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"Frauen werden mich hassen" Kronzeuge "Pitbull" Cohen belastet Trump schwer

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Donald Trump auf dem Weg in den Gerichtssaal

Donald Trump auf dem Weg in den Gerichtssaal

(Foto: AP)

Darauf hat die Anklage hingearbeitet: In Donald Trumps Schweigegeldprozess sagt dessen früherer Anwalt gegen den Ex-Präsidenten aus. Michael Cohen beschreibt die Monate vor der Wahl 2016, als die beiden mit viel Geld versuchten, Trumps Frauengeschichten zu unterdrücken.

Ein zweckorientierter Lügner sagt gegen einen chronischen Lügner aus. So könnte man zusammenfassen, was seit heute im Saal 59 des Strafgerichtshofes in Manhattan vor sich geht. Donald Trumps früherer persönlicher Anwalt Michael Cohen, neutral auch "Fixer" und von anderen "Pitbull" genannt, sitzt für die Anklage im Zeugenstand, um im Schweigegeldprozess gegen seinen früheren Chef und heutigen Ex-Präsidenten die entscheidenden Details zu liefern. Es ist der Höhepunkt der Verhandlungen und Beratungen der Geschworenen, die mit einem Schuldspruch und sogar einer mehrjährigen Haftstrafe für Trump enden könnten.

Im Saal sind keine Presseaufnahmen zugelassen, aber der Prozess ist trotzdem ein Medienspektakel. CNN etwa zeigt gleichzeitig Fotos, Gerichtszeichnungen, Trump auf der Anklagebank, die kleinen Porträts derzeit Beteiligter sowie einen Liveticker mit Zitaten aus dem Saal, die eine Expertenrunde parallel live diskutiert und von Reportern in der Nähe des Gebäudes kommentiert werden. War Trumps Motivation politisch, waren die Zahlungen also illegale Wahlbeeinflussung? Dafür möchte die Anklage nachweisen, dass im Sinne des Wahlkampfes Geld floss und Trump dabei die Fäden zog.

Schon 2019 hatte Cohen vor dem Kongress gesagt: "Trump wies mich an, mein persönliches Geld zu verwenden, damit während des Wahlkampfes keines zu ihm zurückverfolgt werden könne." Die Verteidiger des Ex-Staatschefs behaupten hingegen, ihr Klient habe nur familiäre Gründe gehabt, die Frauen mit Geld ruhigzustellen, keine politischen. So wird das unter anderem auch beim konservativen Fernsehsender Fox News vermittelt - Trump habe sich eben Sorgen um seine Ehe gemacht.

Angst vor "totaler Katastrophe"

Früher verteidigte er Trumps Interessen, nun sagt er als Kronzeuge der Staatsanwaltschaft gegen seinen Ex-Chef aus: Michael Cohen.

Früher verteidigte er Trumps Interessen, nun sagt er als Kronzeuge der Staatsanwaltschaft gegen seinen Ex-Chef aus: Michael Cohen.

(Foto: dpa)

Cohen sagt im Zeugenstand das Gegenteil. "Er hat nicht an Melania gedacht, es ging nur um den Wahlkampf." Immer wieder beschreibt er, wie sein damaliger Chef über jeden Schritt unterrichtet werden und diesen selbst absegnen wollte. Trump habe ihm etwa im Zusammenhang mit der von Stormy Daniels angedrohten Veröffentlichung über den gemeinsamen Sex gesagt: "Das ist eine Katastrophe, eine totale Katastrophe, Frauen werden mich hassen. Typen werden es cool finden. Aber das wird eine Katastrophe für den Wahlkampf." Also heckten sei einen Weg aus, die Pornodarstellerin bis zur Wahl ruhigzustellen.

Dies ist im Prozess gegen Trump das entscheidende Detail. Falls die Geschworenen der klagenden Staatsanwaltschaft glauben, dass Trump 2016 als Präsidentschaftskandidat der Republikaner die Schweigegeldzahlungen wegen des Wahlkampfes vertuschte, müssten sie ihn für schuldig erklären. Cohen erinnert sich an eine Unterhaltung mit Trump, der gesagt habe: "Ich möchte, dass Du (die Zahlung) so lange wie möglich hinauszögerst, bis nach der Wahl, weil wenn ich gewinne, wird es bedeutungslos sein, weil ich der Präsident bin, und wenn ich verliere, ist es mir einfach egal." Cohen habe aus Angst vor den möglichen Auswirkungen einer Veröffentlichung noch vor der Wahl 130.000 US-Dollar seines eigenen Geldes gezahlt.

