Politik

Schäuble-Gerüchte überschatten CDU-Parteitag Merkels Kronprinzen bitten zur Wahl

Höchstens ein Denkzettel: Merkel ist als CDU-Chefin noch unbestritten.

Höchstens ein Denkzettel: Merkel ist als CDU-Chefin noch unbestritten.

(Foto: picture alliance / dpa)

Eine Palastrevolte steht auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe zwar nicht an, Merkels Kronprinzen bringen sich aber in Stellung. Gefährlich wird es für die Kanzlerin, wenn die Wahl in Baden-Württemberg verloren geht. Bis dahin muss sie sich um Schäuble sorgen.

Ausgerechnet eine der bislang stärksten Säulen der Bundesregierung bedroht nun die Stabilität der schwarz-gelben Koalition. Eben noch als erfahrener Minister mit strenger Haushaltsdisziplin gelobt, scheint Wolfgang Schäuble auf einmal angezählt. Medien berichten bereits über angebliche Kabinettsumbildungen. Die Amtstauglichkeit des Bundesfinanzministers ist in Verruf geraten – erst unverschuldet durch seine Krankheit, dann selbst verschuldet durch die öffentliche Demütigung seines Pressesprechers. Zwar werden solche Spekulationen in der Union strikt dementiert. Schäubles Zukunft dürfte aber eine der zentralen Fragen auf dem Parteitag der CDU in Karlsruhe sein, zumal alle anderen Fronten weitestgehend entschärft sind.

Schwieriges Verhältnis: Die Kanzlerin kann derzeit nicht mehr so ganz auf die Stärke ihres Finanzministers vertrauen.

Schwieriges Verhältnis: Die Kanzlerin kann derzeit nicht mehr so ganz auf die Stärke ihres Finanzministers vertrauen.

(Foto: dpa)

Noch vor wenigen Wochen musste Bundeskanzlerin Angela Merkel damit rechnen, auf dem Parteitag eine heftige Profildebatte führen zu müssen. Die Konservativen in der CDU fühlten sich vernachlässigt, miese Umfragewerte und Unzufriedenheit mit dem Erscheinungsbild der schwarz-gelben Koalition befeuerten die Kritik. Öffentlich wurde über die Zukunft Merkels spekuliert, die Unzufriedenheit mit ihrer Führung war greifbar zu spüren. Doch die CDU-Vorsitzende blieb unbeirrt auf ihrem Kurs, verkündete den "Herbst der Entscheidungen" und ließ sich auch nicht vom Verlust der wichtigsten Ministerpräsidenten der CDU verängstigen. Nun stellt sich die Partei ab Sonntag in Karlsruhe neu auf und nur vereinzelt wird die Kritik an Merkel deutlich werden. Deshalb gilt es, auf dem Parteitag auf Nuancen zu achten.

Bekommt Merkel einen Warnschuss?

Einer der wichtigsten Gradmesser wird das Wahlergebnis Merkels und das ihrer Stellvertreter sein. Wer schneidet am besten ab? Wer bekommt einen Denkzettel? Ein Ergebnis "deutlich unter 90 Prozent" müsse als Warnschuss für Merkel gelten, sagte der Politikwissenschaftler Gerd Langguth im Interview mit n-tv.de. Zuletzt hatte die CDU-Chefin 95 Prozent erhalten. Langguth schließt einen Denkzettel zwar nicht aus, rechnet aber mit "einem guten Ergebnis".

Dass es daran inner- wie außerhalb der CDU inzwischen wenig Zweifel gibt, hat Merkel einer kleinen Kursveränderung, der anspringenden Konjunktur und fehlenden Alternativen zu verdanken. Stuttgart 21, Gesundheitsreform, Hartz IV und Schuldensenkung – Merkel zeigt als Kanzlerin seit der Sommerpause eine deutlich klarere Kante, das wird von ihrer Partei honoriert. Die positiven Zahlen von Wirtschaftsentwicklung und Arbeitsmarkt wecken zudem die Hoffnung, dass sich der Aufschwung auch in der Zustimmung zur Regierung und damit in den Umfragewerten der Union niederschlagen könnte. Doch selbst wenn das nicht der Fall sein sollte, gibt es niemanden in der CDU, der Merkel derzeit ernsthaft den Vorsitz streitig machen könnte. Zumal eine Umfrage unmittelbar vor dem Parteitag ergab, dass über 80 Prozent der Unionsanhänger Merkel ein gutes Führungszeugnis ausstellen.

Röttgen und von der Leyen

Trau sich einiges zu: Umweltminister Röttgen.

Trau sich einiges zu: Umweltminister Röttgen.

