Von-der-Leyen-Coup angeblich lange geplant Nach drei Monaten steht das Kabinett
15.12.2013, 20:53 Uhr
Angela Merkel steht vor ihrer dritten Amtszeit als Bundeskanzlerin.
(Foto: dpa)
Alle bisherigen Generalsekretäre der Koalitionsparteien werden mit einem Ministeramt belohnt, Ronald Pofalla scheidet aus der Politik aus, Ursula von der Leyen wird Verteidigungsministerin, die CSU ist gestutzt und dennoch zufrieden. Eine Übersicht.
Ihr erstes Ziel hat die Große Koalition erreicht: Noch vor Weihnachten sind CDU, CSU und SPD mit der Regierungsbildung fertig. An diesem Dienstag kann sich Bundeskanzlerin Angela Merkel planungsgemäß im Bundestag in ihrem Amt bestätigen lassen. Dann werden auch die Minister vereidigt.

Merkel und ihr Kabinett: Oben: Altmaier, Schäuble, von der Leyen, de Maizière, Wanka (alle CDU). Mitte: Gröhe (CDU), Friedrich, Müller, Dobrindt (alle CSU), Hendricks (SPD). Unten: Gabriel, Steinmeier, Nahles, Maas, Schwesig (alle SPD).
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Nachdem mit dem SPD-Mitgliedervotum die letzte Hürde überraschend deutlich genommen worden war, teilten Merkel sowie SPD-Chef Sigmar Gabriel und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer am Sonntag mit, wer für ihre Partei in den kommenden vier Jahren am Kabinettstisch Platz nehmen soll. Die eigentliche Überraschung fiel dabei fast unter den Tisch: Die drei Parteichefs hatten es tatsächlich geschafft, fast bis zuletzt die Namen ihrer Minister geheim zu halten.
Erst am Freitag ließ die SPD ihre Kabinettsliste durchsickern. Das Mitgliedervotum war zu diesem Zeitpunkt zwar vorbei, aber noch nicht ausgezählt. Am Sonntag legte Gabriel erneut vor: Er trat um 13.00 Uhr als erster vor die Presse, um die bereits bekannten Namen zu bestätigen. Am Abend verkündeten Merkel und Seehofer in getrennten Pressekonferenzen, aber nahezu zeitgleich, wer CDU und CSU im Kabinett vertreten wird.
Die Kabinettsliste der CDU:
Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel im Amt bleibt, war natürlich längst klar. Es ist ihre dritte Legislaturperiode. Bislang wurden Berichte, Merkel plane innerhalb der kommenden zwei bis drei Jahre einen Rückzug aus der Politik, stets dementiert.
Die größte Überraschung im neuen Kabinett ist Ursula von der Leyen. Die bisherige Arbeitsministerin wird die erste Frau an der Spitze des Verteidigungsministeriums sein. Von der Leyen habe sich "immer für internationale Belange interessiert", sagte Merkel. "Ich traue ihr zu, dass sie das sehr, sehr gut meistert." Bisherige Spekulationen hatten die 55-Jährige eher als Gesundheitsministerin gesehen. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung war von der Leyen noch am Samstagvormittag als Bundesinnenministerin vorgesehen. Indirekt dementierte Merkel diese Darstellung. Dass von der Leyen Verteidigungsministerin werde, wisse sie schon seit langem.
Innenminister wird der bisherige Verteidigungsminister Thomas de Maizière. Dieses Ressort hatte er bereits von 2009 bis 2011 unter sich. Merkel erinnerte daran, dass de Maizière nur wegen des Abgangs von Karl-Theodor zu Guttenberg ins Verteidigungsministerium wechseln musste. Bei der Pressekonferenz im Konrad-Adenauer-Haus ließ ein Satz aufhorchen: De Maizière, so Merkel, habe damals gesagt, er wolle das Innenministerium "jenseits der Sicherheitsaufgaben weiterentwickeln zu einem Ressort, das sich als Bürgerministerium begreift". Sie wünsche sich, "dass wir auf diesem Weg vorankommen". De Maizière hatte als Innenminister mehrfach vor einem "Alarmismus" mit Blick auf mögliche Terroranschläge in Deutschland gewarnt.
Wie erwartet bleibt Wolfgang Schäuble Finanzminister. Seine Erfahrung spreche dafür, "dass er dieses Amt gut ausfüllen wird", sagte Merkel. "Wir haben die Chance, in der kommenden Legislaturperiode ohne neue Schulden einen Beitrag zur Generationengerechtigkeit zu leisten. Deshalb hoffe ich, dass wir dieses auch erreichen werden." Ebenso stehe Schäuble für die Stabilität des Euro, so Merkel.
Gesundheitsminister wird Merkels bisheriger Generalsekretär Hermann Gröhe, der für den erfolgreichen Wahlkampf der CDU verantwortlich war. Gröhe verfüge "über gewaltige politische Erfahrung", sagte Merkel, sein künftiges Ressort sei "für die Bewältigung des demografischen Wandels ein Schlüsselministerium". Neuer CDU-Generalsekretär soll der hessische Bundestagsabgeordnete Peter Tauber werden. Dies sei auch "ein Signal an die Jüngeren in unseren Reihen", sagte Merkel. Tauber selbst erklärte, er wolle in seinem neuen Amt die Unterschiede seiner Partei zur SPD herausarbeiten und Menschen für die CDU "begeistern". Seine dritte Herausforderung sei die Europawahl im kommenden Mai.
Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Johanna Wanka, behält ihr Amt. Wanka, die erst seit Februar - seit dem Rücktritt von Annette Schavan - im Bundeskabinett ist, habe sich in kürzester Zeit eine hohe Reputation erarbeitet, sagte Merkel.