Das Verhalten des Ex-Präsidenten auf der Anklagebank verändert sich im Laufe des Verhandlungstages. Erst starrt er stur geradeaus, ignoriert Cohen demonstrativ, als dieser in den Saal kommt. Danach schließt er immer wieder für längere Zeit die Augen. Irgendwann fängt er offenbar an, ausgedruckte Texte zu lesen - er hatte bei seinen Worten an die Presse vor dem Saal mit einem Stapel Papier herumgewedelt, dessen Deckblatt er als Artikel der "New York Times" beschrieb. Selten zeigt Trump eine Reaktion auf das, was sein früherer Anwalt über ihn sagt; blickt ihn ganz kurz an oder schüttelt den Kopf.

Kleiner Wahlkampfkrimi

Die Stunden vergehen, und Cohens Antworten formen sich zu einem kleinen Wahlkampfkrimi. Es geht um die "Access Hollywood"-Aufnahme, in der Trump den berüchtigten Satz sagte: "Grab 'em by the pussy" und den Versuch medialer Schadensbegrenzung danach, indem das Gesagte als Umkleidegerede ("locker room talk") abgetan wird. Oder um den 28. Oktober, als Cohen fünf Minuten lang mit Trump am Telefon sprach und sagte, die Geschichte mit Stormy Daniels sei nun "komplett unter Kontrolle und abgesichert". Am selben Tag unterschreibt er die Schweigevereinbarung mit Daniels.

Trump war nur in einzelnen Momenten sichtlich aufmerksam.

Trump war nur in einzelnen Momenten sichtlich aufmerksam.

(Foto: REUTERS)

Es geht auch um den 4. November 2016, da sind es noch vier Tage bis zur Präsidentschaftswahl, als das "Wall Street Journal" einen Artikel über die Schweigegeldzahlung an das Playboy-Model Karen McDougal veröffentlicht. Ihr zufolge hatte sie mit Trump im Jahr 2006 eine Liebesaffäre, der dementiert das. Trumps damalige Wahlkampfsprecherin Hope Hicks koordinierte mit Cohen und dem Chef von American Media Inc., David Pecker, wie sie mit der Veröffentlichung umgehen sollten, um "mögliche Auswirkungen eines solchen Artikels zu unterdrücken". Cohen sagt, sie seien besorgt gewesen, die Geschichte könne "explodieren" und ein "riesiges Problem" verursachen.

Cohen belastet Trump mit seinen Aussagen schwer. Doch die Anklage hat den Ex-Präsidenten mitnichten in die Ecke getrieben. Schließlich hat der Kronzeuge ein gewaltiges Glaubwürdigkeitsproblem. Cohen hatte zwölf Jahre lang als Anwalt für Trump gearbeitet, sagte einmal, er würde für ihn "eine Kugel abfangen". Seine Interessen verteidigte er mit Telefonterror, viel Aggressivität und Lügen unter Eid. Cohen half Trump auch, zum Präsidenten gewählt zu werden und bezeichnete sich als Teil von dessen Familie. Doch 2018 brach er mit seinem Chef und zeigt sich seither geläutert und als dessen scharfer Kritiker. Nehmen die Geschworenen ihm das ab?

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Der 57-Jährige verbüßte als Folge seiner Enthüllungen über die Arbeit für den späteren Präsidenten eine dreijährige Haftstrafe von 2018 bis 2021: für Steuerhinterziehung von 1,4 Millionen US-Dollar, für seine Lügen unter Eid über Trumps Geschäftsbeziehungen in Russland sowie für illegale Wahlkampffinanzierung für Trump im Kontext der Schweigegeldzahlungen. "Ich sah es als meine Pflicht an, seine schmutzigen Taten zu verstecken, statt auf meine innere Stimme und moralischen Kompass hören", sagte er in der damaligen Verhandlung reumütig. Seine Strafe verbrachte Cohen zunächst im Gefängnis und dann im Hausarrest.

Die illegale Wahlkampffinanzierung will die Anklage nun Trump nachweisen. Zwar tätigte Cohen die Zahlung an Stormy Daniels. Aber er wurde danach dafür entschädigt, wie er sagt. Als er anfängt, über Details zu sprechen, wie das vonstattenging - inklusive voraussichtlicher Steuern -, und wie die Zahlungen als "Anwaltsleistungen" ("legal services") deklariert werden sollten, ist sein erster Tag als Kronzeuge vorbei. Die Anklage hat am Dienstag weitere Zeit dafür, die Geschworenen von Cohens Ehrlichkeit zu überzeugen. Danach folgt das Kreuzverhör, in dem Trumps Verteidiger versuchen werden, den Kronzeugen zu diskreditieren.

Quelle: ntv.de

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