Linker distanziert sich von Russland "Kein Verständnis für Waffenlieferungen"
23.07.2014, 17:07 Uhr
MH17 soll mit russischen Buk-Raketen abgeschossen worden sein. (Archivbild)
(Foto: dpa)
So zaghaft wie keine andere deutsche Partei kritisierte die Linke das Gebaren von Wladimir Putin in der Ukraine. Was ändert sich daran durch den Abschuss von MH17? Im Interview mit n-tv.de bezieht Stefan Liebich, Obmann im Auswärtigen Ausschuss, Position.
n-tv.de: Wie bewertet die Linkspartei den Absturz von MH17?
Stefan Liebich: Dieser mutmaßliche Abschuss des malaysischen Zivilflugzeugs ist der traurige Tiefpunkt der militärischen Auseinandersetzung, die gegenwärtig um den Osten der Ukraine geführt wird. Dass 300 unbeteiligte Zivilisten sterben mussten, ist ein schreckliches Zeichen.
Putin versucht, der Ukraine die Schuld zu geben. Die US-Geheimdienste gehen fest davon aus, dass prorussische Separatisten geschossen haben. Wem glauben Sie?
Es gibt den schönen Spruch, dass im Krieg zuerst die Wahrheit stirbt. Das gilt auch hier. Wir haben alle unsere Gedanken dazu im Kopf, aber herumzuspekulieren führt nicht weiter. Wofür wir uns einsetzen, ist eine internationale, unabhängige Untersuchung. Das passiert nun ja auch endlich. Auf Basis der Ergebnisse können wir dann auch sagen, wen die Schuld trifft.
Der Separatistenführer hat sich mit dem Abschuss öffentlich gebrüstet, bevor er wusste, was abgeschossen worden war.
Ich habe die Nachrichten darüber gelesen. Wir kommen nicht umhin, festzustellen, dass es nicht so viele Mächte gibt, die im Besitz von Boden-Luft-Raketen sind. Es gibt naheliegende Vermutungen. Aber wir sollten auf Basis von Fakten diskutieren. Leider ist nach dem Absturz vor Ort einiges falsch gelaufen. Wir warten jetzt den Untersuchungsbericht der Niederländer ab, die die Leitung der Ermittlungen übernommen haben.
Dennoch: Die Linke hat viel Verständnis für die Politik Wladimir Putins gezeigt, zumindest mehr als andere Parteien in Deutschland. Ist das vorbei, wenn sich herausstellt, dass er Waffen geliefert hat, mit denen ein Passagierflugzeug abgeschossen wurde?
Wir haben für niemanden Verständnis, der Waffen liefert, die dazu führen, dass 300 Zivilisten sterben müssen. Dafür gäbe es keinerlei Rechtfertigung oder Entschuldigung. Das trifft aber auf jeden zu, der dafür die Verantwortung trüge.
Das heißt: Wenn Russland eine Verantwortung nachgewiesen wird, ändert sich die Politik der Linkspartei gegenüber Russland?
Die Annahme ist falsch, dass wir eine prorussische Partei sind. Wir haben ganz klar gesagt, dass sich Russland im Zuge der Krise um die Ukraine völkerrechtswidrig und falsch verhalten hat. Wir machen da keinen Hehl draus. Dass wir gleichzeitig auch Kritik an der ukrainischen Regierung üben, halte ich für legitim. Auch jetzt halte ich es nicht für sinnvoll, dass der Militäreinsatz fortgeführt wird und eine Teilmobilmachung beschlossen wurde. Wir sind keine prorussische und auch keine proukrainische Partei.
Sehen Sie noch einen Weg, dass es Frieden in der Ostukraine gibt?
Mein Kollege Norbert Röttgen von der CDU hat mal gesagt, dass die Chance auf eine diplomatische Lösung vertan sei. Wer da so herangeht, hat als Außenpolitiker den falschen Job. Wir müssen immer Hoffnung haben und jeden Tag aufs Neue versuchen, eine Lösung auf dem Verhandlungswege zu erzielen – egal, wie verzweifelt die Lage ist. Alles andere führt sowieso nicht zu einer nachhaltigen Lösung.
Wenn es einen verhandelten Waffenstillstand gäbe, wären Sie bereit, diesen von deutschen Soldaten überwachen zu lassen? Zum Beispiel im Rahmen einer UN-Blauhelmmission?
Von der Idee eines Blauhelmeinsatzes halten wir gar nichts. Andreas Schockenhoff von der CDU und Rebecca Harms von den Grünen schlagen das vor. Ich finde es richtig, dass die OSZE die Federführung hat. Wenn diese Deutschland um Unterstützung bittet, werden wir das prüfen.
Sie glauben, dass die OSZE dazu in der Lage ist, einen Waffenstillstand zu überwachen?
Absolut. Die OSZE ist so stark, wie die Mitglieder sie machen. Sie ist in den letzten Jahren zwar von allen Seiten geschwächt worden, zum Beispiel von Russland und von Deutschland. Aber sie ist die Organisation, die gegründet wurde, um Sicherheit in Europa zu schaffen. Russland ist Mitglied, die Ukraine, die EU-Staaten und auch die USA – also alle, die Interessen in diesem Konflikt haben. Einige sehen in der Krise einen "Weckruf für die Nato". Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Gerade jetzt muss sich zeigen, was die OSZE kann.
Warum befürworten Sie nicht den Einsatz von UN-Blauhelmen?
Aus dem beschriebenen Grund. Ich habe schon immer, wie auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier, dafür plädiert, dass die OSZE sich dieser Krise annimmt. Die UN sind für vieles gut und werden in vielen Konflikten gebraucht. Aber in diesem Fall wäre es sinnvoll, die OSZE zu nutzen, denn dafür ist sie da.
Mit Stefan Liebich sprach Christoph Herwartz
Quelle: ntv.de