Politik

So verlief ihr großer Auftritt Merkels nüchterne Rede an die Nation

Unaufgeregt und besonnen: So trat die Kanzlerin in der Bundespressekonferenz auf.

Unaufgeregt und besonnen: So trat die Kanzlerin in der Bundespressekonferenz auf.

(Foto: dpa)

Es gibt viel zu besprechen. Bei ihrer Sommer-Pressekonferenz redet die Kanzlerin über die Terroranschläge in Deutschland und ihre Flüchtlingspolitik. Merkel verteidigt einen bedeutungsschweren Satz, eigene Fehler sieht sie nicht.

Es ist voll, aber das ist nicht neu, wenn die Kanzlerin einmal im Jahr ihre große Sommer-Pressekonferenz gibt. Dass vor dem Eintritt in den Saal jedoch die Taschen der Journalisten kontrolliert werden, ist ein Novum. Die verschärfte Sicherheitslage hat auch hier spürbare Folgen. Als Angela Merkel den großen Saal der Bundespressekonferenz betritt, sind alle Plätze besetzt.

  Merkel, die ihren Urlaub unterbrochen hat, nennt die aktuelle Situation als Grund für die vorgezogene Pressekonferenz. Die Anschläge bezeichnet "erschütternd, bedrückend und deprimierend". Es seien "zivilisatorische Tabus gebrochen worden", die Taten seien an Orten geschehen, "wo jeder von uns sein könnte". Dass Flüchtlinge für die Taten verantwortlich seien, verhöhne "das Land, das sie aufgenommen hat", die Helfer, die Ehrenamtlichen und die anderen Flüchtlinge, die Hilfe vor Gewalt suchten und friedlich leben möchten.

Ernst spricht Merkel über die Auswirkungen der Terrorakte. Es stelle das Land auf die Probe, ebenso das Verständnis von Freiheit und Sicherheit. "Die Terroristen wollen erreichen, das wir den Blick für das verlieren, was uns wichtig ist. Sie wollen unseren Zusammenhalt und unser Miteinander zersetzen, unsere Art zu leben und die Bereitschaft, Menschen in der Not aufzunehmen." Die Kanzlerin präsentiert einen Neun-Punkte-Plan für mehr Sicherheit. Sie nennt unter anderem die Senkung der Hürden für Abschiebungen, die Möglichkeit, die Bundeswehr im Landesinneren einzusetzen und die Bemühungen, Rückführungen vor allem nach Afghanistan und Nordafrika zu erleichtern.

"Haben viel geschafft"

Neun-Punkte-Plan

1. Ein besseres Frühwarnsystem für die mögliche Radikalisierung von Asylbewerbern, 2. Verstärkung von Personal und Verbesserung der Ausstattung der Sicherheitsbehörden, 3. Die bereits beschlossene zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich soll aufgebaut werden, 4. Übungen für terroristische Großlagen, bei denen auch die Bundeswehr eingebunden werden kann, 5. Fortsetzung und Erweiterung aller Forschungsvorhaben zum islamistischen Terror, 6. Vernetzung aller bestehen Daten europaweit, 7. Verabschiedung des neuen europäischen Waffenrechts, 8. Verstärkung der Kooperation mit befreundeten Nachrichtendiensten, 9. Rückführungen von Flüchtlingen in ihre Herkunftsländer verstärken.

  Ihren vor einem Jahr erstmals verkündeten Willkommens-Slogan "Wir schaffen das" spart die Kanzlerin nicht aus. "Wieder fragen wir uns: Können wir es wirklich schaffen, diese große Bewährungsprobe zu bestehen", sagt sie halb fragend. Dann zitiert sie die Worte, die sie an selber Stelle Ende August 2015 gesagt hat: "Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das! Wir schaffen das, und dort, wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden, muss daran gearbeitet werden." Merkel macht eine kurze Pause, bevor sie fortsetzt. Sie habe nie gesagt, dass es eine Sache werde, die "wir" nebenbei erledigen. "Ich bin heute wie damals überzeugt, dass wir es schaffen, unserer historischen Aufgabe (...) gerecht zu werden. Wir schaffen das. Und wir haben in den letzten elf Monaten sehr sehr viel bereits geschafft." Die Kanzlerin wiederholt ihre Mutmach-Formel.

Was sie denen entgegne, die ihr und ihrer Flüchtlingspolitik die Schuld an den Terroranschlägen geben, wird Merkel von Journalisten gefragt. Und: Ob sie Fehler gemacht oder die Situation gar falsch eingeschätzt habe. Sie weist dies zurück. Sie sei sich sicher, verantwortlich und richtig zu handeln. Sie stehe zu ihren Entscheidungen und glaube an den Grundsatz, dass sich ein Land wie Deutschland nicht vor "seiner humanitären Verantwortung" drücken könne. Im Gegensatz zu anderen. Über eines mag die Kanzlerin nicht hinwegtäuschen: Von den Partnerländern in Europa hätte sie sich in der Flüchlingskrise mehr Hilfe erhofft. Die Verteilung der Flüchtlinge verlaufe viel zu langsam, viele Staaten kämen ihren Verpflichtungen nicht nach, es bleibe viel Arbeit. "Ich bin enttäuscht über die mangelnde Bereitschaft einiger", sagt Merkel ganz deutlich.

"Angst ist kein Ratgeber"

Ein Journalist fragt, ob der Terror nun in Deutschland angekommen sei. Merkel nennt frühere Vorfälle: den Anschlag auf US-Soldaten am Frankfurter Flughafen und den Angriff auf einen Polizisten am Hauptbahnhof in Hannover. Im Zusammenhang mit den jüngsten Terrorakten spricht sie jedoch von "einer neuen Wucht". Der islamistische Terror sei nun massiv ins öffentliche Bewusstsein gerückt. "Da nutzt es nicht, drumherum zu reden, man muss es in seiner vollen Dramatik darstellen." Wie besorgt sie selbst ist? Die Kanzlerin hat Verständnis, dass viele Menschen in Deutschland verunsichert sind. "Ich bleibe jedoch dabei, dass Angst kein Ratgeber für politisches Handeln sein kann", sagt sie betont besonnen. Der Staat müsse seiner Aufgabe gerecht werden, das Vertrauen wieder herzustellen. "Wir befinden uns in keinem Krieg oder keinem Kampf gegen den Islam. Sondern wir kämpfen gegen den Terrorismus", betont sie. Die Terrorgefahr reiche weit "in den Kern der Gesellschaft" hinein. "Wir brauchen uns die Art, wie wir leben (...) nicht kaputt machen."

Die Kanzlerin muss auch zu den Vorwürfen Stellung nehmen, warum sie nach den Anschlägen nicht nach Würzburg und Ansbach gefahren sei. Sie erklärt, dass sie dies von Fall zu Fall entscheide. Nach dem Unglück der Germanwings-Maschine in den Alpen sei sie zur Unglücksstelle geflogen. Ebenso werden sie zum Trauerakt nach München reisen. Dies biete ihr die Gelegenheit, an alle drei Ereignisse – den Amoklauf sowie die zwei Anschläge – zu erinnern. Von der schwierigsten Situation in ihrer Kanzlerschaft will Merkel ausdrücklich nicht sprechen. Es habe viele schwere Herausforderungen gegeben. Das vergangene Jahr sei nicht einfach gewesen, gibt sie zu. Erschöpfung? Ein Lächeln huscht über ihr Gesucht. "Abends gehe ich schon manchmal ganz gern ins Bett und schlafe." Unterausgelastet sei sie nicht.

Quelle: ntv.de

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