Politik

Plopp, plopp, plopp Mit Hogesa auf Klassenfahrt

Linker Arm, rechter Arm, Hauptsache hoch damit: HogeSa-Anhänger zeigen offen ihre Gesinnung.

Linker Arm, rechter Arm, Hauptsache hoch damit: HogeSa-Anhänger zeigen offen ihre Gesinnung.

(Foto: dpa)

Carsten, Uli und Stefan mögen Bier. Und Deutschland. Was sie nicht mögen: Flüchtlinge, "Salafistenschweine" und Langeweile am Wochenende. Wie gut, dass in Hannover diese vielversprechende Demonstration stattfindet.

Plopp, plopp, plopp.

Dumpf schallt der Knall frisch geöffneter Bierflaschen durch das halbleere Abteil des ICE 952, der gerade leise aus dem Berliner Hauptbahnhof rollt. Carsten, Uli und Stefan* haben jetzt noch genau eine Stunde und achtunddreißig Minuten, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Die drei Jungs sehen angemessen furchterregend aus in ihren Armee- und Bomberjacken, den ausgebleichten Jeans und ihrer Nichtfrisur: Zwei bullige Typen und ein langer, schmächtiger - Marzahner Glatzen in Reinstform. Allerdings sehr höfliche Glatzen, vorerst.

Plopp, plopp, plopp.

Ihr Ziel ist klar: Hannover, Hooligans gegen Salfisten, anknüpfen an die Kölner Machtdemonstration vor drei Wochen. Es riecht nach Gefahr, die drei haben das halbe Abteil für sich alleine. Nur eine ältere Dame hat den Viererplatz gegenüber bezogen. Jetzt sitzt sie da, ganz klein, die Schultern angezogen, und starrt ängstlich auf den Kronkorken, der mit einem leisen Scheppern auf ihrem Tisch gelandet ist. "Tschuldigung, da war wohl ein bisschen zuviel Schwung dahinter", sagt Uli breit berlinernd, aber mit sanfter Stimme. "Ja, Verzeihung, dass sie's jetzt eineinhalb Stunden mit uns aushalten müssen", stimmt Stefan mit ein, steht auf, sammelt den Verschluss ein und befördert ihn in den Mülleimer zu seinen Füßen. Die Frau entspannt sich, vielleicht ist das ja doch alles gar nicht so schlimm.

Plopp, zisch, plopp.

Das dritte Bier, das Uli erwischt, kommt aus der Dose. Langsam gewinnt die Unterhaltung an Fahrt, es geht um Cora*: "Die ist so tolerant, das hab ich noch nicht gesehen", sagt Carsten und klopft seinem bulligen Nebenmann auf die Schulter - Stefan hat offensichtlich echt Glück mit seiner Frau, er darf nämlich alles, "außer Fremdficken". Uli hat Probleme auf der Arbeit, sein Chef nervt. "Aber irgendwo muss das Geld ja herkommen", seufzt er.

Plopp, plopp, plopp.

Geld, ein Reizthema, der Punkt, an dem die Stimmung kippt: Alle drei arbeiten hart, nach eigener Aussage. "Und dann kommen diese Flüchtlinge an und kriegen einfach so 400 Euro in den Arsch geschoben, von unseren Steuergeldern." Warum all die Syrer, Libyer und Nigerianer kommen und was sie in Deutschland suchen? "Den Wohlfahrtsstaat ausnutzen", ist sich Uli sicher. Ob nicht zumindest ein paar von ihnen auf der Flucht vor genau den "IS-Kopfabschneidern" sind, gegen die Hogesa in Hannover demonstrieren wollen? "Der Islam als Ganzes ist ein Übel", weiß Stefan: "Die Salafisten sind nur die Ersten, die ihre wahren Gesichter zeigen. Wehret den Anfängen!"

Zisch, zisch, zisch.

Die Lehren von Köln: gewaltige Polizeipräsenz.

Die Lehren von Köln: gewaltige Polizeipräsenz.

(Foto: dpa)

Eine halbe Stunde vor Hannover passiert das, was eben passiert, wenn sich Alkohol mit Unzufriedenheit vermischt: Die Stimmen des Trios werden lauter, die Parolen stumpfer. "Marzahn sagt Nein zum Asylantenheim", grölt Uli. Es klingt wie: "Hallo Klischee, wie geht es dir? Klar bin ich hier, um dich zu erfüllen!" Längst ist die Angst zurückgekehrt in die Augen der älteren Dame, sind die Gespräche im restlichen Abteil verstummt. Die Menschen sehen krampfhaft aus dem Fenster, an dem die triste niedersächsische Herbstlandschaft im Novembernebel vorbeizieht.

Plopp, plopp, klirr.

Die Hundertschaft Polizisten am Hauptbahnhof spannt die Muskeln an, als Carstens Flasche beim Aussteigen auf dem Boden zerschellt. "Allet jut, Kollegen, hab sie nur verloren", lallt er. Hände lösen sich von Schlagstöcken, eine Eskorte bekommen die drei aber trotzdem. Und pöbeln den aussteigenden Passagieren ein letztes Mal hinterher: "Deutschland erwacht, das werdet ihr Gutmenschen auch noch früh genug sehen!"

"Deutschland erwache"

Das Deutschland, das da angeblich auf dem alten ZOB direkt hinter dem Hauptbahnhof erwacht, hat jede Menge braunen Schlaf im Auge, mehr nicht. Mit 5000 Teilnehmern hatte die Polizei im Vorfeld gerechnet, in einschlägigen Foren hatten die Veranstalter mit breiter Brust doppelt soviel angekündigt. Zwischen 1200 und 3000 Menschen - je nach Quelle -  sind es schließlich, die sich dicht an dicht vor der Bühne drängen und auf dem riesigen Platz merkwürdig verloren wirken. Auf die Feststellung eines Redners, dass der Nationalsozialismus vor allem ja sozialistisch gewesen sein, antworten die Demonstranten zwar mit einem eindeutigen "Deutschland erwache", verstummen aber nach wenigen Sekunden.

Vielleicht hat der dröge Charme einer betulichen Stadt wie Hannover ja mäßigende Wirkung auf Rechtsradikale, man weiß es nicht so genau. Kurz vor 15 Uhr jedenfalls, eine Stunde früher als geplant, ist die Veranstaltung zu Ende. Kein Krawall, kaum Randale, die Polizei hat bei der Vorbereitung ganze Arbeit geleistet und keine Berührungspunkte mit den knapp 3600 Gegendemonstranten zugelassen. Dass die eher gemäßigten Hogesa-Anhänger nach dem Gewaltexzess von Köln abgesprungen sind, dürfte allerdings viel entscheidender sein.

Von Carsten, Uli und Stefan ist im IC nach Berlin nichts zu sehen, sie wollten auf dem Rückweg "die Bummelbahn unsicher machen". Am Bahnsteig schießt ein Polizist in voller Montur ein Erinnerungsselfie mit einem knappen Dutzend Kollegen. Was für ein angenehmer Betriebsausflug. Dann rollt der Intercity leise aus Hannovers Hauptbahnhof, das Ploppen frisch geöffneter Bierflaschen schallt vom anderen Ende des Abteils herüber - aber es sind nur zwei gepiercte Rucksacktouristen mit Dreadlocks, die auf ein schönes Wochenende in Berlin anstoßen.

*Namen von der Redaktion geändert

Quelle: ntv.de

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