Neuer Kampf um Sindschar droht Kurden-Präsident verkündet "Befreiung"
13.11.2015, 20:12 Uhr
Der Präsident der autonomen Kurdenregion im Nordirak, Massud Barsani, spricht von einem wichtigen Sieg.
(Foto: REUTERS)
Die Rückeroberung von Sindschar im Irak und Al-Hol in Syrien gilt als Meilenstein. Damit sind zwei wichtige Versorgungsrouten des IS gekappt. Gleichzeitig erklärt Kurden-Präsident Barsani Sindschar zu einem "Teil von Kurdistan". Das dürfte für neuen Streit sorgen.
Mit Unterstützung der USA haben anti-dschihadistische Kampfeinheiten im Irak und in Syrien Bastionen der Extremistenorganisation Islamischer Staat (IS) zurückerobert. Der Präsident der autonomen Kurdenregion im Nordirak, Massud Barsani, verkündete die "Befreiung" der strategisch und symbolisch wichtigen Stadt Sindschar. Im Osten Syriens wurde Al-Hol eingenommen. Damit ist die IS-Transportroute über die Grenze gekappt.
"Ich bin hier, um die Befreiung von Sindschar zu verkünden", sagte Barsani bei einer Ansprache nahe der Stadt. Hunderte kurdische Peschmergakämpfer rückten laut dem Bericht eines Reporters der Nachrichtenagentur AFP in das im Sommer vergangenen Jahres vom IS eroberte Sindschar ein.
Über der Stadt standen Rauchsäulen, die von den Luftangriffen und von Granatenbeschuss herrührten. Viele Häuser und Geschäfte waren zerstört, in den Straßen standen beschädigte Autos. An einigen Häusern war die Aufschrift "Islamischer Staat" zu sehen.
Barsani erklärte Sindschar umgehend zu einem "Teil von Kurdistan", der autonomen Kurdenregion im Nordirak. Damit zeichnet sich schon jetzt politischer Streit um die Stadt ab - die irakische Zentralregierung in Bagdad wird sich vehement gegen eine Ausweitung des Kurdengebietes auf Sindschar stemmen. Und auch die Jesiden und andere nichtkurdische Anti-IS-Kämpfer werden nicht akzeptieren wollen, dass die Kurden die Macht übernehmen.
Obama spricht von Erfolg
Die USA hatten bei der Offensive unter anderem Militärberater in den Sindschar-Bergen vor Ort. Diese suchten nach Angaben des Pentagons gemeinsam mit den kurdischen Peschmerga-Kämpfern die Ziele für unterstützende Luftangriffe aus. US-Präsident Barack Obama sagte, es sei von Anfang an das Ziel gewesen, den IS "einzudämmen", das sei nun geschehen.
Nach offiziellen Angaben waren an der Offensive 7500 kurdische Kämpfer beteiligt. Sindschar liegt auf einer Verbindungslinie zwischen der nordirakischen IS-Hochburg Mossul und den im Nachbarland Syrien von den Extremisten kontrollierten Gebieten. Durch den Verlust von Sindschar kann die Dschihadistengruppe nun nicht mehr ungehindert Kämpfer und Versorgungsgüter zwischen den beiden Regionen hin- und herschicken.
Dieses Ziel wurde gleichzeitig auf der syrischen Seite verfolgt: Ein Bündnis von kurdischen Kämpfern und gemäßigten Rebellen gab die Eroberung der IS-Bastion Al-Hol im Osten Syriens bekannt. Dies sei der "wichtigste strategische Sieg", der "in vollständiger Zusammenarbeit mit der internationalen Koalition" unter Führung der USA errungen worden sei, sagte Talal Ali Sello, ein Sprecher der Demokratischen Kräfte Syriens.
Al-Hol liegt auf der Versorgungsroute zwischen den vom IS beherrschten Gebieten im Irak und in Syrien. Indem die Dschihadisten aus der Ortschaft vertrieben wurden, ist auch hier ihre Nachschublinie unterbrochen.
Sieg mit großem symbolischem Wert
Zu dem Kampfbündnis auf der syrischen Seite der Grenze gehören die kurdischen Volksverteidigungseinheiten, die mehrheitlich arabische Gruppierung Burkan al-Furat und christlich-syrische Gruppierungen. Das Bündnis wurde am 12. Oktober mit Unterstützung der USA gegründet. Die internationale Koalition unter US-Führung flog am Mittwoch und Donnerstag in der Umgebung von Sindschar 36 Luftangriffe, 15 weitere in der Umgebung von Al-Hol.
Die Eroberung von Sindschar hat nicht nur strategische Bedeutung, sondern auch großen symbolischen Wert: Im Sommer vergangenen Jahres waren infolge der IS-Blitzoffensive im Nordirak zehntausende Jesiden in die karge Bergregion rings um die Stadt geflohen, wo sie weder Wasser noch Essen hatten. Tausende Männer wurden getötet, Frauen und Kinder entführt und versklavt. Die Vereinten Nationen sprachen von versuchtem Völkermord. An der Rückeroberung von Sindschar beteiligten sich nun auch jesidische Kämpfer.
Quelle: ntv.de, hul/AFP