Politik

"Auch Drohungen sind ein Angriff" Ist Deutschland gerüstet gegen Terror?

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Deutsche Polizisten patrouillieren nach der Terrorwarnung am Silvesterabend am Hauptbahnhof in München.

(Foto: picture alliance / dpa)

Gut eine Woche nach den Terroranschlägen in Brüssel rückt die Bundesrepublik offenbar ins Visier der Terrormiliz Islamischer Staat. Im Netz tauchen neue Drohungen auf. So reagieren deutsche Politiker darauf.

"Was deine Brüder in Belgien schaffen, schaffst du auch", steht auf der Bildmontage, die einen vermummten Kämpfer vor dem in Rauch gehüllten Gebäude des Flughafens Köln-Bonn zeigt. Ein anderes Motiv zeigt das brennende Kanzleramt mit dem Satz "Deutschland ist ein Schlachtfeld". Am Mittwoch tauchten die Bilder im Internet auf, versehen mit dem Logo des IS-Medienablegers Furat Media. Muss Deutschland bald mit einem Terroranschlag rechnen?

Deutsche Politiker reagieren vorerst zurückhaltend auf die Anschlagsdrohungen. "Das ist keine neue Qualität", sagt Armin Schuster im Interview mit n-tv.de. Der CDU-Obmann im Innenausschuss hat seine Zweifel an der Authentizität der Bildmontagen. "Dieser Aufruf für jedermann klingt etwas verzweifelt. Die Attentate in Paris und Brüssel sind sicherlich nicht so naiv begangen worden, wie diese Drohungen suggerieren. Das Ganze wirkt zumindest nicht besonders professionell", sagt er.

Anschläge seien heute zwar einfacher geworden, bedürften aber dennoch einer professionellen Vorbereitung. Dass sie durch Aufrufe nach dem Motto "versucht's doch einfach mal" ausgelöst würden, kann sich Schuster nicht vorstellen. Er will nun die Überprüfung durch die Behörden abwarten. Einen Effekt hätten die Bilder dennoch. "Bei der aktuellen Terrorlage lässt sich die Bevölkerung leichter aus der Ruhe bringen. Da hilft es manchmal schon, entsprechende Propaganda zu machen, um für Unruhe zu sorgen", so Schuster.

"Anschläge in Paris auch über Medien angekündigt"

Drohungen für mögliche terroristische Anschläge in Deutschland, etwa in der Form von Videos, sind jedoch nicht neu. "Wir wissen seit Jahren, dass wir ein erklärtes Angriffsziel der Dschihadisten sind", sagt Burkhard Lischka. Der SPD-Innenexperte glaubt, im Gegensatz zu seinem CDU-Kollegen Schuster, an die Echtheit der neuen Drohungen. Ähnliche habe es in der Vergangenheit immer wieder gegeben. Fast täglich seien zuletzt Hinweise über mögliche Ziele eingegangen. Im Visier der Terroristen seien demnach vor allem zentrale Plätze, Flughäfen, Bahnhöfe und bekannte Einrichtungen in deutschen Großstädten, so Lischka.

Nach den Anschlägen in Brüssel sind die deutschen Behörden bereits in Alarmbereitschaft. Infolge der Ereignisse im Nachbarland trat automatisch ein Krisenplan in Kraft, die Sicherheitsmaßnahmen an neuralgischen Punkten wie Flughäfen und Bahnhöfen wurden erhöht. Im 2004 gebildeten Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum tauschen 40 Sicherheitsbehörden täglich Informationen aus und bewerten sie. Wenn sich Hinweise verdichten, reagieren die Ermittler. Zum Beispiel, indem sie eine Terrorwarnung herausgeben. Im vergangenen Jahr geschah dies in Deutschland fünf Mal.

Im Januar wurde eine Pegida-Demonstration in Dresden wegen einer entsprechenden Drohung abgesagt. Im Februar erhielt die Polizei Hinweise über einen konkreten Anschlagsplan beim Rosenmontagszug in Braunschweig. Im März gab es Terroralarm in der Innenstadt von Bremen. Im November sagten die Behörden kurzfristig das Länderspiel Deutschland gegen Niederlande in Hannover ab. Die fünfte Terrorwarnung gab es zum Jahreswechsel in München. In allen fünf Fällen passierte am Ende nichts. "Das Anschlagsrisiko in Deutschland ist konstant hoch", sagt Irene Mihalic, Grünen-Sprecherin im Innenausschuss. "Mit Blick auf die Anschläge in Paris, die auch über Medien angekündigt wurden, müssen wir solche Meldungen ernst nehmen." Man wisse jedoch, dass der IS oft gezielt mit Falschinformationen arbeite.

"Ja, ich will aber nicht zu selbstverliebt klingen"

Aus Sicht von Linken-Politiker Frank Tempel betreibt der IS psychologische Kriegsführung. "Auch Drohungen sind schon ein Angriff, sie verursachen Verunsicherung und erhöhte Sicherheitsmaßnahmen. Damit treffen die Urheber schon das Ziel, den deutschen Staat, mit geringstmöglichem Aufwand", sagt der stellvertretende Vorsitzende des Innenausschusses. Die Bundesrepublik stehe auf dem Schirm des IS, weil hier bislang kein Anschlag gelungen und Deutschland international ein bedeutender Player sei. Tempel glaubt jedoch nicht, dass konkrete Anschlagsziele vorher benannt werden würden.

Das Bundeskriminalamt will die neuen Attentatsdrohungen nun auswerten. Erst nach einer eingehenden Analyse entscheidet sich, ob die Sicherheitsvorkehrungen am Flughafen Köln-Bonn oder am Kanzleramt weiter erhöht werden müssen. Ist Deutschland besser gerüstet im Kampf gegen den Terror als Belgien? "Die Kommunikation ist besser. Darauf darf man sich aber nicht ausruhen. Es wäre klug, die Ermittlungspannen in Belgien und Frankreich auszuwerten, um aus diesen Fehlern zu lernen", sagt Tempel. CDU-Innenexperte Armin Schuster antwortet auf die Frage: "Ja, ich will aber nicht zu selbstverliebt klingen. Wir haben mit dem NSU auch unsere Erfahrungen gemacht mit mangelnder Vernetzung und Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden." Aus den Fehlern habe man jedoch gelernt. "Auch deshalb fühle ich mich in Deutschland etwas sicherer als in Belgien."

Quelle: ntv.de

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