Israel mehr Druck auf Iran versprochen Merkel fordert Baustopp
27.08.2009, 15:17 Uhr
(Foto: AP)
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich nach einem Gespräch mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit Nachdruck für einen Stopp des Siedlungsbaus ausgesprochen. Merkel sagte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Netanjahu in Berlin, dies sei aus deutscher Sicht eine "entscheidende Voraussetzung" für einen umfassenden Frieden in der Region. Bei diesem Punkt sei eine "substanzielle Veränderung" von israelischer Seite notwendig.
Sie sei überzeugt, dass die Möglichkeiten für eine Friedenslösung gegenwärtig sehr gut seien. "Die Zeit drängt", betonte die Kanzlerin. Sie wisse, dass die Umsetzung dieses Plans und der Stopp des Siedlungsbaus innenpolitisch nicht sehr einfach seien, erklärte Merkel. "Wir wollen, dass es einen Staat Israel geben wird, in dem die Menschen sicher leben können."
Im Gegenzug müssten auch die Palästinenser Israel entgegenkommen. Zugleich betonte Merkel, dass sie die Zwei-Staaten-Lösung für den einzigen Weg zu einer friedlichen Beilegung des Konflikts halte.
Israel verletzt seine Verpflichtungen
Der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Eckart von Klaeden, übte vor dem Treffen Kritik an Israels Siedlungspolitik im Westjordanland. "Der fortgesetzte Ausbau und der Bau neuer Siedlungen verletzt die Verpflichtungen Israels aus der Roadmap", dem internationalen Nahost-Friedensplan, sagte er im Deutschlandfunk. Von Klaeden nahm auch die EU in die Pflicht: "Wir müssen als Europäer versuchen, zu einer geschlossenen Haltung zu kommen. Und dann müssen wir unsere Politik eng mit den USA abstimmen".
Merkel und Netanjahu sprachen sich für ein schärferes Vorgehen gegen Teheran wegen des iranischen Atomprogramms aus. Der Iran müsse im September auf die Vorschläge der internationalen Gemeinschaft antworten, forderte Merkel. Wenn diese Antwort nicht befriedigend ausfalle, müsse über eine Verschärfung der Strafmaßnahmen etwa im Energie- und Finanzbereich nachgedacht werden. Netanjahu forderte Sanktionen, "die wirklich weh tun". Netanjahu forderte Sanktionen, "die wirklich weh tun".
Der Westen wirft dem Iran vor, unter dem Deckmantel eines Energiegewinnungsprogramms heimlich an der Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten. Die Regierung in Teheran weist dies zurück.
"Jüdischen Nationalstaat" anerkennen
Netanjahu zeigte sich zuversichtlich, dass die Gespräche über eine Friedenslösung im Nahen Osten in den nächsten ein bis zwei Monaten wieder aufgenommen werden. Er sei unverändert zu einem Treffen mit den Palästinensern ohne Vorbedingen bereit, sagte er. Gleichzeitig bekräftigte Netanjahu aber die Forderung, dass die Palästinenser sein Land als "jüdischen Nationalstaat" anerkennen. "Das ist unsere Vision", betonte er. Auf dem Weg zu einer Verständigung müssten sich nicht nur die Israelis, sondern auch die Palästinenser bewegen.
Merkel kündigte an, dass die nächste Sitzung der im vergangenen Jahr aufgenommenen regelmäßigen deutsch-israelischen Regierungskonsultationen noch in diesem Jahr stattfinden soll. Dabei solle auch über eine engere Zusammenarbeit in Wissenschaft und Technik sowie über gemeinsame Entwicklungsprojekte in Afrika gesprochen werden. Netanjahu bezeichnete die Kanzlerin bei seinem ersten offiziellen Berlin-Besuch seit seiner Wahl im März als "wahre Freundin Israels".
Zuvor hatte Netanjahu mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier gesprochen. Der Likud-Chef will auch das Haus der Wannsee- Konferenz besuchen. Dort hatten die Nationalsozialisten 1942 die genauen Pläne für die Vernichtung der gesamten jüdischen Bevölkerung in Europa beschlossen. Zum Auftakt seines ersten Deutschland-Besuchs nach seiner Wahl im März war Netanjahu am Mittwoch von Bundespräsident Horst Köhler empfangen worden.
Originalpläne von Auschwitz übergeben

"Bild"-Chefredakteur Diekmann übergab Netanjahu Originalpläne des Konzentrationslagers Auschwitz.
(Foto: dpa)
Bei seinem Berlin-Besuch erhielt Netanjahu zudem originale Bauzeichnungen und Pläne des Konzentrationslagers Auschwitz. Der Chefredakteur der "Bild"-Zeitung, Kai Diekmann, übergab die Pläne im Sitz des Medienkonzerns Axel Springer in Berlin. Die Pläne und Skizzen sollen der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem in Jerusalem übergeben werden.
Netanjahu dankte für die Pläne, die sehr wichtige Dokumente seien, um die historische Wahrheit zu bewahren. Die Übergabe sei für ihn eine sehr bewegende Szene gewesen. In Netanjahus Begleitung befindet sich ein Auschwitz-Überlebender, der auch Mitglied der israelischen Regierung ist. Auch Merkel sprach von einem sehr emotionalen Moment.
Springer kaufte die Dokumente 2008 und stellte sie in diesem Februar aus. Nach Angaben des Konzerns handelt es sich um die einzigen Originale dieser Art, die in Deutschland gefunden wurden. Die Pläne aus den Jahren 1941 und 1942 zeigen unter anderem das berüchtigte Eingangstor am Ende der Eisenbahnrampe, eine "Entlausungsanlage" mit "Gaskammer" und ein Krematorium. Auschwitz war das größte KZ der Nazis. Dort wurden mehr als eine Million Menschen ermordet, die große Mehrzahl Juden aus ganz Europa.
Palästinenser beharren auf Stopp
Die britische Zeitung "The Guardian" berichtet unterdessen, US-Präsident Barack Obama stünde im Bemühen um die Wiederaufnahme der Nahost-Friedensverhandlungen kurz vor einem Kompromiss mit Israel. Demnach wollten die USA für einen Kompromiss mit Israel eine härtere Gangart im Atomstreit mit dem Iran versprechen.
Mit Hilfe von Großbritannien und Frankreich soll danach der UN-Sicherheitsrat dazu gebracht werden, die Sanktionen gegen Iran auszuweiten. Im Gegenzug werde Israel vermutlich zustimmen, seine Siedlungsaktivitäten teilweise einzufrieren. Nach israelischen Berichten könnte der Kompromiss so aussehen, dass Israel in den Siedlungen keine neuen staatlich geförderten Bauprojekte mehr in Angriff nimmt, 2500 im Bau befindliche Wohnungen aber fertigstellen kann. Allerdings wollen die Palästinenser von ihren Forderungen nicht abrücken.
Die Verhandlungen würden nicht fortgesetzt, solange Israel nicht alle Bauaktivitäten in den jüdischen Siedlungen im Westjordanland sowie in Ostjerusalem einstelle, sagte derweil Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ramallah. Darüber hinaus verlangte Abbas, dass die Friedensgespräche an jenem Punkt fortgesetzt werden, an dem sie Ende vergangenen Jahres beendet wurden. "Wir bestehen darauf, dass die Verhandlungen da weitergehen und nicht wieder bei Null beginnen."
Quelle: ntv.de, mli/dpa/rts