Der bisherige Umweltminister Peter Altmaier wird neuer Kanzleramtschef. Dieses Amt wird frei, weil Ronald Pofalla aus der Politik ausscheidet. "Ronald Pofalla war mir eine ganz wichtige Stütze im Kanzleramt in den letzten vier Jahren", sagte Merkel. "Deshalb bedauere ich, dass er die Mannschaft verlässt." Als Konsequenz aus der NSA-Affäre wird das Amt eines verbeamteten Staatssekretärs geschaffen, der für die Geheimdienste zuständig sein soll. Wer dies machen soll, teilte Merkel nicht mit.
Die Kabinettsliste der SPD:
Die SPD erhält sechs Ministerien. SPD-Chef Sigmar Gabrie l wird Minister für Wirtschaft und Energie und damit eines der Schlüsselressorts der kommenden Legislaturperiode leiten. Es war die einzige Personalie aus den Bereichen der anderen Parteien, die Merkel bei ihrem Auftritt kommentierte: "Vielleicht gehört es ja auch zu den Besonderheiten der Geschichte, dass jetzt drei ehemalige Umweltminister, nämlich Herr Gabriel, Herr Altmaier und ich, wesentlich an der Bewältigung der Energiewende mitarbeiten werden. Wir haben jedenfalls 'ne Menge Sachverstand für diese Fragen in der Bundesregierung gesammelt."
Der bisherige SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier wird wie schon von 2005 bis 2009 Außenminister. Neuer SPD-Fraktionschef soll der bisherige Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, werden.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles wird Ministerin für Arbeit und Soziales. Mit EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen bekommt sie einen ungewöhnlich prominenten Staatssekretär. Nahles habe dafür gesorgt, dass der Koalitionsvertrag in diesem Bereich "eine sozialdemokratische Handschrift" trage, lobte Gabriel in der Pressekonferenz im Willy-Brandt-Haus. Ihre Nachfolgerin als Generalsekretärin solle eine Frau werden, damit nicht alle drei "Alltagsgesichter" der SPD von Männern repräsentiert würden. Wer das Amt übernimmt, ist noch unklar. Der SPD-Linke Ralf Stegner, der für das Amt im Gespräch war, soll sechster SPD-Vizechef werden.
Der bisherige saarländische Minister für Wirtschaft und Energie, Heiko Maas, wird Justiz- und Verbraucherschutzminister. Der neue Ressortzuschnitt könnte die Rechte von Verbrauchern stärken, da der Widerspruch zwischen den Interessen der Agrarlobby und denen der Verbraucher nun nicht mehr von einem Ministerium ausgeglichen werden kann. Der bisherige Chef der Verbraucherzentralen, Gerd Billen, soll zudem Staatssekretär in diesem Ministerium werden. Das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geht an SPD-Vizechefin Manuela Schwesig, bislang Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern.
SPD-Schatzmeisterin Barbara Hendricks wird Ministerin für Umwelt, Naturschutz, Bauen und Reaktorsicherheit - die Zuständigkeit für Städtebau und Wohnungswesen wandert vom Verkehrsministerium in ihr Ressort. Damit ist das Umweltministerium wieder ein wenig aufgewertet, denn die Zuständigkeit für die Energiepolitik geht an das Wirtschaftsministerium. Die Personalie Hendricks gilt als Gabriels Zugeständnis an den SPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen, aus dem die Politikerin kommt. Sie war auch die einzige Personalie, die von Gabriel in der Pressekonferenz nicht mit Lob oder dem Ausdruck von Freude bedacht wurde.
SPD-Vizechefin Aydan Özoguz wird Staatsministerin für Migration und Flüchtlinge. Wie ihre CDU-Vorgängerin Maria Böhmer wird Özuguz im Kanzleramt angesiedelt sein.
Die Kabinettsliste der CSU:
Die CSU schließlich hat zwar so viele Ministerien behalten können wie in der schwarz-gelben Koalition, aber sie gibt das prestigeträchtige Innenministerium ab. Dennoch gab Seehofer sich in München zufrieden. "Ich bin froh, dass wir die drei Bundesminister haben. Die CDU verliert einen Bundesminister, wenn ich daran mal erinnern darf."
Wichtigster CSU-Bundesminister wird künftig der bisherige CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sein, der das neu zugeschnittene Ressort für Verkehr und digitale Infrastruktur erhält und damit in die Riege der potenziellen Seehofer-Nachfolger aufsteigt. Dobrindts Nachfolger als Generalsekretär wird Andreas Scheuer, bislang Staatssekretär im Verkehrsministerium. Für den bisherigen Verkehrsminister Peter Ramsauer fiel kein Ministeramt ab. Kommentieren wollte Seehofer dies nicht. Über Berufene und Nichtberufene werde er keine persönliche Bewertung abgeben, sagte der Ministerpräsident.
Innenminister Hans-Peter Friedrich wird künftig das Agrarressort leiten. Dass dies ein Karriereknick sein könnte, wollte Seehofer nicht gelten lassen. "Mein Gott, was ist über mich alles gesagt worden, als ich Landwirtschaftsminister wurde", sagte er. "Und es war nicht zu meinem Schaden. Und auch nicht zum Schaden der Landwirtschaft."
Entwicklungsminister wird Gerd Müller, bislang Staatssekretär im Ministerium für Verbraucherschutz. Seehofer sagte, das Entwicklungsministerium sei nach dem Außenamt und dem Verteidigungsministerium "das dritte Standbein der deutschen Außenpolitik". Als Ressortchef solle Müller sich auch um die Kontakte in Regionen kümmern, zu denen Bayern enge Verbindungen unterhält.
Quelle: ntv.de