Politik

Wirtschaft, Euro - und Menschenrechte Merkel balanciert nach China

"Pokerface" nennt eine chinesische Zeitschrift Merkel im Dezember 2011.

"Pokerface" nennt eine chinesische Zeitschrift Merkel im Dezember 2011.

(Foto: dpa)

Eine große Wirtschaftsdelegation begleitet Kanzlerin Merkel auf ihrer Reise nach China. Das Ziel ist klar: Peking soll investieren, in den Euro-Rettungsschirm EFSF und in die deutsche Wirtschaft. Hinzu kommt das Verhalten der UN-Vetomacht bei den Themen Syrien und Iran. Das Feigenblatt Menschenrechte findet eher wenig Raum.

Das Timing könnte kaum besser sein: Wenige Tage nachdem die EU ihren , überbringt Bundeskanzlerin Angela Merkel die frohe Botschaft den Regierenden in China. Wie Europa und die Eurozone die Finanz- und Schuldenkrise bewältigen wollen, will Merkel in Peking und Kanton erläutern - und dabei auch für chinesische Investitionen in Deutschland werben. Auch Menschenrechtsfragen will die CDU-Politikerin ansprechen - zur Gesichtswahrung der Gastgeber aber nicht in der Öffentlichkeit.

Ihr Besuch werde "ein neuer Schritt zu einer engeren Zusammenarbeit sein", kündigte Merkel bereits in ihrer wöchentlichen Videoansprache an. An Bedeutung gewinnt die Staatsvisite auch durch den 40. Jahrestag der beiderseitigen Beziehungen, die 1972 geknüpft wurden. Seitdem ist viel passiert: Das einst abgeschlossene sozialistische Reich wuchs zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt heran, das deutsch-chinesische Handelsvolumen schwoll 2011 auf 145 Milliarden Euro.

Iran und Syrien

Als Merkel China vergangenes Jahr erstmals , war dies das Signal, dass das Verhältnis künftig noch besser werden soll. Die Bundesregierung knüpft nun auch große Hoffnungen an die zweitägige Reise, auf der Merkel unter anderem Ministerpräsident Wen Jiabao und Staatspräsident Hu Jintao treffen will. Wen nimmt sich - ganz der formvollendete chinesische Gastgeber - am Freitag sogar Zeit, die Kanzlerin in die südchinesische Wirtschaftsmetropole Kanton zu begleiten, in der mehr als 400 deutsche Unternehmen tätig sind.

Merkel hat eine breite Palette von Themen im Gepäck. In der Außenpolitik ist es vor allem die ablehnende Haltung der Chinesen zu Sanktionen gegen den Iran oder eine Syrien-kritische Resolution im UN-Sicherheitsrat, die der Bundesregierung Sorgen macht. Aber auch die Lage in Myanmar und der könnten zur Sprache kommen. Die Kanzlerin ist optimistisch: Gespräche und Besuche dienten ja gerade dazu, "die Probleme zu erörtern, die noch nicht so sind, dass wir immer einer Meinung sind".

China kann Europa nicht retten

Auch das ist sicher: Pressekonferenzen werden in China vor monumentalen Wandbildern abgehalten.

Auch das ist sicher: Pressekonferenzen werden in China vor monumentalen Wandbildern abgehalten.

(Foto: dpa)

Vor allen Dingen aber wird Merkel in Fernost darlegen, welchen Weg Europa nach den Beschlüssen von Brüssel einschlagen wird. Die Stabilität Europas liege auch im Interesse Chinas, hieß es in Regierungskreisen unter Verweis auf die immensen Währungsreserven in Höhe von 3,2 Billionen Dollar. Teile davon hat der Staatsfonds CIC auch in europäischen Infrastrukturprojekten und Staatsanleihen angelegt.

Chinesische Experten dämpften indes die Hoffnungen, Investitionen aus Fernost könnten die europäische Schuldenkrise beenden. Die Volksrepublik habe "nicht die Mittel, die Krise zu lösen, dazu ist der Wirtschaftsraum viel zu groß", sagte Liu Zuokui von der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften in Peking. Außerdem sei es ein Problem, "dass die Europäer denken, China fehle es bei den Urheberrechten und öffentlichen Ausschreibungen an Transparenz".

Neben dem Werben für Europa denkt Merkel auch an die deutsche Wirtschaft: 20 ranghohe Unternehmensvertreter, darunter Vorstände von DAX-Unternehmen und Mittelständler, fliegen zur Kontaktpflege mit der Kanzlerin mit. Milliardenschwere Wirtschaftsverträge sollen allerdings nicht unterzeichnet werden.

Menschenrechte bleiben Randthema

Vor ihrem Aufbruch kündigte Merkel auch Gespräche über Freiheit und den Umgang mit Dissidenten an. "Je mehr Menschen Bildung erlangen, je mehr Menschen genug zu essen haben und sich entwickeln können, desto stärker und drängender wird diese Frage auf die Tagesordnung kommen", sagte die Kanzlerin der "Welt". Das Thema sei wichtig, denn für die Diskussion über Menschenrechte zahlten "viele Dissidenten und Oppositionelle oft einen hohen Preis".

Nichtsdestotrotz werden wie schon im Sommer in Berlin die Menschenrechte eine untergeordnete Rolle spielen. Es sei davon auszugehen, dass Merkel besonders gegenüber Wen "konkrete Fälle" von Repressionen von Regimegegnern oder die Lage der Minderheiten ansprechen werde, hieß es lediglich in Regierungskreisen.

Die Zurückhaltung empört Menschenrechtsaktivisten wie Kai Müller von der International Campaign for Tibet: Angesichts der "seit Jahren andauernden alltäglichen Repression" in der Provinz müsse Merkel unmissverständlich ein Ende der Gewalt fordern. Dies dürfte angesichts der vielen gemeinsamen deutsch-chinesischen Wirtschaftsinteressen ein frommer Wunsch bleiben.

Quelle: ntv.de, Boris Cambreleng und Claudia Wessling, AFP/mli

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