Vertuschung im Fall Nemzow? Kreml-Kameras bei Mord außer Betrieb
02.03.2015, 11:39 Uhr
Boris Nemzow soll am Dienstag beerdigt werden.
(Foto: AP)
Eigentlich ist das Gebiet um den Kreml, wo der russische Kreml-Kritiker Boris Nemzow erschossen wird, gut überwacht. Doch nicht zum Tatzeitpunkt: Viele Überwachungskameras sollen ausgeschaltet gewesen sein. Die Stadt dementiert den Medienbericht.
Zufall oder Vertuschung? Der Kreml-Kritiker Boris Nemzow wird in der Nähe des Kreml erschossen. Doch von der Tat selbst gibt es keine Videoaufzeichnungen - obwohl der Kreml und seine Umgebung durch zahlreiche Videokameras überwacht werden.
Doch viele Überwachsungskameras waren zum Tatzeitpunkt ausgeschalten. Wie die russische Zeitung "Kommersant" berichtet, sollten sie repariert werden. Die Stadt Moskau wies die Medienberichte zurück. Alle Kameras funktionierten, hieß es. Die Aufnahmen würden ausgewertet.
Ganz unbeobachtet ging die Tat aber nicht vonstatten. Ein Video, das am Sonntag im russischen Fernsehen gezeigt worden ist, zeigt die Straßenszene während des Mordes an Nemzow. Die Tat selbst ist nicht zu sehen, da im entscheidenden Moment eine Kehrmaschine den Blick verdeckt.
Sonderermittler benannt
Derweil wurde Medien zufolge ein Experte für Verbrechen mit nationalistischem Hintergrund zum Sonderermittler im Fall Nemzow ernannt. Mit dem Fall befasse sich General Igor Krasnow, der eine zwölfköpfige Sonderkommission leite, berichteten russische Medien. Demnach hatte der General auch die politischen Morde an dem kremlkritischen Anwalt Stanislaw Markelow und der Journalistin Anastasia Baburowa aufgeklärt. Sie waren 2009 erschossen worden.
Die Ernennung dürfte auf den Hauptermittlungsansatz hindeuten: ein Mord, womöglich verübt von Nationalisten, die aus Hass auf die prowestliche Opposition gehandelt haben könnten, wie Kommentatoren meinten. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es nicht.
Nawalny beantragt vorzeitige Entlassung
Der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hat unterdessen seine vorzeitige Haftentlassung beantragt, wie "Kommersant" auch berichtet. Er will an der Beerdigung Nemzows am Dienstag teilnehmen. Nawalny war am 20. Februar zu 15 Tagen Haft verurteilt worden, weil er Werbung für eine nicht genehmigte Demonstration der Opposition gemacht haben soll.
Nach den Worten des russischen Oppositionellen Garri Kasparow schwindet mit dem Mord an Nemzow die Hoffnung auf einen friedlichen politischen Übergang in seiner Heimat. Der im US-Exil lebende Ex-Schachweltmeister sagte, es könne eines Tages sogar gewaltsame Massenproteste in Moskau geben.
Derzeit sei es für Russland aber nicht möglich, friedfertig von der "brutalen Diktatur" des Präsidenten Wladimir Putin wegzukommen. Kasparow ergänzte, er habe in den USA keine Leibwächter. Solange er nicht nach Russland reise, sei sein Leben nicht in Gefahr. Er werde daher Moskau meiden und auch nicht an der Beerdigung Nemzows teilnehmen.
Quelle: ntv.de, fma/rts/dpa