(Foto: dpa)

Die selbsterklärten oder gehandelten Erben der Kanzlerin müssen sich erst einmal selbst sortieren. Gleich drei von vier Stellvertreterposten an der CDU-Spitze werden neu besetzt. Einzig Bildungsministerin Annette Schavan steht zur Wiederwahl. Nach dem Abgang der CDU-Länderchefs aus Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen müssen die Lücken gefüllt werden. Bundesumweltminister Norbert Röttgen stellt sich frisch gebackener NRW-Landeschef zur Wahl, daneben kandidieren Arbeitsministerin von der Leyen aus Niedersachsen und der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier. Mit ihnen soll die CDU personell erneuert und alle relevanten Flügel in der Parteispitze vertreten werden. Die Wahlergebnisse der Vize-Vorsitzenden werden aber genau beobachtet werden. Lässt sich an ihnen doch ablesen, wie die künftige Machtbalance in der Partei aussehen wird und ob Röttgen oder von der Leyen als Kronprinzen Merkel infrage kommen könnten. Sie dürfen sich derzeit mit dem Baron aus Bayern um die vermeintlich besten Chancen streiten.

Wird einiges zugetraut: Arbeitsministerin von der Leyen.

Wird einiges zugetraut: Arbeitsministerin von der Leyen.

(Foto: dpa)

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wird einen Gastauftritt in Karlsruhe haben. Er wird noch einmal seine angestrebte Reform der Bundeswehr mitsamt Aussetzung der Wehrpflicht erklären. Großer Streit ist in diesem Punkt aber nicht mehr zu erwarten, auch wenn der schleswig-holsteinische CDU-Landeschef die Pläne in dieser Woche infrage stellte. Guttenberg hat auf mehreren Regionalkonferenzen den größten Teil der Partei bereits von seinen Plänen überzeugt.

Streit nur in Einzelfällen

Neben der Bundeswehr gibt es zudem noch zwei Leitanträge: zur Familienpolitik und dem Gesellschaftskonzept der CDU. "Verantwortung und Zukunft" heiß der Antrag der Parteispitze, in dem Profildebatte, Bildungsstreit und Integrationspolitik gebündelt sind. Hier könnte es in einzelnen Punkten öffentliche Kritik am Kurs der Parteiführung geben, weil Teile der CDU eine Steuer- und Profildebatte führen wollen. Vor allem der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung, Josef Schlarmann, hatte im Vorfeld des Parteitags deutliche Kritik geäußert. Das versuchte Generalsekretär Hermann Gröhe allerdings herunterzuspielen. Die Partei brauche starke Gruppen. "Dazu gehört auch (...), dass man mal unbequem ist", sagte er.

Trotzdem hat vor allem die Steuerpolitik durchaus Streitpotenzial. Während Liberale wie Schlarmann für Steuersenkungen eintreten bringen Parteilinke um den saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller höhere Belastungen für Reiche ins Spiel. Zudem wächst in der Union die Unzufriedenheit mit dem strikten Sparkurs von Finanzminister Schäuble, sodass eine Debatte zum Leidwesen der Parteiführung möglich scheint. Gleiches gilt für die Integrationspolitik, bei der Teile der Union eine noch härtere Gangart einlegen wollen.

Frist bis Ende März

Streit gewünscht ist dagegen sogar in einem anderen Punkt: Gentests an Embryonen. Parteichefin Merkel hatte sich überraschend deutlich für ein Verbot der sogenannten Präimplantationsdiagnostik (PID) ausgesprochen. Sie will die konkrete Entscheidung im Bundestag aber freigeben und dem Gewissen der Abgeordneten überlassen. Die umstrittene Untersuchung von Embryonen auf Erbkrankheiten wird in Teilen der CDU allerdings auch befürwortet, etwa von Arbeitsministerin von der Leyen und Forschungsministerin Schavan. So ist bei der Abstimmung am Montag durchaus eine kontroverse Diskussion zu erwarten, die von der Parteispitze aber gelassen verfolgt werden kann. Eine Gefahr für Merkel ist die PID-Debatte nicht.

Von daher ist in Karlsruhe tatsächlich das von der CDU-Führung erhoffte Signal der Geschlossenheit zu erwarten, zumindest was die Position Merkels betrifft. Die Harmonie ist aber eher als Prinzip Hoffnung zu verstehen, das bis zu den Landtagswahlen im März gilt. Ziehen bis dahin trotz Wirtschaftsaufschwung nicht die Umfragewerte für die Union insgesamt an und geht die Wahl in Baden-Württemberg verloren, kann sich Merkel nicht mehr sicher fühlen. Das ist nach über zehn Jahren an der Spitze der CDU trotz andauernder Kritik  an ihrem Führungsstil ein neues Gefühl für die Kanzlerin.

Quelle: ntv.de

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