"Neuverhandlung nicht möglich" Merkel stört Sozialisten-Jubel
07.05.2012, 13:17 Uhr
Hollande-Anhänger feiern den Sieg der Sozialisten.
(Foto: Reuters)
Die Freude über den Machtwechsel in Frankreich mischt sich mit den ersten warnenden Stimmen. Kanzlerin Merkel lässt Paris ausrichten, dass der europäische Fiskalpakt bleiben soll, wie er ist. Doch Wahlsieger Hollande hatte genau an dieser Stelle immer wieder Wahlkampf gemacht.
Nach seiner Wahl will der neue Präsident 35 konkrete Maßnahmen sofort umsetzen. Hier die wichtigsten:
- Gehälter der Regierungsmitglieder um 30 Prozent kürzen
- "Charta" gegen Verschwendung
- Wachstumsprogramm
- Abzug aus Afghanistan bis Ende 2012
- Benzinpreis einfrieren
- Schulstarthilfe für Familien erhöhen
- Rente ohne Abschläge wieder ab 60
- Steuerschlupflöcher schließen
- Verbot hochspekulativer Geschäfte
- 60.000 Stellen im Bildungsbereich
- 150.000 Stellen für Jugendliche
- Lokalwahlrecht für Ausländer
Da bahnt sich der erste große Konflikt an: Die Bundesregierung lehnt auch nach dem Wahlsieg des Sozialisten François Hollande in Frankreich Nachverhandlungen über den europäischen Fiskalpakt kategorisch ab. "Aus unserer Sicht ist eine Neuverhandlung nicht möglich", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Hollande hatte im Wahlkampf immer wieder solche Nachverhandlungen verlangt – wegen der seiner Ansicht nach zu strengen Sparauflagen. Zu Hollandes Forderung nach einem ergänzenden Wachstumspakt sagte Seibert, Wachstum sei immer schon eine "zweite Säule der europäischen Krisenbewältigungspolitik".
Unionsfraktionschef Volker Kauder stellte klar: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Fiskalpakt neu verhandelt werden muss.". In einigen EU-Staaten seien die Vereinbarungen schon verabschiedet, in Irland stehe ein Referendum bevor. "Ich glaube, dass da kein Spielraum besteht." Kauder fügte hinzu: "So können wir in Europa auch nicht arbeiten, dass, wenn Wahlen stattgefunden haben, bisherige Vereinbarungen nicht mehr gelten. Da reden ja nicht nur Personen miteinander, sondern auch Länder."
Die Grünen hoffen hingegen auf Korrekturen in zentralen Fragen der Finanz- und Energiepolitik. "Es ist richtig, das strikte Spardiktat aufzugeben", sagte Parteichefin Claudia Roth. Es komme in Europa zwar weiter auf Haushaltskonsolidierung an. Aber ohne gleichzeitige Wachstumsinitiativen sei die Euro-Krise nicht in den Griff zu bekommen.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sieht in der Wahl Hollandes ebenfalls eine Richtungsentscheidung für ganz Europa. "Das wird nicht nur Frankreich verändern, sondern endlich mithelfen, Europa eine andere Richtung zu geben", sagte Gabriel. Neben dem europäischen Fiskalpakt müsse es nun auch einen "Pakt für Wachstum und Beschäftigung" geben.
Gabriel stellte zugleich klar, dass niemand den Fiskalpakt abschaffen wolle. Hollandes Erfolg beweise jedoch, dass es zur Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Alternative gebe. "Die Politik von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy hat Europa weiter in die Krise geführt", so der SPD-Chef. Dadurch würden in Europa derzeit mehr Schulden gemacht als weniger.
Auch der Wirtschaftsweise Peter Bofinger kritisierte den Kurs der Bundesregierung. "Insgesamt hat die Strategie, die Krise über einen maximalen Marktdruck und dadurch forcierte prozyklisch wirkende Sparprogramme zu lösen, völligen Schiffbruch erlitten", sagte Bofinger.
Mit dem am 2. März in Brüssel unterschriebenen Vertrag verpflichten sich die Unterzeichnerländer, striktere Haushaltsdisziplin zu befolgen als bisher vereinbart. Zudem sollen sie nach dem Vorbild Deutschlands eine verpflichtende Schuldenbremse im nationalen Recht verankern. Im Fall eines Verstoßes gegen die Regeln werden automatisch Strafverfahren ausgelöst, die nur durch ausdrückliches Mehrheitsvotum der Unterzeichnerstaaten gestoppt werden können. Kern der Unterzeichnerländer sind die 17 Eurostaaten, hinzu kommen acht Nicht-Euroländer.
Bald Treffen
Seibert kündigte auch ein "relativ baldiges" Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Hollande an. Beide seien sich in einem ersten Telefonat einig darin gewesen, dass die deutsch-französische Zusammenarbeit für ganz Europa von großer Bedeutung sei.
"Es ist völlig klar, dass die gute und enge deutsch-französische Zusammenarbeit auch zwischen der Kanzlerin und Hollande fortgesetzt wird", sagte Seibert. Beide Seiten könnten auf eine enorme Kontinuität bauen. "Sie werden sehen, dass dieser Neuanfang gelingen wird."
Der Fahrplan für die Machtübergabe in Frankreich nimmt unterdessen Gestalt an: Sarkozy wird das höchste Staatsamt am Dienstag kommender Woche an Hollande übergeben, hieß es in Regierungskreisen. Zunächst hatte es Spekulationen gegeben, dass Hollande bereits früher an die Macht kommen könne. Der Dienstag nächster Woche, der 15. Mai, ist der letzte mögliche Termin.
Hollande hat die Präsidentenwahl in Frankreich nach dem vorläufigen offiziellen Endergebnis mit 51,62 Prozent der Stimmen gewonnen. Er wird damit der erste sozialistische Präsident, seit François Mitterrand vor 17 Jahren aus dem Amt geschieden war. Sarkozy kam nur auf 48,38 Prozent.
Quelle: ntv.de, jmü/dpa/AFP