Sechs-Augen-Gespräch im Kreml Merkel und Hollande sitzen an Putins Tisch
06.02.2015, 20:09 Uhr
Letzter Versuch in Moskau: Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande verhandeln mit Kreml-Chef Putin.
(Foto: AP)
Alle Augen sind nach Moskau gerichtet: Scheitert die Vermittlungsoffensive aus dem Westen, dürfte der Ukraine-Konflikt weiter eskalieren. Würden dann doch Waffen an Kiew geliefert? Das wäre nicht mehr nur ein Krieg der prorussischen Separatisten und ukrainischen Soldaten.
Das Foto von den drei lachenden Politikern trügt. Die Lage ist nicht lustig. Sie ist dramatisch. Das Foto bildet schlicht den Moment ab, als der ukrainische Präsident Petro Poroschenko in Kiew seine so wichtigen Gäste begrüßt: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Staatspräsidenten François Hollande. Alle freuen sich, dass sie für das Kriegsgebiet Donbass eine Friedensinitiative starten - eine Aktion, die Merkel und Hollande auch ins winterlich kalte Moskau zu Kremlchef Wladimir Putin führt.
Zum ersten Mal überhaupt seit Ausbruch des Ukraine-Konflikts ist Merkel in der russischen Hauptstadt. Als erst Merkel und kurz nach ihr Hollande gegen 18.00 Uhr Ortszeit (16.00 Uhr MEZ) auf dem Regierungsflughafen Wnukowo-2 landen, sprechen russische Kommentatoren von einem historischen Besuch. "Frau Kanzlerin ist mit deutscher Pünktlichkeit gelandet", hieß es. Sie wolle zwar nicht über Nacht bleiben, müsse sich aber wohl auf lange Verhandlungen mit Putin einstellen. Die Gespräche über eine Waffenruhe für den Donbass laufen zunächst unter sechs Augen an einem Dreier-Tisch.
Alle sind entsetzt über den eskalierenden Konflikt mit den prorussischen Separatisten in der Ostukraine mit täglich neuen Schreckensmeldungen. Kann der Blitzbesuch aus dem Westen Frieden bringen? Ist die Mission der letzte Versuch, einen noch größeren Krieg zu vermeiden - mitten in Europa?
Merkel dämpft Erwartungen
Schon vor ihrer Abreise nach Moskau sagt Merkel in Berlin: "Wir sind davon überzeugt, dass es keine militärische Lösung dieses Konfliktes geben wird. Wir wissen aber auch, dass es völlig offen ist, ob es uns gelingt, eine Waffenruhe zu erreichen durch diese Gespräche." Merkel will vorsichtshalber die Erwartungen dämpfen. Allerdings sind russische Gastgeber bekannt für ihre Großzügigkeit. Merkel betont, Hollande und sie seien "keine neutralen Vermittler". Sie verträten europäische Interessen: "Es geht um Frieden, die europäische Friedensordnung, um ihre Aufrechterhaltung. Und es geht um die freie Selbstbestimmung von Völkern (...). Wir tun das, was wir glauben, was in dieser Stunde unsere Aufgabe ist: Nämlich alles zu tun, um dem Blutvergießen ein Ende zu bereiten."
Und dann stellte sie noch einmal klar, dass sie nicht, wie es in einem Medienbericht hieß, über Grenzen verhandele: "Als deutsche Bundeskanzlerin werde ich nie über den Kopf eines anderen Landes hinweg - in diesem Fall der Ukraine - mich mit irgendwelchen territorialen Fragen beschäftigen. Das schließt sich aus." Gleichwohl gehen viele Beobachter in Kiew und in Moskau davon aus, dass es einen Frieden in der Ukraine wohl nur geben kann, wenn es für den russisch geprägten Donbass Zugeständnisse gibt. Im Gespräch sind eine Feuerpause mit einer neuen Waffenstillstandslinie sowie Autonomierechte für die von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiete.
Das ist die russische Linie. Putin hatte zuletzt in einem Brief an Poroschenko - wie schon im September - den Abzug schwerer Waffen und die Schaffung einer entmilitarisierten Zone verlangt. Zudem fordern die Russen direkte Verhandlungen der von ihnen unterstützten Separatisten mit der prowestlichen ukrainischen Regierung in Kiew. Poroschenko hatte dies bisher abgelehnt. Vorrangiges Ziel der Aufständischen ist es, Kiew zu einem Ende der Wirtschaftsblockade gegen den Donbass zu bewegen. In der Region herrscht eine humanitäre Katastrophe.
Alle Vier-Augen-Gespräche waren umsonst
Allerdings zweifeln die Russen weiter daran, dass Poroschenko tatsächlich Herr der Lage ist und echte Macht hat, um eine Friedensinitiative durchzusetzen. Das Lager der politischen Falken in Kiew, das eine militärische Lösung des Konflikts fordert, gilt als extrem stark. Vor allem diese Kräfte hoffen auf Waffen aus den USA und anderen Nato-Staaten, um gegen die Separatisten vorzugehen. US-Präsident Barack Obama traue vor allem Merkel die richtige Verhandlungsstrategie mit Putin zu, heißt es in deutschen Diplomatenkreisen. Ihr Nein zu Waffenlieferungen an das ukrainische Militär habe derzeit Gewicht. Für den Fall aber, dass die neue Friedensdiplomatie scheitere, könnten die USA ihren eigenen Weg gehen wollen. Und möglicherweise würde der EU-Rat nächste Woche dann auch über neue Sanktionen sprechen.
Viele Male hat Merkel versucht, Putin in Vier-Augen-Gesprächen zum Einlenken zu bewegen. Ohne Erfolg. Zu dem Moskauer Treffen habe Putin Merkel und Hollande bei einem ihrer jüngsten Krisen-Telefonate eingeladen, sagt Berater Juri Uschakow. Die russischen Staatsmedien dürften das einmal mehr als Punktsieg für Putin ausschlachten. Der Konfrontationskurs mit dem Westen beschert dem Ex-Geheimdienstchef hohe Popularitätswerte in den Umfragen.
Bei den Gesprächen in Moskau soll es zudem um einen möglichen Einsatz von Blauhelmsoldaten der Vereinten Nationen gehen, die eine Waffenruhe überwachen könnten. Experten arbeiteten bereits an einem entsprechenden Vorschlag, heißt es im Außenministerium. Damit würde der Konflikt in der Ostukraine "eingefroren". Der Politologe Dmitri Trenin vom Carnegie Center hält dies für die "beste Option", um das Blutvergießen zu stoppen. "Ein Scheitern der Diplomatie und US-Waffen für die Ukraine würden zu einer Kollision Russlands mit der Nato führen", warnt der Experte. Im Klartext bedeutet das: Krieg.
Quelle: ntv.de, Kristina Dunz und Ulf Mauder, dpa