Umstrittene Flüchtlingspolitik Merkel verrät, warum sie 2017 noch mal antrat
29.04.2023, 21:36 Uhr Artikel anhören
Auftritt bei der Leipziger Buchmesse: Altkanzlerin Merkel arbeitet derzeit an ihren Memoiren.
(Foto: dpa)
Nicht häufig, aber von Zeit zu Zeit, tritt Altkanzlerin Merkel vor Publikum auf. Diesmal ist sie zu Gast bei der Leipziger Buchmesse. Dort gibt sie Einblick in die Arbeit an ihren Memoiren. Aber auch ihre umstrittene Entscheidung in der Flüchtlingsfrage 2015 wird angesprochen.
Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel will in ihren Memoiren Einblicke in ihr Leben und ihre Amtszeit geben. Gemeinsam mit ihrer langjährigen Büroleiterin Beate Baumann arbeite sie ihre Kindheit, aber auch ihre Kanzlerschaft auf, sagte die CDU-Politikerin bei einer Veranstaltung der Leipziger Buchmesse. "Das schafft Klarheit - Stück für Stück - und fordert aber auch Konzentration." Nach dem Ende ihrer Kanzlerschaft gehe es ihr gut, sagte Merkel und betonte: "Ich bin zufrieden."
Der Besuch der Altkanzlerin weckte im Vorfeld großes Interesse bei den Besucherinnen und Besuchern der Leipziger Buchmesse. Vor ausverkauftem Haus sprach Merkel mit dem Chefredakteur der "Zeit", Giovanni di Lorenzo, unter anderem über ihre ostdeutschen Wurzeln, ihre Kanzlerschaft, aber auch über ihr jetziges Leben. Auf dem Weg zur Bundeskanzlerin AD komme sie voran, sagte Merkel und lächelte dabei. "Ich kann noch nicht unerkannt durch die Straßen gehen."
"Ich haue nicht ab nach dieser Entscheidung"
Thema war auch ihre umstrittene Entscheidung in der Flüchtlingspolitik 2015: Auf die Frage, ob das etwas mit dem Erstarken der AfD in Ostdeutschland zu tun haben könnte, wies Merkel eine Mitverantwortung zurück. "Ich habe politische Situationen zu bewältigen gehabt, die zu einer Spaltung der Meinungen in Deutschland geführt haben", sagte die CDU-Politikerin. Gleichwohl habe sie kein Verständnis für Menschen, die demokratische Prinzipien verletzen. Sie konzentriere sich auf Menschen, die die demokratischen Werte teilten. Die anderen müsse man versuchen, zurückzuholen. "Bei manchen Menschen ist es schwer, sie zurückzuholen", sagte Merkel.
Dass sie 2017 - also nach ihrer Flüchtlingsentscheidung 2015 - noch einmal angetreten sei, habe auch den Grund gehabt, dass sie sich gesagt habe: "Ich haue nicht ab nach dieser Entscheidung." Sie habe auch in kritischen Situationen weiterhin versucht, mit den Menschen zu sprechen. "Ich bin ja nicht in meinem Kanzleramt versunken und habe das Haus nicht mehr verlassen."
Merkel lehnt Gendern ab
Nicht zufrieden sei sie hingegen mit ihrer Förderung von Frauen während ihrer Amtszeit, sagte die Altkanzlerin. "Ich habe das Ziel, das ich gerne erreicht hätte, nicht erreicht." Die Zahl der Frauen in ihrer Partei zeige, dass Frauen in der Vergangenheit nicht ausreichend gefördert worden seien. Dass es beispielsweise in der Wirtschaft weniger Frauen als Männer in Führungspositionen gebe, sei dramatisch. "Wir brauchen Parität - überall", forderte Merkel. Das gelte auch für den Bundestag, "auf welchem Weg auch immer".
Mit Blick auf sich selbst fällt es Merkel auch heute noch schwer, sprachlich die weibliche Form zu verwenden, wie die Altkanzlerin berichtete. "In der DDR war ich Physiker. Ich war Diplom-Physiker, so stand es in meinem Diplom." Inzwischen habe sie sich angewöhnt, von sich als Physikerin zu sprechen. Ansonsten gendere sie nicht, sagte sie. "Ich halte mich immer an den Duden."
Die heute 68 Jahre alte Merkel war zur Bundestagswahl im vergangenen Jahr nach 16 Jahren Kanzlerschaft nicht mehr angetreten. Sie tritt inzwischen von Zeit zu Zeit als Rednerin auf. Ihre Memoiren sollen im Herbst 2024 veröffentlicht werden.
Quelle: ntv.de, kst/dpa