Machtkämpfe in Thüringen beginnen Lieberknecht droht der Sturz
07.11.2014, 09:50 Uhr
Das politische Ende vor Augen? Christine Lieberknecht wird von der eigenen Partei angezählt.
(Foto: REUTERS)
In Thüringen verhandeln Linke, SPD und Grüne über eine gemeinsame Koalition. Für die CDU enden damit wohl mehr als 20 Jahre Regierungsverantwortung im Freistaat. Mit dieser Aussicht bricht die Disziplin in der Union zusammen.
Mit dem sich abzeichnende Regierungswechsel in Thüringen bricht in der Thüringer CDU der innerparteiliche Machtkampf offen aus. Schon in der vergangenen Legislatur hatten sich das Lager um Fraktionschef Mike Mohring sowie das um Regierungs- und Parteichefin Christine Lieberknecht regelmäßig behakt. Nachdem die CDU nun nach 24 Jahren an der Macht wohl einem Bündnis unter Führung der Linken weichen muss, geht es um die Nachfolge der 56-Jährigen - und damit um die künftige Herrschaft in der Thüringer Union. Aus der Ferne mahnte Alt-Ministerpräsident Bernhard Vogel zur Mäßigung.
Bereits unmittelbar nach der Wahl haben beide Lager ihre Führungskräfte in Stellung gebracht. Doch erst mit dem Votum der SPD-Mitglieder für ein Bündnis unter Führung der Linken wird ein Tabu gebrochen: Der Sturz von Ex-Ministerpräsidentin und Parteichefin Lieberknecht wird offen betrieben. Die 56-Jährige steht damit vor dem bitteren Ende ihrer politischen Laufbahn im Land.
Seit 1990 hatte die studierte Theologin mehrere Ministerämter inne, war Fraktionschefin, Landtagspräsidentin, Parteichefin und am Ende Regierungschefin. Allerdings fuhr sie bei der Landtagswahl vor wenigen Wochen mit 33,5 Prozent eines der schlechtesten Ergebnisse für die CDU im Freistaat seit der Wiedervereinigung ein. In den kommenden Jahren ist sie nur noch einfaches Mitglied im Landtag.
Kritiker monieren nun öffentlich den Verlust einer konservativen Handschrift. Tatsächlich bestimmte in der abgelaufenen Legislatur zumeist die SPD die Themen. Darüber hinaus kreiden Kritiker Lieberknecht angesichts der zahlreichen Affären in der zweiten Hälfte der vergangenen Legislatur den Verlust des politischen Gespürs an - ein Tiefschlag. Zuletzt wurde Lieberknechts Kompromissbereitschaft in den Sondierungsgesprächen mit dem bisherigen Koalitionspartner SPD beklagt.
Mohring-Lager geht in die Offensive

Sie stehen bereit: Landtagspräsident Christian Carius (l.) und Fraktionschef Mike Mohring (r) gelten als potenzielle Erben von Parteichefin Christine Lieberknecht.
(Foto: picture alliance / dpa)
Mit gezielten öffentlichen Äußerungen ist in der CDU nun die zumindest nach außen zur Schau getragene Zurückhaltung aufgegeben worden. Drei Kreisverbände, darunter das katholische Eichsfeld, verlangen einen personellen Neuanfang an der Parteispitze - und zwar selbst dann, wenn ein rot-rot-grünes Bündnis doch noch scheitern sollte. Mehr Abstimmung mit der Basis und eine konservativere Handschrift sind die Forderungen. Und als Höchststrafe für Lieberknecht darf die Mahnung nach einer fairen und gesichtswahrenden Neuausrichtung in der Parteispitze gelten - vorgetragen von Eisenacher Kreisvorsitzenden Raymond Walk in der "Thüringer Allgemeinen" (TA).
Richten soll es der wiedergewählte Fraktionschef Mike Mohring. Dem inzwischen 42-Jährigen werden bereits seit Jahren höhere politische Ambitionen nachgesagt. 2009 hatte er in der Debatte über die Nachfolgeregelung für Dieter Althaus gegen Lieberknecht noch den Kürzeren gezogen. Hinter vorgehaltener Hand hieß es lange, Mohring wäre nach den Althaus-Jahren nicht böse über eine Union in der Opposition gewesen.
Für ihn sprach sich nun unmittelbar vor dem für das Wochenende angesetzte Treffen von Landesvorstand und Kreischefs auch seine Stellvertreterin in der Fraktion, Christina Tasch, aus - und zählte Lieberknecht offen an. Der "Thüringischen Landeszeitung" sagte sie, die Parteichefin wäre gut beraten, bei der Zusammenkunft zu erklären "nicht erneut als Vorsitzende anzutreten". Für den 13. Dezember ist ein Landesparteitag angesetzt. Nach derzeitigem Zeitplan will sich Bodo Ramelow acht Tage vorher zum ersten Linke-Regierungschef in Deutschland wählen lassen.
Carius muss ausgleichen - Mohring muss poltern
Derlei Attacken rufen erwartungsgemäß nun das Lieberknecht-Lager auf den Plan. In deren Zentrum steht der frühere Verkehrsminister Christian Carius. Er warf dem Mohring-Lager nun fehlenden Anstand vor und sprach mit Blick auf Tasch von Ratschlägen die "eher als Schlag denn als Rat zu verstehen" seien.
Ihm zur Seite sprang der Landeschef der Jungen Union, Stefan Gruhner, - und ging Mohring frontal an. "Es gab Gründe, warum sich die SPD von uns abwandte", zitiert ihn die TA. In den letzten Monaten der schwarz-roten Koalition hatten die Sozialdemokraten über den aus ihrer Sicht unzuverlässigen CDU-Fraktionschef geklagt - nicht immer hinter vorgehaltener Hand. Gruhner war von Lieberknecht vor etwas mehr als einem Jahr in die Staatskanzlei geholt und zum persönlichen Referenten der Regierungschefin gemacht worden.
Der 38-jährige Carius - Gruhners Vize in der Jungen Union - ist für die kommende Legislatur bereits als Landtagspräsident versorgt. Vielleicht ein strategischer Nachteil im Machtpoker. Denn er wird in dieser Funktion eher ausgleichend agieren müssen, während Mohring als Fraktionschef ordentlich gegen die rot-rot-grüne Koalition unter Führung der Linken keilen darf - und vielleicht sogar muss. Zudem hat Mohring den Bonus, als Fraktionschef traditionsgemäß den ersten Anspruch auf den Posten als Parteichef zu haben. Und von dort wäre der Schritt zum Spitzenkandidaten nur klein.
Quelle: ntv.de