Höhenflug einer Populistin Marine Le Pen schadet einfach nichts
23.02.2017, 20:43 Uhr
Marine Le Pen schwelgt trotz der Betrugsvorwürfe gegen sie im Umfragehoch.
(Foto: REUTERS)
In acht Wochen wird in Frankreich gewählt - und das Szenario einer Präsidentin Le Pen ist längst keine Fiktion mehr. Während die größten Rivalen der Front-National-Chefin immer mehr Schwächen offenbaren, feiert Le Pen ihre Stärke. Und die Wähler belohnen das.
Es ist ausgerechnet eine Femen-Aktivistin, die zum Auftakt einer Le Pen-Veranstaltung am Abend in Paris der 48-jährigen Präsidentschaftskandidatin des Front National (FN) oben ohne in die Rede grätscht und die Rechtspopulistin als "fiktive Feministin" beschimpft. Man könnte das symptomatisch nennen. Denn es sind vor allem die Herren Politiker, denen Marine Le Pen derzeit das Fürchten lehrt. Nicht nur, dass der Rechtspopulistin diplomatische Taktlosigkeiten - wie zuletzt beim Besuch des libanesischen Großmuftis - als mutige Geste des feministischen Widerstands ausgelegt werden. Selbst konkrete Betrugsvorwürfe prallen an der Rechtspopulistin einfach ab.
Seit Mittwochabend ist klar: Gegen Le Pens Büroleiterin Catherine Griset wird wegen Untreue ermittelt. Rund 300.000 Euro soll Griset in den Jahren 2010 bis 2016 von der EU erhalten haben - Geld für eine Tätigkeit, die sie offenbar nie ausgeübt hat. Auch ihren Leibwächter, Thierry Légier, soll Le Pen unerlaubt mit EU-Mitteln entlohnt haben. Doch so etwas wie Empörung will bei ihren Anhängern einfach nicht aufkommen. Ganz im Gegenteil - in Umfragen steht die Politikerin so gut da wie nie zuvor.
Die aktuellsten Zahlen vom Meinungsforschungsinstitut BVA-Salesforce dürften die Rivalen der Front-National-Chefin zusammenzucken lassen: Seit Anfang Februar konnte sich Le Pen noch einmal um 2,5 Prozentpunkte verbessern - und würde mit nun 27,5 Prozent der Stimmen den ersten Wahlgang am 23. April klar für sich entscheiden. Dagegen fällt die Zustimmung für ihre männlichen Konkurrenten deutlich geringer aus: Der parteilose Emmanuel Macron käme laut Umfrage auf 21 Prozent der Stimmen. François Fillon von den Konservativen würde nur 19 Prozent erreichen. Ihre Hoffnung könnte sein, dass die Umfrage noch vor der Nachricht über die Ermittlungen gegen Le Pens Büroleiterin durchgeführt wurde. Doch im Moment will sich offenbar niemand darauf verlassen, dass die Affäre der Rechtspopulistin doch noch das Genick bricht. Es wäre wohl auch ein fataler Fehler.
François Fillon in der Schusslinie
Das liegt vor allem daran, dass es Le Pen wie keine Zweite versteht, sich aus der Defensive zu manövrieren. Die Betrugsvorwürfe schleuderte sie der französischen Justiz in einem TV-Interview am Mittwochabend als kläglichen Versuch der Einflussnahme auf den Wahlkampf um die Ohren. Es sei doch "ziemlich erstaunlich, dass es jetzt urplötzlich, zwei Monate vor der Präsidentschaftswahl, diese große Aktivität der Justiz" gebe, erklärte sie. Immerhin seien die Ermittlungen bereits vor zwei Jahren eingeleitet worden. Für viele Wähler - nicht nur des Front National - mag das durchaus plausibel klingen. Dass auch in Frankreich die Mühlen der Justiz langsam mahlen, ist ein denkbar schwaches Gegenargument.
Bemerkenswert ist trotzdem, dass im Fall von Le Pens Konkurrent François Fillon allein der Verdacht der Scheinbeschäftigung seiner Frau ausreichte, um seine Umfragewerte in den Keller rauschen zu lassen. Selbst Parteikollegen stuften die Glaubwürdigkeit des ehemaligen französischen Premiers als schwer angeschlagen ein. "Wir sind das Orchester auf der sinkenden Titanic", hatte der konservative Abgeordnete Georges Fenech gesagt. Angeblich forderten nicht wenige Konservative, Fillon möge seine Kandidatur zurückziehen. Doch stattdessen beschuldigte der 62-Jährige die Sozialisten, hinter dem "Komplott" zu stecken. Marine Le Pen mag sich angesichts der Schlammschlacht die Hände gerieben haben.
Bringt François Bayrou die Wende?
Auch wenn die Umfragen für die Stichwahl im Mai eine Niederlage für Le Pen - sowohl gegen Macron als auch Fillon - prognostizieren: Um die Rechtspopulistin im Élysée-Palast sicher zu verhindern, sind schwerere Geschütze erforderlich geworden. Verstanden hat das vor allem einer: François Bayrou. "Ich war immer für Zusammenschlüsse, wenn das Land in Gefahr war", sagte der 65-jährige Zentrumspolitker, nachdem er seine Kandidatur aufgegeben und sich hinter Macron gestellt hatte - in der Hoffnung, dass auch seine Anhänger nun für Macron stimmen werden. Ob sich das Stimmverhältnis aber tatsächlich merkbar verschieben wird, steht in den Sternen. Letzte Umfragen sahen Bayrou bei fünf Prozent.
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass letzlich diese Wahl nicht durch Inhalte entschieden wird, sondern durch Taktik. Wie Le Pens Taktik aussieht, machte sie gewissermaßen durch ihren Auftritt am Abend in Paris deutlich. Mit keinem Wort äußerte sie sich zu den Vorwürfen der Scheinbeschäftigung gegen ihre beiden Mitarbeiter. Offenbar will sie die Sache aussitzen. Und damit sind wiederum ihre Gegner am Zug.
Quelle: ntv.de