Zustimmung teuer erkauft Länder stimmen Fiskalpakt zu
24.06.2012, 18:14 Uhr
Die Ministerpräsidenten Haseloff, Beck, Kretschmann und Seehofer vor dem Kanzleramt.
(Foto: dpa)
Nach dem Ja von SPD und Grünen bekommt Kanzlerin Merkel auch die Zustimmung der Bundesländer zum Fiskalpakt. Es ist die vorletzte Hürde für die europäische Schuldenbremse, Karlsruhe kann das Projekt noch stoppen. Sicher ist: Die Einigung mit den Ländern wird teuer für den Bund.
Mit dem Vertrag verpflichten sich die Unterzeichnerländer - das sind alle EU-Staaten bis auf Großbritannien und Tschechien - zu strikterer Haushaltsdisziplin. So darf das konjunkturunabhängige strukturelle Defizit fortan die Grenze von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten. Bislang liegt die Grenze bei 1,0 Prozent. Zudem sollen die Unterzeichner nach dem Vorbild Deutschlands eine verpflichtende Schuldenbremse im nationalen Recht verankern.
Im Fall eines Verstoßes gegen die Regeln werden automatisch Strafverfahren ausgelöst, die nur durch ausdrückliches Mehrheitsvotum der Unterzeichnerstaaten gestoppt werden können. Verankert ein Land die Schuldenbremse nicht im nationalen Recht, droht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und die Zahlung einer Geldbuße von bis zu 0,1 Prozent der Wirtschaftsleistung. Nur wer den Fiskalpakt einhält, soll Hilfszahlungen aus dem ESM bekommen können. Der Vertrag soll möglichst zum 1. Januar 2013 in Kraft treten. Dazu müssen ihn mindestens zwölf Euro-Länder ratifiziert haben.
Mit Milliardenhilfen für die Kommunen hat die Bundesregierung den Ländern ihr Ja zum europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin abgerungen. Damit ist die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat am kommenden Freitag sicher.
In zweieinhalbstündigen Verhandlungen im Kanzleramt versprach die schwarz-gelbe Bundesregierung den Ministerpräsidenten unter anderem, vorerst alle Strafzahlungen bei zu hoher Verschuldung von Länder und Kommunen zu übernehmen. Für 30.000 zusätzliche Kita-Plätze sollen einmalig mehr als 500 Millionen Euro fließen. Bei den laufenden Kita-Betriebskosten will der Bund künftig jährlich mit 75 Millionen Euro dabei sein.
Der größte Brocken des Hilfspakets ist allerdings erst für die Zeit nach der Bundestagswahl 2013 geplant. Dann soll der Bund unter anderem in die Eingliederungshilfe für Behinderte einsteigen. Hier handele es sich um eine Größenordnung von vier Milliarden Euro jährlich, die vom Bund künftig fließen könnten, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU).
Bund-Länder-Bonds kommen
Die Bundesregierung bietet den Ländern wegen der Sparzwänge durch den Fiskalpakt auch gemeinsame Anleihen an. Die erste soll schon 2013 ausgegeben werden. Die Länder hoffen, so von den guten Zinssätzen des Bundes zu profitieren.
Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer, der vor den Verhandlungen am schärfsten auf Zugeständnisse des Bundes gedrungen hatte, zeigte sich mit den Ergebnissen der Runde zufrieden. Die Bundesregierung habe die finanziellen Probleme der Kommunen akzeptiert, sagte er.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wertete die Einigung ebenfalls als Erfolg: "Das europäische Haus ist am Wackeln. Und wir müssen alles dafür tun, es abzusichern."
Beck ist nicht zufrieden
Der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck, Verhandlungsführer der SPD-regierten Länder, zeigte sich dagegen eher unzufrieden mit den Ergebnissen. Der Bund habe lediglich in entscheidenden Punkten seine Verhandlungsbereitschaft signalisiert, es fehlten konkrete Zusagen. Er verwies darauf, dass die Kommunen 120 Milliarden Euro Schulden hätten, für die wegen des Fiskalpaktes zur Haushaltssanierung künftig die Länder geradestehen müssten. "Insofern gilt es, in den kommenden Monaten und Jahren noch heftig zu kämpfen."
Für die Bundesregierung nahmen Kanzleramtschef Ronald Pofalla, Finanzminister Wolfgang Schäuble und Wirtschaftsminister Philipp Rösler an den Verhandlungen teil. Rösler sprach anschließend von einem "guten Tag für Europa". Der Deutsche Landkreistag als kommunaler Spitzenverband begrüßte die Ergebnisse des Treffens ebenfalls. Hauptgeschäftsführer Hans-Günter Henneke sagte, damit würden die Chancen der Kommunen, dauerhaft eine schwarze Null zu schreiben, nachdrücklich verbessert.
Karlsruhe hat das letzte Wort
Bundestag und Bundesrat stimmen am kommenden Freitag über den Fiskalpakt und den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM ab. Mit den Fraktionen von SPD und Grünen war sich die Koalition bereits am Donnerstag einig geworden. Das letzte Wort wird aber ohnehin das Bundesverfassungsgericht haben. Unter anderen will die Linksfraktion in Karlsruhe gegen den Fiskalpakt klagen.
Unterdessen schrammte die Grünen-Führung auf einem kleinen Sonderparteitag zum Fiskalpakt in Berlin nur knapp an einer herben Niederlage vorbei. Die Delegierten empfahlen den grün mitregierten Ländern und der Bundestagsfraktion nur mit hauchdünner Mehrheit, in Bundesrat und Bundestag dem Pakt zuzustimmen.
Der Vorstand setzte sich denkbar knapp mit 40 von 78 Delegiertenstimmen durch. Der Abstimmung war eine turbulente Debatte vorausgegangen.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts