"Brüsseler Erklärung" Länder erhöhen Druck auf Ampel für billigen Industriestrom
07.09.2023, 16:29 Uhr Artikel anhören
Die Länder sehen die Energiekosten als Wachstumshemmnis.
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Die Bundesländer fordern für ihre Unternehmen einen verbilligten Strom. In seltener Einmütigkeit treten sie gemeinsam für einen Industriestrompreis ein. Kanzler Scholz vermeidet bislang eine klare Positionierung. Bei der Union gibt es Widerstand in der Fraktion.
Die Bundesländer haben sich angesichts gestiegener Energiekosten geschlossen für einen befristeten Brückenstrompreis zur Entlastung energieintensiver Unternehmen ausgesprochen. Mit einer "Brüsseler Erklärung" erhöhen sie den Druck auf Kanzler Olaf Scholz beim Thema subventionierter Industriestrompreis. Der Regierungschef hat bislang eine klare Positionierung vermieden und zunächst eine Debatte über die Finanzierung gefordert. Zustimmung kommt derweil von Wirtschaftsminister Robert Habeck. Er freue sich "über die Unterstützung, gerade von Unionsministerpräsidenten". Die EU-Kommission will sich einem Sprecher zufolge zu den Plänen nicht äußern, weil diese derzeit noch auf nationaler Ebene diskutiert würden. Kommissionschefin Ursula von der Leyen sei aber grundsätzlich bereit, das Vorhaben zu prüfen.
In der "Brüsseler Erklärung" heißt es, dass die gestiegenen Energiekosten ein "akutes Hemmnis für die Erholung der Konjunktur und die Rückkehr der Industrieproduktion auf Vorkrisenniveau" seien. Deswegen müsse es den EU-Mitgliedsstaaten für einen Übergangszeitraum möglich sein, "einen wettbewerbsfähigen Brückenstrompreis vor allem für energieintensive und im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen zu etablieren, bis bezahlbare erneuerbare Energien in hinreichendem Umfang zur Verfügung stehen".
Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil verweis auf die Branchen Stahl und Chemie, Kupfer und Aluminium sowie Glas, Keramik, Zement und noch etliche andere Industriezweige. Ihnen drohe "sehr, sehr großer Schaden". NRW-Regierungschef Hendrik Wüst sagte, man müsse einen Brückenstrompreis nicht schön finden. "Aber ich höre bisher auch keine andere Antwort von all denen, die das nicht wollen."
Druck auch aus der SPD - Widerstand aus Union
Für den Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) ist der Ruf nach stärkeren staatlichen Förderungen dagegen eine falsche Botschaft. Ein Brückenstrompreis konterkariere einen europäischen Ansatz, globale Probleme wie die Energiekosten gemeinsam anzugehen und drohe, den europäischen Binnenmarkt zu verzerren.
Derweil werden ungeachtet von Scholz' Vorbehalten auch aus den SPD-Reihen die Rufe nach einem Industriestrompreis lauter. Er sei "von zentraler Bedeutung, um den Fortbestand guter Arbeitsplätze in Europa zu sichern", sagte der Vorsitzende der SPD-Gruppe im Europaparlament, Jens Geier. "Die energieintensive Industrie ist ein entscheidender Treiber CO2-armer Produktion und ein Garant für den Wohlstand in der Europäischen Union."
Die SPD-Bundestagsfraktion hatte jüngst - in Abwesenheit von Kanzler Scholz - ihr Konzept für einen staatlich subventionierten Industriestrompreis beschlossen. Er soll zunächst auf fünf Jahre befristet sein, fünf Cent pro Kilowattstunde betragen und für die besonders von hohen Energiekosten betroffenen Unternehmen gelten. Die Differenz zum durchschnittlichen Börsenstrompreis, der derzeit bei etwa 8,95 Cent liegt, soll der Staat übernehmen.
Widerstand kommt aus der Unionfraktion: "Eine solche Subvention hilft nur wenigen, erfordert ein langes Genehmigungsverfahren bei der EU-Kommission und erzeugt auch noch neue Bürokratie", sagte CSU-Finanzexperte Sebastian Brehm. "Wir brauchen aber rasche Abhilfe, die wir durch einfache Stromsteuersenkung aus eigener Kraft schaffen können", fügte er hinzu.
CDU-Partei- und Unionsfraktionschef Friedrich Merz hatte sich Ende August offen für Gespräche über einen Industriestrompreis gezeigt. Wichtig sei aber zunächst eine Senkung der Netzentgelte und Stromsteuern. "Und dann sprechen wir auch, wenn es notwendig sein sollte, über einen Brückenstrompreis."
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/AFP/rts