Politik

"Kein Grund für Angst vor Russland" Krieg mit Nato ist für Putin unvorstellbar

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In einem großen Interview zum G7-Gipfel verteidigt der ausgeladene Kremlchef Putin die russische Politik. Moskau reagiere nur auf Aggressionen aus dem Westen. Gleichzeitig beschwichtigt er.

Kurz vor dem G7-Gipfel in Deutschland hat Russlands Präsident Wladimir Putin beschwichtigende Worte an den Westen gerichtet. Es gebe "keinen Grund, vor Russland Angst zu haben", sagte Putin der italienischen Zeitung "Corriere della Sera". Wegen des Ukraine-Konfliktes hatten die Staats- und Regierungschefs der G7-Gruppe Russland von ihren Treffen auf Schloss Elmau, das am Sonntag beginnt, ausgeschlossen.

Nur ein "kranker Mensch" könne sich vorstellen, dass Russland aus dem Nichts Mitglieder der Nato angreife, fuhr Putin in dem Interview fort. In einigen Ländern werde mit solchen Ängsten spekuliert. Der Kremlchef warf den USA vor, mit derartigen Befürchtungen zu spielen und Feindbilder aufzubauen, um damit einen Führungsanspruch in der Welt zu untermauern. "Die Welt hat sich derart verändert, dass sich zurechnungsfähige Menschen einen solchen militärischen Konflikt gar nicht mehr vorstellen können." Überdies gebe es "andere Dinge zu tun".

In der Ostukraine bekämpfen sich seit mehr als einem Jahr mutmaßlich von Moskau unterstützte prorussische Rebellen und ukrainische Regierungstruppen. Obwohl seit den Minsker Friedensvereinbarungen vom Februar eine Waffenruhe gilt, hatte es in den vergangenen Tagen wieder schwere Kämpfe mit dutzenden Toten gegeben. Die Beziehungen Russlands zur Nato sind derzeit so angespannt wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Reaktion auf russischen Raketentest

Aus dem Pentagon wurde am Freitag bekannt, dass die USA die Stationierung neuer Raketen in Europa offenbar nicht mehr ausschließen. Dies wäre "die äußerste" Reaktion aus einer ganzen Reihe von Maßnahmen, hieß es. Washington wirft Moskau vor, mit dem Test eines Marschflugkörpers im vergangenen Jahr gegen einen Vertrag über nukleare Mittelstreckenraketen aus dem Jahr 1987 verstoßen zu haben. Der Kreml weist den Vorwurf als unbegründet zurück.

Putin sagte dem "Corriere della Sera" weiter, Russland verteidige sich lediglich gegen äußere Bedrohungen. Die Verteidigungsausgaben der Nato-Mitglieder seien deutlich höher als die russischen, das US-Militärbudget sei "das höchste der Welt", sagte er. Im Sinne einer Balance werde Russland entsprechende Systeme entwickeln, um die "Raketenabwehr zu überwältigen".

Der EU kreidete Putin eine eigennützige Politik an, die die Interessen Russlands beim Aufbau einer Eurasischen Wirtschaftsunion außer Acht lasse. "Wenn die Länder Europas sich zusammenschließen, ist das normal, aber wenn wir auf postsowjetischem Gebiet das auch tun, wird versucht, dies als Streben Russlands nach einem Wiederaufbau irgendeines Imperiums zu erklären", sagte Putin weiter.

Mit Blick auf die Kämpfe in der Ostukraine beschuldigte Putin die Regierung in Kiew, keinen Willen zur Umsetzung des Friedensabkommens von Minsk zu zeigen. Kiew verweigere sich Gesprächen mit den prorussischen Rebellen, sagte er. Die Regierung wolle sich "nicht einmal mit ihnen an einen Tisch setzen". Dagegen könne Moskau nichts tun, es sei aber an einer Umsetzung der Vereinbarungen interessiert.

Unruhige Nacht in der Ostukraine

Putin forderte ein Gesetz zur Abhaltung von Kommunalwahlen sowie eine Amnestieregelung. Die Anführer der selbsternannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk seien in diesem Fall bereit, ihre Gebiete als Teil der Ukraine zu betrachten, sagte Putin. Diese Haltung sei eine gute Basis für "ernsthafte Verhandlungen".

Das ukrainische Militär erklärte unterdessen am Samstag, es sei "keine ruhige Nacht" gewesen. Einem Sprecher zufolge wurden bei Kämpfen im Osten des Landes binnen 24 Stunden ein Soldat getötet und zehn weitere verletzt. Die Rebellen setzten ihre "bewaffneten Provokationen" fort und griffen weiterhin Regierungstruppen an, hieß es. Besonders betroffen war erneut die Umgebung von Donezk. Seit dem Beginn des Konflikts wurden nach Schätzungen bereits mehr als 6400 Menschen getötet.

Quelle: ntv.de, ddi/AFP/dpa

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