Geheimnisverrat im NSA-Ausschuss Justiz darf im Bundestag ermitteln
02.12.2016, 20:30 Uhr
Ohne eine "Ermächtigung" von Lammert darf die Justiz nicht in dem Fall ermitteln.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Veröffentlichung geheimer Dokumente aus dem NSA-Untersuchungsausschuss empört die Parlamentarier. Sie wollen wissen, wer die Unterlagen an Wikileaks weitergeben hat. Auch ein Hackerangriff aus Russland wird nicht ausgeschlossen.
Die Veröffentlichung von Unterlagen des NSA-Untersuchungsausschusses durch die Enthüllungsplattform Wikileaks wird vermutlich strafrechtliche Ermittlungen nach sich ziehen: Bundestagspräsident Norbert Lammert hat der Staatsanwaltschaft eine Ermächtigung für entsprechende Ermittlungen erteilt, wie sein Sprecher sagte. Die Veröffentlichung der Unterlagen zur Zusammenarbeit deutscher Geheimdienste mit dem US-Auslandsgeheimdienst NSA stieß in dem Bundestagsausschuss auf Empörung.
Die Weitergabe der Unterlagen könnte eine Verletzung von Dienstgeheimnissen durch Amtsträger nach Paragraf 353b des Strafgesetzbuches darstellen. Weil von den Ermittlungen auch Abgeordnete des Bundestages betroffen sein könnten, musste der Bundestagspräsident seine Zustimmung erteilen.
Der Ausschuss-Vorsitzende Patrick Sensburg beklagte gegenüber den Zeitungen der "Funke Mediengruppe", dass der Bundestag "nicht unmittelbar nach Bekanntwerden des Lecks Sicherungsmaßnahmen eingeleitet hat". Er sei auch deswegen beunruhigt, weil "ein ausländischer Hackerangriff nicht ausgeschlossen werden kann". Namentlich erwähnte er den russischen Geheimdienst.
Bei den Veröffentlichungen handelt es sich nach Wikileaks-Angaben um 2420 Dokumente mit einem Umfang von 90 Gigabytes, die der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages im Rahmen von Anfragen der Ausschussmitglieder an die Dienste bereits vergangenes Jahr erhalten hat. Neben Auskünften seien auch schriftliche Korrespondenz zwischen dem Bundeskanzleramt, den Diensten und Ausschussmitgliedern sowie Hintergrundberichterstattung aus verschiedenen Medien enthalten, die offenbar teilweise als Anstoß für weitere Anfragen gedient hätten, erklärte Wikileaks.
Streit um Snowden-Vorladung
Die Plattform listet 125 Dokumente des Bundesnachrichtendienstes (BND) auf sowie 33 Dokumente des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und 72 weitere des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Auf Grundlage der nun veröffentlichten Dokumente warf Wikileaks den deutschen Diensten vor, dass sie "an ihren eigenen Dienstherren vorbeiarbeiteten".
In dem Ausschuss war zuletzt der Streit um eine mögliche Ladung des früheren Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden weitergegangen. Die Vertreter von Union und SPD legten Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ein, dass der Ausschuss dazu verpflichtet sei, das von der Opposition geforderte Amtshilfeersuchen an die Bundesregierung zu beschließen - und zwar auch gegen den Willen der Koalitionsmehrheit in dem Gremium.
Mit dem Ersuchen sollen die Voraussetzungen für eine Vernehmung Snowdens in Deutschland geschaffen werden - etwa durch die Zusage, dass Snowden nicht, wie von der Regierung in Washington gewünscht, an die USA ausgeliefert wird.
Sollte der Bundesgerichtshof die Beschwerde abweisen, erwägt nach Informationen der "Berliner Zeitung" der Ausschussvorsitzende Sensburg, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, weil er das Recht frei gewählter Abgeordneter durch den BGH-Beschluss verletzt sehe.
Mit dem im März 2014 eingesetzten NSA-Untersuchungsausschuss hatte der Bundestag auf die Enthüllungen des früheren Geheimdienstmitarbeiters zu den massiven Spähprogrammen der NSA reagiert. Dabei soll geklärt werden, inwieweit Bürger und Politiker in Deutschland von der NSA und verbündeten Geheimdiensten ausspioniert wurden.
Quelle: ntv.de, mbo/dpa/AFP