstande sein, über Fragen wie Schutzzonen in Syrien für die Millionen von Flüchtlingen ernsthaft zu reden", forderte Ischinger. Dazu müsse auch mit den USA und anderen Staaten über mögliche Flugverbote in und um Syrien gesprochen werden. "Wer sich dazu nicht aufrafft, darf sich nicht wundern, wenn weitere Hunderttausende oder Millionen Flüchtlinge bei uns landen."
"Nicht ohne Deutschland"
"Ich glaube, das entschiedene Nachdenken über militärische Handlungsoptionen darf nicht ohne Deutschland stattfinden", erklärte Ischinger kurz darauf im Deutschlandfunk. Er warf den europäischen Staaten "kollektives Wegschauen" vor. Vor vier Jahren sei man froh gewesen, dass der Kelch einer militärischen Beteiligung an Deutschland vorbeigegangen ist. "Jetzt landet der Konflikt krachend vor unserer Haustür", sagte er.
Auch Nichtstun habe Folgen, betonte Ischinger. Europa müsse sich bei der Lösung des Problems mit Russland und dem Iran abstimmen, betonte Ischinger - eine Position, die erhebliches Fingerspitzengefühl erfordern dürfte, um die Regierung in Washington nicht zu brüskieren. Moskau und Teheran drängen bei der Suche nach einer Lösung in Syrien vor allem auf eine Einbindung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Die Vereinigten Staaten lehnen das strikt ab.
Initiative mit Iran und Russland
Ischinger ist mit den internationalen Beziehungen bestens vertraut. Als Botschafter Deutschlands vertrat er zeitweise die deutschen Interessen in Washington. Als Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz verfügt er zudem über exzellente Kontakte in Militär- und Sicherheitskreise in aller Welt.
Generell zeichnete der deutsche Sicherheitsexperte ein düsteres Bild von der Lage im Nahen Osten. "Die gesamte Region steht kurz vor der Groß-Explosion. Die Gefahr überschwappender Instabilität ist enorm." Deshalb sei es überfällig, in Europa nicht nur "Abwehrschritte" zu unternehmen, sondern "eine diplomatische Groß-Initiative" zu starten.
Ein militärisches Eingreifen - zum Beispiel in Form einer aktiv verteidigten Schutzzone für Binnenflüchtlinge in Syrien - ist für ihn dabei nur eine von mehreren Handlungsoptionen. Als Sofortmaßnahme forderte Ischinger zunächst eine massive Aufstockung internationaler Hilfe vor Ort für die Flüchtlinge in den Lagern der syrischen Nachbarstaaten Libanon, Jordanien und Türkei.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa