Regierung will Strafrecht ändern Mordverdächtigen soll neuer Prozess drohen
01.06.2021, 13:32 Uhr
Gegen eine erneute Anklage von Verdächtigen spricht das Gebot der Rechtssicherheit - Wer freigesprochen wurde, soll sich darauf verlassen können.
(Foto: picture alliance/dpa)
Einmal freigesprochen darf ein Mörder nicht erneut angeklagt werden - auch wenn es neue Beweise gegen ihn gibt. Das will die Regierung nun ändern. Mit einer Reform des Strafrechts soll "schreiendes Unrecht" künftig vermieden werden. Die Entscheidung soll noch im Juni fallen.
Mordverdächtigen soll ein zweites Mal der Prozess gemacht werden können, wenn neue Beweise vorliegen. Das berichtet "Bild" unter Berufung auf eine Formulierungshilfe von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, die für die Regierungsfraktionen erstellt wurde und kommende Woche im Bundestag in die erste Lesung gehen soll. Bislang können Täter wegen des Verbots der sogenannten Doppelbestrafung nicht wegen derselben Tat erneut vor Gericht gestellt werden. Freigesprochene Verdächtige werden so vor einer Verurteilung geschützt - trotz neuer und eventuell stichfester Beweise gegen ihn. Das Gesetz soll noch im Juni geändert werden.
In dem Entwurf heißt es: Neue technische Verfahren wie zum Beispiel digitale Forensik führten dazu, dass Beweismittel neu ausgewertet werden können, sodass ein Festhalten an einem Freispruch "einen unerträglichen Gerechtigkeitsverstoß darstellen würde".
Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, begrüßte das Vorhaben. "Bei unverjährbaren Taten wie Mord darf sich kein Täter sicher sein, auch nach einem Freispruch nicht doch noch verurteilt zu werden, wenn ihn neue Beweise überführen. Wie viele andere EU-Staaten erweitern wir deshalb die Wiederaufnahmegründe für ein neues Strafverfahren", sagte er der Zeitung. "Es ist schreiendes Unrecht, wenn ein vormals freigesprochener Mörder nicht verurteilt werden kann, obwohl neue Beweise seine Tat belegen."
Mehrheit der Bevölkerung für Reform
Gegen eine Änderung sprach in der Vergangenheit vor allem die verfassungsrechtlich verankerte Rechtssicherheit, auf die sich ein Freigesprochener verlassen können soll. Das Bundesverfassungsgericht hat sich noch nicht zu dem Entwurf der Regierung geäußert.
In der Bevölkerung würde die Gesetzesänderung vermutlich großen Anklang finden. So ergab eine Umfrage von Infratest dimap aus dem Jahr 2016 eine deutliche Mehrheit für eine Reform des Doppelbestrafungsverbots. Dies berichtete Spiegel Online. 91 Prozent der Befragten sprachen sich damals für die Möglichkeit eines neuen Prozesses aus.
Quelle: ntv.de, spl/dpa