"Türkei sollte sich entscheiden" Nato berät in Brüssel über Kampf gegen IS
28.07.2015, 06:07 Uhr
Auf Antrag der Türkei treffen sich in Brüssel die Botschafter der 28 Nato-Staaten.
(Foto: AP)
Die Türkei fliegt Luftangriffe auf den IS und die PKK. Im Vorfeld des Nato-Treffens über die Lage wird Kritik an Ankara laut. Eine "einheitliche Strategie" mahnt der deutsche Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament an. Aus dem Osten der Türkei werden zwei Anschläge gemeldet.
Vor dem Sondertreffen in Brüssel über die Vorgehensweise der Nato in der Türkei hat sich UN-Generalsekretär Ban Ki Moon besorgt über die türkischen Luftangriffe auf die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK geäußert. Er hoffe auf eine sofortige Rückkehr zu konstruktivem Dialog, so dass eine friedliche Lösung gefunden werden könne, sagte Ban. Er rief alle Beteiligten dazu auf, nicht zurückzukehren zu einem "tödlichen Konflikt, der den Menschen in der Türkei in der Vergangenheit schon so viel Leid zugefügt hat". Die Türkei fliegt seit einigen Tagen Luftangriffe gegen Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK im Nordirak.
Die Kritik an der Vorgehensweise Ankaras wächst auch bei deutschen Politikern. "Die Türkei sollte sich endlich für eine einheitliche Strategie entscheiden und nicht gleichzeitig den Islamischen Staat und dessen Gegner bekämpfen", sagte Elmar Brok (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, der "Welt". Er forderte eine diplomatische Offensive von EU, USA und der Türkei im Nahen Osten, um die Kämpfe zu beenden. "Die Türkei war zuletzt Rückzugsort und Transferland von Kämpfern des Islamischen Staats", sagte Brok. Die türkische Regierung müsse erkennen, dass der IS ihr Hauptfeind sei.
Auch der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Niels Annen, übte Kritik am Vorgehen der Türkei. "Die erste Priorität der türkischen Politik scheint darin zu bestehen, einen kurdischen Staat zu verhindern", sagte Annen. Die türkische Regierung bekämpfe "mit den Kurden die Kräfte, die den IS bisher am effektivsten zurückgedrängt haben. Sie kämpft gegen den IS - und gegen diejenigen, die den IS bekämpfen. Wo ist da die Strategie?", fragte Annen.
Bundeswehr-Aufgaben bleiben gleich
Die türkischen Luftschläge im Irak und in Syrien haben zunächst keinen Einfluss auf den Bundeswehr-Einsatz im Süden der Türkei. Die Aufgabe der deutschen "Patriot"-Raketenabwehrstaffeln dort sei es, die Region um die Stadt Kahramanmaras vor Angriffen aus Syrien zu schützen, sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). "Diese Aufgabe bleibt bestehen." Die Soldaten seien auch weit genug vom Zielort der Luftangriffe entfernt.
Auf Antrag der Türkei kommen in Brüssel die Botschafter der 28 Nato-Staaten zusammen. Ankara hat Beratungen nach Artikel 4 des Nato-Vertrags verlangt. Dieser Artikel sieht Konsultationen vor, wenn ein Nato-Mitglied meint, dass die Unversehrtheit des eigenen Territoriums, die politische Unabhängigkeit oder die eigene Sicherheit bedroht ist. Anlass für das Treffen ist nach Nato-Angaben der Ernst der Lage in der Türkei nach den Terrorangriffen der vergangenen Tage. Dabei war es zu Dutzenden Toten gekommen. Es gab auch Gefechte mit IS-Kämpfern an der syrisch-türkischen Grenze.
Nach einem Anschlag in der osttürkischen Provinz Mus erlag derweil ein Mitglied der türkischen Gendarmerie seinen schweren Verletzungen. "Terroristen" hätten das Auto des Mannes am Montagabend beschossen, berichtete die Nachrichtenagentur DHA unter Berufung auf den Provinzgouverneur. Im Wagen hätten sich auch die Ehefrau und die Tochter des Opfers befunden. Die Frau sei leicht verletzt worden.
DHA berichtete weiter, in der Provinz Agri nahe der iranischen Grenze hätten Mitglieder der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK eine aus dem Iran in die Türkei führende Gasleitung in Brand gesetzt. Daraufhin sei es zu einer Explosion gekommen. Die PKK äußerte sich nicht zu dem angeblichen Sabotageakt.
Quelle: ntv.de, rpe/dpa