Politik

Keine Fortschritte in Afghanistan McChrystal zeichnet düsteres Bild

Nur ein Bruchteil Afghanistans soll sicher sein, die Sicherheitskräfte kaum wirksam, die Regierung "unproduktiv und verrufen": Ein negativer Bericht über die Lage am Hindukusch von General McChrystal könnte zu seiner Entlassung als Oberbefehlshaber der ISAF-Truppen beigetragen haben.

US-General Stanley McChrystal ist einem Bericht zufolge nicht nur wegen seiner umstrittenen Äußerungen zur US-Regierung als Oberbefehlshaber der NATO-Truppen in Afghanistan entlassen worden. Die britische Zeitung "The Independent" berichtete unter Berufung auf nicht näher genannte "informierte Kreise", dass auch eine sehr kritische Lage-Einschätzung zum Einsatz am Hindukusch ein Grund für seine Entlassung gewesen sei.

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(Foto: AP)

Dem Bericht zufolge zeichnete McChrystal wenige Tage vor seiner Abberufung in einem Briefing der NATO-Verteidigungsminister ein äußerst düsteres Bild von der Lage in Afghanistan. Unter Berufung auf vertrauliche Militärdokumente habe der Oberkommandierende die Minister davor gewarnt, in den kommenden sechs Monaten Fortschritte bei dem Einsatz zu erwarten.

Großteil Afghanistans unsicher

Laut "The Independent" stufte McChrystal in dem Briefing nur einen Bruchteil des Landes als "sicher" ein. Nur die wenigsten der afghanischen Sicherheitskräfte arbeiteten "wirksam", sagte er demnach. Der Regierung in Kabul attestierte er dem Bericht zufolge, "unproduktiv und verrufen" zu sein. Zudem habe er den von US-Präsident Barack Obama anvisierten Beginn des Truppenabzugs im Juli 2011 in Zweifel gezogen.

Obama hatte McChrystal am Mittwoch nach abfälligen Äußerungen über die US-Regierung entlassen. Hintergrund war ein Artikel im US-Musikmagazin "Rolling Stone", in dem der Oberbefehlshaber mit scharfer Kritik an Vizepräsident Joe Biden und am US-Botschafter in Kabul, Karl Eikenberry, zitiert worden war. Zu seinem Nachfolger ernannte Obama den bisherigen Chef des US-Zentralkommandos, David Petraeus, der noch vom Senat bestätigt werden muss.

Karsai: "die richtige Entscheidung"

US-Generalstabschef Mike Mullen informierte derweil in Kabul Afghanistans Präsident Hamid Karsai über den Personalwechsel. Dabei sicherte er Karsai das Festhalten an der bisherigen NATO-Strategie sowie größte Anstrengungen bei der Vermeidung ziviler Opfer zu, wie die afghanische Präsidentschaft mitteilte. Die Ernennung des erfahrenen Generals Petraeus sei "die richtige Entscheidung", erklärte Karsai.

Mullen im Gespräch mit Präsident Karsai.

Mullen im Gespräch mit Präsident Karsai.

(Foto: dpa)

Obamas ehemaliger Afghanistan-Berater Bruce Riedel sagte dem "Spiegel", er gehe nicht mehr von einem größeren Abzug der US-Truppen in Afghanistan im Juli 2011 aus. "Petraeus hätte den Job nicht angenommen, wenn er sich nicht sicher wäre, dass diese Vorgabe eher symbolischer Natur ist", sagte Riedel. Petraeus habe erst im Juni in Washington gesagt, das geplante Abzugsdatum sei abhängig von den "Bedingungen im Felde" und nur der "Beginn eines Prozesses". "Obama ist nun an Petraeus gekettet. Einen dritten Kommandeur in Afghanistan kann er sich während seiner Präsidentschaft nicht leisten."

Der G-8-Gipfel in Kanada forderte in einer Erklärung "konkrete Fortschritte" der afghanischen Regierungstruppen, um "binnen fünf Jahren" mehr Verantwortung für die Sicherheit im eigenen Land übernehmen zu können. Die Regierung in Kabul müsse zudem die Korruption und den Drogenanbau bekämpfen sowie die Menschenrechte, grundlegende Dienstleistungen und die Staatsführung verbessern. Auch im Justizsystem forderten die G-8 konkrete Fortschritte.

Sechs NATO-Soldaten sterben

Unterdessen kamen bei Bombenanschlägen und Schießereien sechs NATO-Soldaten ums Leben. Im Süden Afghanistans wurden vier Soldaten getötet, zwei von ihnen durch versteckte Sprengsätze, wie die Internationale Schutztruppe ISAF auf ihrer Website mitteilte. Zwei weitere Soldaten starben bei Bombenexplosionen im Osten des Landes. Wie in solchen Fällen üblich, machte die ISAF keine Angaben zur Nationalität der Opfer.

Bei einer Explosion in einer Bombenwerkstatt der radikal-islamischen Taliban wurden im Südosten Afghanistans mindestens 15 Aufständische getötet. Wie das Innenministerium in Kabul mitteilte, waren die Männer in einer Moschee in der Provinz Paktika gerade mit der Herstellung von Sprengsätzen beschäftigt, als einer detonierte. Der Zwischenfall habe sich bereits am Freitag ereignet.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa

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