Kanzlerin zeigt sich gelassen Merkel tut Erdogans Drohung ab
25.05.2016, 16:36 Uhr
Kanzlerin Merkel besteht darauf, dass die Türkei alle Forderungen des Flüchtlingsdeals erfüllt.
(Foto: REUTERS)
Es sieht nach einem Kräftemessen aus zwischen dem türkischen Präsidenten und der Bundeskanzlerin. Als sie Erdogan bei der Visafreiheit vorerst eine Absage erteilt, will er das ganze Flüchtlingsabkommen platzen lassen. Jetzt legt Merkel nach.
Kanzlerin Angela Merkel hat zurückhaltend auf Drohungen des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan reagiert, den Flüchtlingspakt mit der EU scheitern zu lassen. Sie sei "nicht besorgt" und gehe weiter von einer Umsetzung des Abkommens aus, sagte Merkel nach der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg. "Im Grundsatz werden wir jedenfalls von unserer Seite zu den Vereinbarungen stehen", betonte die CDU-Chefin.
Noch seien nicht alle 72 Voraussetzungen für die Erteilung der Visafreiheit für Türken erfüllt, sagte Merkel und gab sich demonstrativ gelassen: "Da wird noch mehr Zeit notwendig sein." Es werde weitere Gespräche geben, und dabei werde "alles auf den Tisch kommen." Sie habe nach ihren jüngsten Gesprächen in Istanbul jedenfalls den Eindruck, "dass auf beiden Seiten Gesprächsbereitschaft besteht".
Erdogan hatte mit dem Scheitern des europäisch-türkischen Flüchtlingsabkommens gedroht, wenn die Visumspflicht für Türken bei der Einreise in die EU nicht wie vereinbart zum 30. Juni wegfalle. Ohne Fortschritte im Streit um die EU-Visumfreiheit werde er das Abkommen mit der EU zur Rücknahme von Flüchtlingen ab 1. Juni nicht in Kraft treten lassen. In diesem Fall werde das türkische Parlament den entsprechenden Beschluss nicht ratifizieren.
Ankara: EU ist nicht die einzige Option
Merkel hatte nach einem Gespräch mit Erdogan am Montag in Istanbul deutlich gemacht, dass der angestrebte Termin der Visumfreiheit zum 1. Juli nicht mehr haltbar sei. Hintergrund ist die Weigerung Erdogans, die Anti-Terror-Gesetze der Türkei zu reformieren.
Der neue türkische Europaminister, Volkan Bozkir, sagte dazu nun, die Beziehungen zur EU seien für sein Land sehr wichtig, aber nicht "die einzige Option". Der EU warf er vor, sie habe bei der Bekämpfung des Terrorismus "doppelte Standards". Der erst am Dienstag ernannte Minister spielte damit offenbar auf die Forderung der EU an, dass die Türkei ihre Definition von Terrorismus enger fasst und angemessener anwendet, damit die Gesetze nicht gegen politische Gegner missbraucht werden können.
Das Abkommen verpflichtet die Türkei, die über die Ägäis nach Griechenland kommenden Flüchtlinge zurückzunehmen. Im Gegenzug nimmt die EU direkt syrische Flüchtlinge aus der Türkei auf und zahlt in zwei Schritten bis zu sechs Milliarden Euro für die Versorgung der Flüchtlinge. Erdogan sagte, dass die von der EU zugesagten Gelder bislang nicht gezahlt worden seien. Weiter wird der Türkei Visafreiheit gewährt, wenn es alle Anforderungen der EU erfüllt.
Quelle: ntv.de, hul/dpa/rts/DJ