Politik

Sind Maghreb-Staaten sicher? Kretschmann im Zwei-Fronten-Krieg

Winfried Kretschmann lässt gerade prüfen, ob er dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zu den Maghreb-Staaten zustimmen kann.

Winfried Kretschmann lässt gerade prüfen, ob er dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zu den Maghreb-Staaten zustimmen kann.

(Foto: dpa)

Als er Balkanstaaten als Sichere Herkunftsländer einstufte, hagelte es auf Winfried Kretschmann bereits Kritik aus den eigenen Reihen. Jetzt geht es um Algerien, Marokko und Tunesien. Obwohl seine Stimme praktisch keine Rolle spielt, ist seine Lage noch übler.

Der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, gerät unter immer größeren Druck aus der eigenen Partei. Die Bundesregierung will Marokko, Algerien und Tunesien zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten erklären. Asylbewerber aus diesen Ländern könnten dadurch künftig in einem Schnellverfahren behandelt werden. Am nächsten Freitag soll der Bundesrat entscheiden – und mindestens drei große Länder mit grüner Regierungsbeteiligung müssten mithelfen für eine Mehrheit.

"Würde Kretschmann zustimmen, würde das natürlich eine Auseinandersetzung innerhalb der Grünen nach sich ziehen", sagt Luise Amtsberg, flüchtlingspolitische Sprecherin der Ökopartei n-tv.de auf Anfrage. Kurz zuvor hatte Amtsberg die ohnehin schon missliche Lage Kretschmanns bereits durch eine kleine Anfrage verschärft.

Die Bundesregierung musste in der Anfrage einräumen, dass in den drei Ländern noch immer Folter praktiziert wird. Zudem steht dort Homosexualität nach wie vor unter Strafe. "Unsere kleine Anfrage hat verdeutlicht, dass selbst das Auswärtige Amt Verfolgung in diesen Ländern nicht ausschließen kann", so Amtsberg. "Wir Grüne dürfen Verfahrenserleichterungen nicht über die Menschenrechte stellen. Wer dies dennoch tut, wird von meiner Seite kein Verständnis bekommen."

Bei den Balkanstaaten war alles leichter

Als der Bundesrat noch über die Balkanstaaten abstimmen musste, steckte Kretschmann bereits in einem Dilemma. In den Reihen der Grünen gibt es viele, die das Konzept der sicheren Herkunftsländer grundsätzlich ablehnen. Kretschmann stand mit der Auffassung, dass dieses Modell grundsätzlich möglich sein muss, aber nicht allein da. Und weil er der Bundesregierung für sein Ja diverse Zugeständnisse in anderen Fragen der Flüchtlingspolitik abrang, ertrugen die Grünen es zähneknirschend.

Das ist jetzt anders: "Man darf Kretschmann nicht fragen: Wie stehen Sie zu sicheren Herkunftsstaaten?", sagt Amtsberg. "Man muss ihn fragen: Konnten die verfassungsrechtlichen Bedenken bei der Einstufung der Maghreb-Staaten ausgeräumt werden?" Es geht jetzt um viel mehr als die Frage, ob das Konzept von sicheren Herkunftsstaaten mit urgrünen Überzeugungen vereinbar ist.

Die Grünen in Schleswig-Holstein haben bereits angekündigt, dieses Mal definitiv Nein zu sagen. Bei den hessischen Grünen gilt die Zustimmung als sehr unsicher. Und so verhält es sich auch bei den anderen Landesgrünen. Kretschmanns Truppe prüft die Frage gerade. Doch für ihn ist es nicht so leicht, dieses Mal einfach Nein zu sagen.

Kretschmann führt die erste grün-schwarze Koalition in der Geschichte der Bundesrepublik. Und im Koalitionsvertrag heißt es: "Die im Bundesrat anstehende Entscheidung über die Erweiterung des Kreises der sicheren Herkunftsstaaten um die Maghreb-Staaten Algerien, Tunesien und Marokko werden wir unterstützen, falls die entsprechenden hohen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen."

Kretschmanns sucht einen Ausweg

Für die Grünen-Politikerin Amtsberg heißt das: "Ich sehe die Möglichkeit eines Neins zur Einstufung im Koalitionsvertrag durchaus gegeben." Doch die CDU im Ländle sieht das völlig anders. "Der Koalitionsvertrag ist kaum vier Wochen alt und die Tinte noch feucht - da gehe ich schon davon aus, dass alle vertragstreu sind", sagt Innenminister Thomas Stroble, der auch Landeschef der Christdemokraten ist. Er hat eigenen Angaben zufolge keine verfassungsrechtlichen Bedenken am Gesetzentwurf der Bundesregierung.

Zerbricht daran die erste grün-schwarze Koalition? "Ich glaube nicht", sagt Amtsberg. Sie bezeichnet es eher als ein Kräftemessen und entlässt Kretschmann trotz seiner schwierigen Lage nicht aus der Pflicht. Amtsberg sagt: "Wenn man auf die Bundestagswahl blickt, ist es natürlich interessant zu sehen, wie beweglich eine CDU in einem Land wie Baden-Württemberg ist."

Nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" sucht Kretschmann bereits nach einem Weg, um derartige Konflikte künftig zu verhindern. Er lässt demnach ein Modell für ein Gesetz erarbeiten, das das Konzept der sicheren Herkunftsländer überflüssig machen soll. Ob Asylbewerber in ein Schnellverfahren kommen, soll nicht mehr vom Herkunftsland abhängen, sondern allein an der Anerkennungsquote von Menschen aus diesen Ländern hängen.

Quelle: ntv.de, ieh

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