Erinnerung an "Moskauer Zeiten" Lettland blockt Flüchtlingsquote ab
01.09.2015, 15:00 Uhr
Wohin mit den Flüchtlingen? An der Frage der Verteilung droht die Solidarität der Europäer zu zerbrechen.
(Foto: REUTERS)
Der sprunghafte Anstieg der Flüchtlingszahlen bringt die Solidarität der EU-Staaten ins Wanken. Lettland sperrt sich gegen eine Verteilung nach festen Quoten. Bundesfinanzminister Schäuble warnt mit Blick auf die Lage in Europa vor neuen "Widerständen in den Bevölkerungen".
Trotz der Zuspitzung der Flüchtlingskrise in Europa lehnt Lettland eine Quote zur Aufteilung der Schutzsuchenden auf die EU-Mitgliedsstaaten weiterhin strikt ab. "Uns hat der Versuch, den EU-Staaten verbindliche Quoten aufzuerlegen, ein bisschen an die Moskauer Zeiten erinnert", sagte der lettische Außenminister Edgars Rinkevics der österreichischen Zeitung "Die Presse".
Stattdessen plädiere sein Land für "freiwillige Maßnahmen", sagte er - ohne näher auf die Effizienz eines solchen Verfahrens einzugehen. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, Flüchtlinge nach einer verbindlichen Quote in Mitgliedstaaten zu verteilen. Dagegen gibt es aber großen Widerstand vor allem von Großbritannien und osteuropäischen Ländern.
Die Flüchtlingskrise rüttelt längst an den Grundfesten der europäischen Zusammenarbeit. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble fordert vor dem Hintergrund des Ansturms eine entschlossene Antwort Europas auf den Andrang einreisender Flüchtlinge. Andernfalls werde es noch schwieriger, die Zustimmung der Bürger für weitere nötige EU-Reformen zu bekommen.
"Wenn wir es nicht schaffen, in der Frage der Zuwanderung nach Europa, ein Stück weit Europa auch handlungsfähiger zu zeigen, dann werden wir noch einmal zusätzliche Widerstände in den Bevölkerungen sehen", sagte Schäuble am Rande des deutsch-spanischen Wirtschaftsforums in Berlin.
Flüchtlinge angelockt?
Bundeskanzlerin Angela Merkel wies die Aufforderungen aus Ungarn und Österreich zurück, Deutschland müsse seine Rechtslage bei Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien klären. "Was die Frage der ankommenden syrischen Flüchtlinge anbelangt, so sehe ich ehrlich gesagt keine Mitverantwortung Deutschlands", sagte Merkel.
Es sei lediglich darauf hingewiesen worden, dass die, die in Deutschland ankämen, mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit auch den Status als Bürgerkriegsflüchtlinge bekommen würden. "Das dürfte angesichts der Situation in Syrien keine Überraschung sein und müsste eigentlich in jedem europäischen Land ähnlich sein", sagte Merkel.
"Für uns gilt natürlich die derzeitige Rechtslage. Wir stellen nur durch das praktische Erleben jeden Tag fest, dass die geltende Rechtslage offensichtlich nicht praktiziert wird", sagte sie mit Blick auf das sogenannte Dublin-Abkommen. Die Kanzlerin forderte andere EU-Regierung auf, sich nun nicht gegenseitig Fehler vorzuwerfen, sondern an gemeinsamen europäischen Lösungen zu arbeiten.
Dazu zählt die Kanzlerin auch Registrierungszentren in Griechenland und Italien. Zudem müsse die Rückführung nicht-bleibeberechtigter Flüchtlinge geklärt und eine faire Verteilung von Asylbewerbern innerhalb der EU erreicht werden. Österreich hatte zuvor von Deutschland Klarheit im Umgang mit der Flüchtlingskrise gefordert. Ähnlich hatten sich Regierungsvertreter in der ungarischen Hauptstadt Budapest geäußert.
Aufnahme "selbstverständlich"
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sicherte mit Blick auf den sprunghaften Anstieg der Flüchtlingszahlen zu, die zu Wochenbeginn aus Ungarn eingereisten Menschen nicht dorthin zurückzuschicken. Die Neuankömmlinge würden in Bayern registriert und in die Aufnahmeeinrichtungen gebracht, sagte Herrmann im ZDF. Das sei "selbstverständlich".
Herrmann verwies darauf, dass 99 Prozent der Asylanträge von Bürgern der Balkanstaaten abgelehnt werden. Es sei richtig, dass sie im Fall einer negativen Entscheidung Deutschland wieder verlassen, sagte der CSU-Politiker.
Er bekräftigte bei der Gelegenheit zugleich eine frühere Aussage, wonach die Migranten vom Balkan nicht mit deutschen Vertriebenen verglichen werden könnten. Wenn jemand "völlig freiwillig" sein Land verlasse, um "aus nachvollziehbaren Gründen gerne nach Deutschland zu kommen", sei das nicht "mit dem Schicksal eines Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg zu vergleichen", sagte Herrmann.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts