Kleine Städte profitieren Mieten treiben Menschen aus den Metropolen
02.07.2018, 07:25 Uhr
Für junge Menschen sind Großstädte nach wie vor ein beliebter Wohnort.
(Foto: imago/Westend61)
Hamburg, München und Berlin gelten gemeinhin als Orte mit großer Anziehungskraft. Doch die Wanderungsbewegungen der vergangenen Jahre zeigen: Auch kleinere Städte freuen sich über Zuzüge. Die Gründe dafür sind nicht nur die gestiegenen Mieten.
Leben in der Stadt liegt im Trend. Diese Erkenntnis gilt bereits seit einigen Jahren, kann angesichts aktueller Daten allerdings mit einer neuen Einsicht ergänzt werden. Das Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) hat Zahlen zu den Zu- und Fortzügen aus dem Datenportal "Wegweiser-Kommune.de" der Bertelsmann Stiftung ausgewertet und festgestellt: Neben der Anziehungskraft der Millionen-Metropolen wie Berlin, Hamburg, München oder Köln zieht es die Menschen in Deutschland vor allem an deren Ränder. Davon profitieren Mittel- und Kleinstädte wie Bad Neustadt an der Saale oder Aurich in Ostfriesland, aber auch Kommunen in ländlichen Räumen wie Finsterwalde im Landkreis Elbe-Elster oder Eschwege im Werra-Meißner-Kreis.
Für die Analyse "Trend Reurbanisierung?" hat das ILS im Auftrag der Bertelsmann Stiftung das Wanderungsgeschehen zwischen 2006 und 2015 untersucht. Der umfangreiche Datensatz enthält Informationen zu rund 1,2 Millionen Wanderungsbewegungen in alle Kreise des Bundesgebietes. Die Daten werden auf der Webseite "Wegweiser-Kommune.de" nach Alter und Geschlecht, aber auch nach Ziel oder Herkunft, für alle Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Jahre 2014 und 2015 stellen in diesem Zusammenhang eine Besonderheit dar, weil in diesem Zeitraum viele Umzüge innerhalb Deutschlands aufgrund der Zuwanderung von Flüchtlingen registriert wurden.
Das ILS arbeitete detailliert heraus, dass neben den Großstädten auch Klein- und Mittelstädte vom Zuzug aus dem Umland profitieren - auch wenn nicht alle kleineren Städte in Deutschland aus dieser Entwicklung einen Vorteil ziehen können. Daneben konnte ein sogenannter "Überschwappeffekt" der Großstädte nachgewiesen werden. Das heißt, besonders die Großstädte mit mehr als 500.000 Einwohnern verlieren zunehmend Bevölkerung an ihr direktes Umland, den sogenannten Speckgürtel.
Auf der anderen Seite setzt sich in den ländlichen Räumen die kontinuierliche Abwanderung aus dünn besiedelten Gebiete fort. Dies geschieht der Auswertung zufolge allerdings auf einem relativ geringen Niveau. Strukturschwache, ländliche Regionen sind dabei besonders von Abwanderung betroffen.
Viele Gründe für den Umzug
So unterschiedlich die Entwicklungen auf regionaler Ebene sind, so vielfältig sind die Gründe für Bevölkerungsbewegungen innerhalb Deutschlands: Sie reichen vom Umzug wegen eines Arbeitsplatzwechsels oder in bezahlbaren Wohnraum bis zum Wunsch, im Alter in der Nähe der Kinder zu leben. "Neben den steigenden Mieten insbesondere in großen Städten wie Hamburg, München oder Berlin gibt es ein ganzes Bündel von Motiven für einen Umzug in eine kleinere Stadt", sagt Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung. Die Daten im Wegweiser Kommune zeigten, dass hohe Mieten allerdings ein starker Antrieb für Bevölkerungsbewegungen sind.
Aber auch die jeweilige Lebensphase der Menschen spielt demzufolge eine wichtige Rolle: Die jüngere Generation in Ausbildung und Studium zieht eher in die Großstadt, während Familien oder die älteren Generationen auch gerne in kleinere und mittlere Städte ziehen. Für diese Städte sei der Trend eine Chance für Wachstum, so Mohn weiter. "Damit diese Städte auch in Zukunft für die Menschen als Lebensort attraktiv bleiben, ist eine moderne und funktionierende Infrastruktur eine zentrale Voraussetzung." Hier seien Kommunen in der Pflicht, bei Investitionen und Stadtplanungen die richtigen Prioritäten zu setzen. "Wenn man dabei an den öffentlichen Personennahverkehr, ärztliche Versorgung oder Breitbandausbau denkt, ist klar, dass viele kleinere Städte dies nicht ohne Unterstützung von Land und Bund schaffen können", sagt Petra Klug, Kommunalexpertin der Bertelsmann Stiftung.
Die Autoren der Reurbanisierungs-Studie kommen zu dem Schluss: Neben der gestiegenen Zuwanderung nach Deutschland zählen Binnenwanderungen zu den entscheidenden Faktoren, die die Entwicklung und Zusammensetzung der Bevölkerung in den Städten und Gemeinden beeinflussen. Sie verändern die Alters- und Sozialstruktur der Bevölkerung maßgeblich, was Konsequenzen für das Gemeinwesen nach sich ziehen kann.
Damit die verantwortlichen Entscheider in den Kommunen die Weichen für die Planungen vor Ort stellen, ist der Analyse zufolge eine kleinräumige Betrachtung der Wanderungsbewegungen und die Auswertung der zur Verfügung stehenden Daten von entscheidender Bedeutung. Neben den Zu- und Fortzügen gilt dies vor allem auch für die Entwicklung in den verschiedenen Altersgruppen. So können aktuelle Trends der Entwicklung in den jeweiligen Regionen erkannt und damit eine "zukunftsfähige Kommunalpolitik" gestaltet werden.
Quelle: ntv.de, fzö