Politik

Lob für Cameron und keine Eile Johnson gibt sich versöhnlich

Am Wochenende verkroch sich Johnson in seinem Landhaus.

Am Wochenende verkroch sich Johnson in seinem Landhaus.

(Foto: REUTERS)

Er war einer der Gesichter der Brexit-Kampagne. Nach deren Sieg tauchte er weitgehend unter. Nun meldet sich Boris Johnson mit einer Kolumne zurück - und lobt seine politische Gegner. Der Brexit hat für ihn "keine große Eile".

Großbritannien wird nach Einschätzung des Brexit-Befürworters Boris Johnson auch nach dem Votum für einen Austritt aus der EU Zugang zum europäischen Binnenmarkt haben. "Es wird weiterhin freien Handel und Zugang zum Binnenmarkt geben", schrieb der ehemalige Londoner Bürgermeister in einem Beitrag für die Zeitung "Daily Telegraph". Briten würden weiterhin in der Lage sein, in der EU zu reisen, zu arbeiten, Häuser zu kaufen und sich niederzulassen, hieß es in dem Artikel. Dieser trug die Überschrift: "Ich kann nicht genug betonen, dass Großbritannien ein Teil Europas ist - und immer sein wird".

Johnson, der eine der führenden Figuren der Brexit-Kampagne war, führt das Lager der EU-Gegner an und wird als Nachfolger von Premierminister David Cameron gehandelt, der seinen Rücktritt bis Oktober angekündigt hat. An den Finanzmärkten ist die Spannung groß, ob Johnson tatsächlich neuer Regierungschef wird, wie seine Pläne für die Zeit nach einem Austritt Großbritanniens aus der EU aussehen und wie sich der Brexit auf den Handel mit dem Rest der Welt auswirkt.

Johnson schrieb weiter, es bestehe "keine große Eile" für das Vereinigte Königreich, seinen Austritt aus der EU zu erklären. Details nannte er allerdings nicht. Wann Großbritannien formal mit dem Austrittsprozess beginnt, ist unklar. EU-Vertreter sandten gemischte Signale zum Zeitpunkt und der Natur des Prozesses. Während einige auf eine schnelle offizielle Austrittserklärung drängten, wollten einige Diplomaten London mehr Zeit für die Entscheidung einräumen.

"Wirtschaft ist in guten Händen"

Die negativen Folgen eines Austritts aus der EU würden "weit übertrieben", schrieb Johnson weiter. "Die Wirtschaft ist in guten Händen", lobte er seine Parteifreunde Cameron und Finanzminister George Osborne. Notenbankchef Mark Carney, der vor dem Referendum vor den Risiken eines Brexits gewarnt hatte und deshalb in die Kritik geriet, solle auf seinem Posten bleiben, empfahl Johnson. Carney habe "großartige Arbeit" geleistet.

Finanzminister Osborne versuchte derweil, die in Unruhe versetzten Märkte zu beruhigen. "Die britische Wirtschaft ist von Grund auf stark, hochgradig wettbewerbsfähig und offen für Investitionen", sagte er am Morgen vor Börsenstart. Nun gehe es darum, sich mit den EU-Ländern auf ein möglichst vorteilhaftes Handelsabkommen zu einigen. Er wolle dabei eine aktive Rolle spielen, sagte Osborne. Das Pfund war kurz nach dem Bekanntwerden des Brexit-Votums am Donnerstag auf ein historisches Tief gefallen. Befürchtet wird, dass Großbritannien nun in eine Rezession schlittern könnte.

Johnson schrieb weiter, dass Großbritannien wieder "demokratische Kontrolle über die Einwanderungspolitik übernehmen" werde. Demnach soll ein "humanes Punktesystem, das an den Interessen von Handel und Industrie ausgerichtet ist", die Zuwanderung zum Vereinigten Königreich beschränken. Zudem werde eine substanzielle Geldsumme nicht mehr an Brüssel überwiesen, sondern komme etwa dem britischen Gesundheitssystem zu Gute. Großbritannien werde sich, wenn auch nur langsam, von der "unmäßigen und undurchsichtigen" Gesetzgebung der EU befreien, schrieb Johnson.

Aufreibender Wahlkampf

Johnson schrieb in seinem Beitrag allerdings auch, dass der Wahlkampf um das Referendum aufreibend gewesen sei und selbst Familien gespalten hätte. Die Abstimmung nennt er "das außergewöhnlichste politische Ereignis unseres Lebens".

Die Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, warnte derweil vor weiteren Markt- und Wirtschaftsturbulenzen nach dem Brexit-Votum. Britische und europäische Politiker müssten Investoren nach der Entscheidung Großbritanniens, die Europäische Union zu verlassen, schnell Sicherheit geben über den neuen Stand ihrer Beziehungen.

Der Umfang der Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Markt werde "von dem Niveau der Sicherheit oder Unsicherheit" abhängen, das Regierungsvertreter geben können, während neue politische, Handels- und Wirtschaftsbeziehungen ausgehandelt werden, sagte Lagarde bei einer Veranstaltung in Colorado. An den globalen Märkten war es am Freitag zu einem Abverkauf gekommen, nachdem die britischen Wähler mit ihrem Votum für einen EU-Austritt Investoren überrascht hatten.

Quelle: ntv.de, mli/rts/DJ/dpa

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