"Deine heldenhaften Enthüllungen" Linke wollen nicht, dass Biermann singt
06.11.2014, 16:59 Uhr
In Hamburg geboren, in die DDR ausgewandert und später ausgebürgert: Wolf Biermann hat in beiden deutschen Staaten gelebt. An diesem Freitag soll er im Bundestag auftreten.
(Foto: imago stock&people)
Der Bundestag will des Mauerfalls gedenken, doch ein Ehrengast sorgt für Diskussionen. Die Linkspartei hadert mit der Einladung von Wolf Biermann. Den Liedermacher verbindet vor allem mit einem Linken-Politiker ein schwieriges Verhältnis.
Feierlich soll es sein. Für die Feststunde zum Mauerfall-Gedenken hat sich Norbert Lammert etwas ganz besonderes überlegt. Wolf Biermann ist an diesem Freitag Ehrengast im deutschen Parlament - auf Einladung des Bundestagspräsidenten. Der 77-Jährige, der 1953 in die DDR einwanderte und 1976 wegen seiner Systemkritik wieder ausgebürgert wurde, soll im Bundestag singen.
Biermann verkörpere damit die Geschichte der deutschen Teilung, sagte Unions-Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer. Doch der Auftritt des Liedermachers ist nicht bei allen Parteien unumstritten. Vor allem die Linken sind verärgert darüber, dass Lammert ihn zu der Feier eingeladen hat - und das angeblich, ohne sich dabei im Ältestenrat mit allen abzustimmen.
"Gerade bei einer derart wichtigen Gedenkstunde wäre es richtig gewesen, alle Fraktionen in die Auswahl eines musikalischen Gastes mit einzubeziehen", sagte Fraktionsgeschäftsführerin Petra Sitte "Spiegel Online". Der Linke-Abgeordnete Diether Dehm sagte der "Welt", Biermann werde wieder heldenhaft versuchen, "unsere Leute als Stasi-Spitzel zu entlarven. Ich möchte ihn auffordern, stattdessen seine alten Lieder zu singen."
Wiedersehen mit Diether Dehm
Auch Dehm will Biermanns Vortrag nicht boykottieren. Dieser sei, bei allen Differenzen, "ein großer Künstler", sagte er "Spiegel Online". Beide verbindet ein spezielles Verhältnis. Dehm, der ebenfalls Liedermacher ist ("Tausend und eine Nacht"), war nach Biermanns Ausbürgerung aus der DDR dessen Manager. Mit brisantem Nachspiel: 1996 beschuldigte Biermann Dehm, ihn für die Stasi bespitzelt zu haben - angeblich als "IM Willy". Dies habe er ihm 1988 in einem Vier-Augen-Gespräch erzählt.
Stasi-Unterlagen stärken Biermanns Version: "Mit Dehm sind feste Vereinbarungen mit nachrichtendienstlichen [sic] Charakter getroffen worden. […] Dehm ist bekannt, dass seine Informationen […] weitergegeben und ausgewertet werden", steht darin. Dehm bestreitet die Vorwürfe und beteuert bis heute, nicht wissentlich abgehört worden zu sein.
Vor dem Wiedersehen hat Dehm einen Offenen Brief an Biermann geschrieben. Er freut sich auf dessen "heldenhaften Enthüllungen" und richtet drei Liederwünsche an ihn, unter anderem "So oder so – die Erde wird rot". Dehm nimmt außerdem umfangreich Bezug auf die Stasi-Vorwürfe. "Trotz ständiger Auseinandersetzung […] konnte er nicht von der Richtigkeit der Maßnahmen der DDR gegen Biermann […] überzeugt werden", zitiert Dehm aus einem "Stasi-Abschlussbericht". An diesem Freitag könnte Biermann auf den Brief antworten: bei seinem Auftritt während der Gedenkstunde zum Mauerfall im Bundestag.
Quelle: ntv.de, cro