Wahltalk zur Migration Lindner: "Viele Eingewanderte beklagen die Missstände"
07.02.2025, 01:47 Uhr Artikel anhören
Lindner wirbt für einen Schulterschluss bei der Migration.
(Foto: picture alliance/dpa)
Vor dem TV-Duell zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz treffen sich Vertreter der anderen Parteien im ZDF zum "Schlagabtausch" - und reden vor allem über Migration. Ob das Habeck-Papier ein Vorschlag der Grünen ist, bleibt offen. FDP-Chef Lindner will parteiübergreifende Beschlüsse.
Rund zwei Wochen sind es noch bis zur Bundestagswahl, und der Weg dorthin ist gepflastert mit TV-Duellen - meist in verschiedenen Konstellationen und nicht immer so, wie es den Parteien passt. Sahra Wagenknecht hat gerade eine Niederlage vor Gericht einstecken müssen, nachdem sie sich die Einladung zu einer ARD-Sendung einklagen wollte. Das ZDF hat sie am Abend zum "Schlagabtausch" eingeladen, so wie die Vertreter aller Parteien, die Chancen auf den Einzug in den Bundestag haben, aber nicht Bundeskanzler Olaf Scholz von der SPD oder Unions-Herausforderer Friedrich Merz sind. Die duellieren sich erst am Sonntag.
Neben Grünen, AfD und CSU, die dem nächsten Bundestag ziemlich sicher angehören werden, sind also Wagenknechts BSW sowie FDP und Linke dabei, bei denen es jeweils knapp zu werden droht. Von ihrem Abschneiden hängt auch ab, ob für die nächste Regierungsbildung ein Bündnis aus zwei Parteien reichen wird.
Obwohl Migration bei den Wahlberechtigten Umfragen zufolge nicht das drängendste Thema ist, bestimmt es den "Schlagabtausch" von Beginn an. "Wir sind ein weltoffenes Land", sagt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Wer sich integrieren und arbeiten wolle, sei herzlich willkommen. "Der Alltag der Menschen ist mit der illegalen Migration ständig konfrontiert: im Kindergarten, in der Schule, am Bahnhof, am Marktplatz." Es gebe Parteien, die handeln wollten, sagt Dobrindt und wirft SPD und Grünen vor, in der Vorwoche ein gemeinsames Gesetz zur Zuwanderung verhindert zu haben.
"Überforderung lässt sich mit Geld lösen"
Die Frage, ob das als "Sicherheitsoffensive" titulierte Zehn-Punkte-Papier von Robert Habeck auch eines der gesamten Grünen sei, beantwortet der Parteivorsitzende Felix Banaszak nicht. "Es ist möglich, Menschen aufzunehmen, die auf der Suche nach Schutz sind", sagt er. Gleichzeitig müsse mit jenen konsequent verfahren werden, die Straftaten begingen. "Warum soll diese Differenzierung nicht mehr möglich sein?" FDP-Chef Christian Lindner bietet ihm sogleich an, in der letzten Bundestagssitzung vor der Wahl ein gemeinsames Gesetz zu verabschieden: Man könne doch "die Vorschläge, die parteiübergreifend für richtig befunden werden, in den Gesetzentwurf der rot-grünen Bundesregierung einarbeiten und das gemeinsam beschließen". Lindner spricht von einem "Schulterschluss", der die AfD klein machen könne.
Sahra Wagenknecht verweist auf die Überforderung des Wohnungsmarktes und auf Schulklassen, in denen zu 80 Prozent Kinder säßen, die kein Deutsch sprechen würden. "Bei uns sind die Zahlen zu hoch", sagt die BSW-Kanzlerkandidatin. Auch die Kriminalitätsraten würden steigen. Der Linke-Parteichef Jan van Aken widerspricht und wird grundsätzlich. In Deutschland lebten 21 Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte, die sich fragen würden: "Ist das überhaupt noch das Land, wo ich leben kann?" Die Debatte um Migration und Abschiebung führe zu einem Klima der Unsicherheit.
"Dass die Debatte über Migration verantwortlich dafür ist, dass es Probleme gibt, ist so was von absurd", entgegnet Wagenknecht. FDP-Chef Lindner springt ihr zur Seite und berichtet von Gesprächen mit Taxifahrern oder Döner-Verkäufern: "Viele Eingewanderte beklagen die Missstände". Gut integrierte Ausländer würden sich wünschen, dass der Staat gegen eingewanderte Straftäter konsequent vorgehe. Jan van Aken sieht dagegen weniger in hohen Zahlen bei der Zuwanderung das Kernproblem, sondern in den Kommunen, die "kaputtgespart" worden seien. "Überforderung lässt sich mit Geld lösen."
Andere Gemengelage bei der Energiepolitik
Beim Thema Wirtschaft und Soziales verschieben sich die Gemeinsamkeiten. Zwar sind sich alle einig, dass Kosten für Strom und Energie sinken müssten, allerdings stimmen nur AfD und BSW darin überein, welche Mittel dafür zulässig seien: Russland sei ein sicherer und günstiger Lieferant für die deutsche Wirtschaft gewesen, sagt Tino Chrupalla, der neben russischem Gas auch auf Kernenergie setzen will. "Ich möchte, dass wir wieder Exportweltmeister werden und nicht Moralweltmeister." FDP-Chef Lindner stimmt ihm zu, dass "Deutschland nicht attraktiv ist für die Talente" aus dem Ausland. Das liege neben hohen Steuern und Abgaben aber auch daran, dass die AfD in Umfragen bei 20 Prozent stehe. "Das ist eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort."
Alexander Dobrindt wirft AfD und BSW "diese Putin-Hörigkeit" vor, dabei liege die Rezession in Deutschland nicht an den Energiepreisen, deren Höhe auch die Union kritisiert. Andere Länder der EU hätten vergleichbare Voraussetzungen, würden aber wachsen. "Die Probleme sind hausgemacht." Statt die Rahmenbedingungen für den Mittelstand zu verbessern, habe die Ampel-Regierung einzelne Betriebe mit Milliardensummen subventioniert.
"Herr Dobrindt macht deutlich, warum die Wirtschaftspolitik der Union nicht geeignet ist, irgendein Problem zu lösen", sagt Grünen-Chef Banaszak. Er rechtfertigt die Subventionen für Ansiedlungen des nun insolventen schwedischen Batterieherstellers Northvolt oder einer inzwischen verworfenen Fabrik des Chipherstellers Intel. Wolle man bei Zukunftstechnologien nicht von China abhängig sein wie einst vom russischen Gas, "geht das nur über Ansiedlungen".
Quelle: ntv.de