Politik

Mögliche Ratspräsidentin in Berlin Merkel macht Thorning-Schmidt nervös

Helle Thorning-Schmidt besucht Angela Merkel in Berlin.

Helle Thorning-Schmidt besucht Angela Merkel in Berlin.

(Foto: REUTERS)

Die dänische Ministerpräsidentin und die deutsche Bundeskanzlerin präsentieren sich als Team. Das Bild könnte es in Zukunft häufiger geben. Hat Merkel mit ihrer Kollegin Großes vor?

Wenn die Kameras auf sie gerichtet sind, weiß Helle Thorning-Schmidt, wie sie sich geben muss. Sie lacht, kommt offen und freundlich rüber. Neben ihr wirkt Angela Merkel noch grauer als sonst. Doch wenn die dänische Ministerpräsidentin vor den Kameras auch noch etwas sagen muss, hört man, wie nervös sie ist. Ihre Stimme wirkt brüchig, oft verhaspelt sie sich. Ist dieser Termin für sie vielleicht doch wichtiger, als sie zugeben möchte?

Sie ist zu Besuch um Bundeskanzleramt, um den EU-Gipfel vorzubereiten, der in der kommenden Woche im belgischen Ypern stattfindet. Beim Vortreffen in Berlin soll es vor allem um ein Arbeitsprogramm für die nächsten fünf Jahre, am Rande um den zukünftigen Kommissionspräsidenten und angeblich noch gar nicht um den zukünftigen Ratspräsidenten gegangen sein. Doch es ist auffällig, dass sich Merkel gerade vor diesem EU-Gipfel mit der Dänin abspricht, die dort zur Ratspräsidentin gekürt werden – oder zumindest in Stellung gebracht werden könnte.

"Haben Sie ein Angebot bekommen, dass sie nicht ablehnen können?", fragt ein dänischer Journalist. Die Ministerpräsidentin und die anderen Journalisten lachen, Merkel fängt die gute Stimmung wieder ein und sagt: "Ich habe den Eindruck, dass ihr die Arbeit zu Hause viel Spaß macht." Als sie zu einem weiteren Urteil über ihre Kollegin aufgefordert wird, sagt Merkel, Thorning-Schmidt sei eine "tolle dänische Ministerpräsidentin" – und verweist sie damit wieder auf ihren Platz. Vielleicht will Merkel nicht zu sehr den Eindruck hinterlassen, als würde sie alleine über das Führungspersonal der EU entscheiden.

Juncker so gut wie sicher

Für Thorning-Schmidt wäre der Weg von Kopenhagen nach Brüssel ein Aufstieg. Mit gut 6 Millionen Menschen hat Dänemark kaum mehr Einwohner als Hessen. Außerdem ist die Sozialdemokratin innenpolitisch angeschlagen: Bei der Europawahl erzielte ihre Partei nur 19 Prozent – und selbst das wurde als Erfolg gewertet. Die rechtspopulistische Volkspartei lag mit 27 Prozent deutlich darüber. Im nächsten Jahr müsste sich die Ministerpräsidentin der Wiederwahl stellen, ob sie dann noch eine Mehrheit erreicht, ist unklar.

Wenn Jean-Claude Juncker Präsident der Kommission wird, steigt die Bedeutung dieses Postens, weil er dann mehr vom Parlament und weniger vom EU-Rat, also von den nationalen Regierungschefs, abhängt. Dass es so kommt, bezweifelt kaum noch jemand. Auch Thorning-Schmidt erwähnt seinen Namen in Berlin, Merkel macht nochmals ihre Unterstützung deutlich. Dass Großbritannien dagegen ist, ficht sie nicht an. Der "Europäische Geist" bedeute, dass jedes Mitgliedsland ernst genommen werde, sagt sie. Es bedeute aber nicht, dass man allen ihren Willen erfüllen könne. Und sie schiebt nach: "Für Großbritannien sind Inhalte sehr wichtig." Offensichtlich gibt es einen Deal, den David Cameron zu Hause als Erfolg verkaufen kann und für den er die Personalie Juncker akzeptieren wird.

Für Thorning-Schmidt ergäbe sich dadurch eine wichtige Mission. Denn die Regierungschefs wären dann bemüht, der erstarkten Kommission etwas entgegenzusetzen – und zum Beispiel den trockenen Ratspräsidenten Herman Van Rompuy durch die frische Helle Thorning-Schmidt zu ersetzen.

EU-weite Frauenprobleme

Aus Merkels Sicht wäre Thorning-Schmidt eine gute Besetzung. Zwar kommen sie nicht aus der gleichen Parteienfamilie, aber ihre Länder sind eng miteinander verbunden. "Über unsere bilateralen Beziehungen mussten wir gar nicht reden", sagte Merkel. Deutschland ist das wichtigste Nachbarland Dänemarks, man könnte fast sagen: das einzige. Querschüsse hätte Merkel von dieser Ratspräsidentin eher nicht zu erwarten.

Dass Thorning-Schmidt eine Frau ist, erhöht ihre Chancen weiter. Mindestens einer der vier herausgehobenen EU-Posten muss durch eine Frau besetzt werden, heißt es immer wieder. Andere Kandidatinnen wie die Kommissarin Viviane Reding würden neben Juncker eher blass aussehen.

Auch Juncker, der offensichtlich schon an der neuen Kommission arbeitet, hat ein Frauenproblem: Bis auf einen EU-Staat sollen alle einen Mann nominiert haben. Darum spricht er nun bei den Regierungen vor und drängt darauf, doch auch an die Frauen zu denken. Der "Tagesspiegel" berichtet etwa, dass er sich Ursula von der Leyen als deutsche Kommissarin wünscht. Andere Quellen sagen wiederum, dass er gerne Martin Schulz als Stellvertreter hätte. Doch das schließt sich gegenseitig aus. Die Lage ist kompliziert. Kaum zu glauben, dass es im Kanzleramt wieder fast nur um Sachfragen gegangen sein soll.

Quelle: ntv.de

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