London trauert um Thatcher Major würdigt die "Naturgewalt"
08.04.2013, 16:07 Uhr
Zu Besuch bei Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy (l.): David Cameron bricht seine Reise ab.
(Foto: REUTERS)
Der Tod von Margaret Thatcher erschüttert Wegbegleiter, Widersacher und Nachfolger der langjährigen britischen Premierministerin. Aus allen Richtung erreichen Beileidsbekundungen London. Unter den Trauerenden: Queen Elizabeth, Lech Walesa und Michail Gorbatschow.

"Wir haben eine großartige Führerpersönlichkeit verloren, eine großartige Premierministerin und eine große Britin."
(Foto: AP)
Es ist eine Nachricht, die das politische London in tiefe Trauer stürzt: Die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher ist im Alter von 87 Jahren gestorben.
Der frühere konservative Premier John Major würdigte seine direkte Vorgängerin Margaret Thatcher als "Naturgewalt" und "politisches Phänomen". Ihre Wirtschafts- und Gewerkschaftsreformen sowie ihr Einsatz für die Falklandinseln stelle sie "über die normale Politik".
"Alle, die mit ihr zusammengearbeitet haben, werden sich immer an ihre herausragenden Charakteristiken erinnern: Ihren Mut und ihre Willenskraft in der Politik, ihre Menschlichkeit und geistige Großzügigkeit im Privaten", erklärte Major.
Der amtierende Vize-Premier Nick Clegg von den Liberaldemokraten würdigte Thatcher dagegen als "eine der bestimmenden Figuren der modernen britischen Politik". Egal, auf welcher Seite der politischen Debatte man stehe: Niemand könne der Tatsache widersprechen, dass sie in dem Land, dem sie gedient habe, einen "einzigartigen und bleibenden Eindruck" hinterlassen habe.
"Sie mag während ihrer Zeit in der Politik geteilte Meinungen ausgelöst haben, aber heute sind wir alle darin vereinigt, die Stärke ihrer Persönlichkeit und den Radikalismus ihrer Politik zu würdigen."
Londons Bürgermeister und Thatcher-Parteikollege Boris Johnson erklärte: "An sie wird man sich noch lange erinnern, wenn die Welt die grauen Anzüge der Politik von heute schon vergessen hat."
Die Queen ist "traurig"
Königin Elizabeth II. drückte umgehend ihre Bestürzung über den Tod der früheren Regierungschefin aus, die sie als Regentin über alle drei Amtsperioden Thatchers begleitet hatte. Die Königin sei "traurig, diese Nachricht zu hören", und werde im Laufe des Tages eine private Nachricht der Anteilnahme an die Familie Thatcher senden, sagte ein Palastsprecher.
Der amtierende britische Premierminister David Cameron erklärte, er habe die Nachricht "mit großer Traurigkeit" aufgenommen. "Wir haben eine großartige Führerpersönlichkeit verloren, eine großartige Premierministerin und eine große Britin."
Cameron eilt nach Hause
In Reaktion auf den Tod seiner Amtsvorgängerin wird Cameron seinen Staatsbesuch in Spanien abkürzen und voraussichtlich auch weitere Stationen seiner Europareise absagen. Wie aus spanischen Regierungskreisen verlautete, wurde eine gemeinsame Pressekonferenz des Premiers mit Ministerpräsident Mariano Rajoy nach Bekanntwerden der Nachricht gestrichen. Cameron werde in Madrid vor der Presse nur eine kurze Erklärung abgeben, hieß es.
Der Premier wurde während seines Besuchs im Amtssitz des spanischen Regierungschefs vom Tod der Politikerin unterrichtet. Voraussichtlich werde Cameron auch seine Reise nach Paris streichen, wo er mit Staatspräsident François Hollande zusammenkommen wollte, hieß es in Madrid.
Der Besuch in Spanien bildete den Auftakt von Camerons Europareise, bei der er in ausgewählten Regierungszentralen unter anderem für Reformen der Europäischen Union werben wollte. Für den Abend wurde Cameron bereits in Frankreich erwartet. Im Laufe der Woche wollte der britische Premier auch nach Deutschland kommen. Der Paris-Besuch wurde bereits offiziell abgesagt.
Gegen Kommunismus und Deutsche Einheit
Der frühere polnische Präsident Lech Walesa würdigte Thatcher als Persönlichkeit, "die zum Fall des Kommunismus beigetragen hat". Er bete für sie, sagte der Friedensnobelpreis-Träger und ehemalige Chef der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc, deren Proteste in den 80er Jahren die politische Wende in Polen mit bewirkten.
Auch der frühere sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow würdigte Thatcher als "große politische Persönlichkeit". Der deutschen Wiedervereinigung hatte Thatcher nach dem Ende der DDR zunächst ablehnend gegenüber gestanden.
Netanjahu trauert auf Facebook
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu würdigte die verstorbene Margaret Thatcher als "Frau von Größe". Die ehemalige britische Premierministerin sei eine "große Führerin" gewesen und habe eine ganze Generation von Politikern inspiriert, teilte Netanjahu auf seiner Facebook-Seite mit. Sie haben Prinzipientreue, Entschlossenheit, Überzeugung und Stärke verkörpert und sei eine "zuverlässige Freundin Israels und des jüdischen Volkes" gewesen. "Ich spreche ihrer Familie und der Regierung und dem Volk Großbritanniens mein aufrichtiges Beileid aus."
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hob in einer ersten Stellungnahme zum Tod Thatchers ihre Rolle als "große Politikerin" hervor. "Sie wird sowohl wegen ihrer Beiträge als auch wegen ihrer Vorbehalte zum Projekt Europa in Erinnerung bleiben", sagte Barroso in Brüssel vor Journalisten.
Historisch schwer umstritten
Thatcher sei "eine vorsichtige und dennoch engagierte Akteurin in der Europäischen Union" gewesen. Barroso würdigte ihren Beitrag zur Erweiterung der EU um die Staaten Mittel- und Osteuropas. Thatcher habe die Gestalt des heutigen Großbritanniens geformt - dazu gehöre auch die besondere Rolle, die das Land bis heute in der EU spiele.
"Margaret Thatcher hat die britische und europäische Politik mitgeprägt", teilte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz mit. "Trotz unserer klaren politischen Differenzen ist Margaret Thatcher eine Gestalt von geschichtlicher Bedeutung." Unabhängig von der Frage, ob man ihr politisch zustimme, habe sie gezeigt, "dass Politik nach wie vor eine Kraft des Wandels ist". Sie sei "zu Beginn ihrer Amtszeit" auch eine überzeugte Europäerin gewesen.
Offizielle Reaktionen kamen auch aus Berlin: Bundesaußenminister Guido Westerwelle würdigte die verstorbene frühere britische Premierministerin als eine große Politikerin, die Großbritannien, Europa und die ganze Welt geprägt habe. Thatcher zähle zu den wenigen Menschen, bei denen man schon zu Lebzeiten gewusst habe, dass sie große Geschichte geschrieben habe.
"Für die Geschichte Europas und der Welt hinterlässt sie ein großes Erbe", sagte Westerwelle. "Wir schauen voller Bewunderung auf ihr Lebenswerk."
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa