Politik

Manipulation der Bundestagswahl Kommt der erwartete Angriff noch?

Vor zwei Jahren holten Hacker aus dem Bundestagsnetz 16 Gigabyte Daten.

Vor zwei Jahren holten Hacker aus dem Bundestagsnetz 16 Gigabyte Daten.

(Foto: dpa)

Seit dem Großangriff auf das Bundestagsnetz im Frühjahr 2015 gilt es als ausgemacht: Die Bundestagswahl könnte gestört, die öffentliche Meinung manipuliert werden. Vier Tage vor dem Wahltag ist nichts passiert - was nichts heißen muss.

Die Warnungen waren dramatisch: Nach dem Bundestagshack 2015, Hillary-Gate 2016 und dem Macron-Leaks in diesem Mai galt es als geradezu ausgemacht, dass auch die Bundestagswahl Ziel von Manipulationen sein würde. Vor knapp drei Wochen fragte an dieser Stelle ein Kollege: "Wird der Wahlkampf noch schmutzig?" Die Antwort vier Tage vor der Wahl: Bis jetzt immer noch nicht. Was nicht heißt, dass nicht noch etwas passieren könnte.

Dass das Thema so heiß gekocht wurde, scheint nur auf den ersten Blick übertrieben. Beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik sieht man das eher positiv. "Die Warnungen haben zu einer Sensibilisierung geführt und das kann man als Erfolg sehen", sagt ein Sprecher. Vor gut zwei Jahren wurden Mitarbeiter des BSI, die eigentlich nur für die IT-Sicherheit der Bundesregierung sorgen sollen, zu Hilfe gerufen, als der größte bislang bekannte Hackerangriff auf den Bundestag entdeckt worden war. Für die damals ausgespähten Abgeordneten war die Erkenntnis ihrer Angreifbarkeit ein Schock.

Auch im laufenden Wahlkampf gab es Angriffe gegen Parteien, Stiftungen, Verbände und auf private Mailaccounts von Führungskräften - die laut BSI-Chef Arne Schönbohm erfolgreich abgewehrt wurden. Die Behörde beobachtet die Lage ohne Pause und steht im Austausch mit dem Bundeswahlleiter Dieter Sarreither. Laut Schönbohm finden jeden Tag Tausende Angriffe auf die Bundesregierung und die Parlamentarier statt, können jedoch abgewehrt werden.

Wer die Daten hat, entscheidet

Die Beute von 2015 schlummert derweil immer noch bei den Cyberkriminellen vom Mai 2015. Ähnlich wie bei Emmanuel Macron, dem französischen Präsidenten, könnte es theoretisch auch kurz vor der Wahl noch passieren, dass die erbeuteten E-Mails und Dateien deutscher Politiker an die Öffentlichkeit gelangen - als sogenanntes Kompromoat, angreifbar machendes Material über die jeweilige Person oder Partei. Was von den 16 Gigabyte dazu taugen könnte, das wissen nur die Betroffenen. Bei der Frankreichwahl kam das Leak so spät, dass niemand es mehr durchlesen konnte. Der Effekt der Verunsicherung bei den Wählern wurde trotzdem erzielt.

Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen zufolge entscheidet über den Einsatz der brisanten Daten allein derjenige, der über die Daten verfügt. "Ob er es will, ist eine politische Entscheidung, die soweit es Russland angeht, in Russland getroffen werden müsste." Der russische Militärgeheimdienst GRU, so wird bei den Sicherheitsbehörden vermutet, steckte sowohl hinter dem Cyberangriff auf den Bundestag als auch hinter den Macron-Leaks.

Russische Politiker haben das natürlich von sich gewiesen. Im März trafen Außenminister Sergej Lawrow und sein deutscher Amtskollege Sigmar Gabriel aufeinander. Lawrow sagte da: "Alle diese Vorwürfe sind haltlos." Auch Präsident Wladimir Putin sagte im Juni: "Wir machen so etwas auf staatlicher Ebene nicht, das ist wichtig." Für unabhängige russische Cyber-Krieger wollte der Kremlchef aber keine Verantwortung übernehmen. "Wenn die Hacker aufwachen und lesen, dass in den internationalen Beziehungen etwas geschieht, und sie sind patriotisch gesonnen, dann tragen sie bei zu dem, wie sie denken, gerechten Kampf gegen Leute, die schlecht über Russland reden."

Was würde Manipulation noch bringen?

Wenn es also gewollt wäre, so würden die im Bundestag geklauten Daten aller Wahrscheinlichkeit nach auf zwei Internetseiten veröffentlicht, die Maaßens Behörde regelmäßig überprüft: Sie heißen btleaks.info und btleaks.org und wurde bereits vor Monaten freigeschaltet. Doch bis heute erscheint nur eine leere weiße Seite beim Aufruf der Adresse.

Die Frage ist vielmehr, was eine Manipulation der Bundestagswahl aus Sicht von Hackern überhaupt bringen würde. Eine der Theorien, warum spürbare Manipulationsversuche bisher ausgeblieben sind, ist die, dass es sich schlicht nicht lohnt: Die CDU dürfte die Wahl aller Voraussicht nach gewinnen, die Regierungschefin wird Angela Merkel bleiben. Sie galt lange als potentielles Ziel einer Kampagne. Doch den Protest gegen die Kanzlerin hat ja bereits die AfD besorgt und konnte Merkel damit keinen nennenswerten Schaden zufügen.

Wenn man Russland derartige Eingriffsmöglichkeiten unterstellt, so scheint es sich also mit einer Fortsetzung der Beziehungen mit Angela Merkel eingerichtet zu haben. Von Putin ist zudem das Zitat überliefert: "Herrn Schulz kenne ich fast nicht." Schulz' Vorvorgänger im Amt des SPD-Chefs Gerhard Schröder hat unterdessen einen Posten beim russischen Staatskonzern Rosneft übernommen - was in Deutschland der SPD mehr schadete als der CDU.

Der internetpolitische Sprecher der CDU, Thomas Jarzombek, sieht indes noch keine Entwarnung. "Wir haben in Frankreich gesehen, wie kurz vor der Wahl noch etwas passieren kann", sagte er n-tv.de. Der Anfangsverdacht sei einfach gegeben angesichts der vielen nicht erfolgreichen Hackversuche. "In den letzten Tagen habe ich mich manchmal gefragt: Kommt da jetzt noch was?", so der Düsseldorfer Abgeordnete. Und damit sei er nicht der einzige.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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