Parolen und Pfefferspray "Pulverfass" in der Innenstadt
15.09.2016, 20:32 Uhr
Alkoholisierte Flüchtlinge und rechte Einheimische standen sich in Bautzen gegenüber.
(Foto: dpa)
Die Auseinandersetzung zwischen minderjährigen Flüchtlingen und Einheimischen aus der rechten Szene rückt einmal mehr Sachsen in den Blickpunkt. Der Konflikt in Bautzen schwelt aber schon länger. Die Stadt ringt um Lösungen.
Es fliegen Steine und Flaschen, die Stimmung ist aufgeheizt: Auf dem Kornmarkt in Bautzen gibt es am Mittwochabend heftige Krawalle zwischen Rechtsextremen und Asylbewerbern. Jugendliche Flüchtlinge gehen mit Holzlatten auf die Polizei los. Rechtsextreme jagen Flüchtlinge durch die Stadt, Parolen wie "Wir sind das Volk" sind zu hören. Später wird ein Krankenwagen mit Steinen beworfen. Die Polizei wehrt sich mit Pfefferspray und Schlagstöcken.
Als "bedrohlich und angespannt" beschreibt ein Beobachter die Stimmung auf dem zentralen Platz, der in der sächsischen Stadt nur "die Platte" genannt wird. Augenzeugen vergleichen die Situation mit der in Heidenau, wo sich Neonazis im Sommer 2015 vor einer Asylunterkunft Straßenschlachten mit der Polizei lieferten. Am Tag danach folgt die Ursachenforschung - und der Blick auf das Geschehen fällt differenzierter aus. Der Bautzener Polizeichef Uwe Kilz berichtet, dass die Gewalt von jungen Flüchtlingen ausgegangen sei, von sogenannten unbegleiteten, minderjährigen Asylbewerbern - in Sachsen werden sie kurz UMA genannt. Kilz machte aber auch deutlich, dass sich die Rechten zuvor im Netz verabredet hätten, um dann Flüchtlinge anzugreifen.
Mehr als 70 Einsätze seit April
In Bautzen sind die UMAS seit längerem ein Streitthema. Der Kornmarkt, auf dem laut Kilz "Leben pulsiert und der Punk abgeht", zieht gerade bei schönem Wetter auch Flüchtlinge an. Vielen Einheimischen sind sie ein Dorn im Auge. Tatsächlich gab es immer wieder Pöbeleien und Auseinandersetzungen. Seit April wurde die Polizei schon zu mehr als 70 Einsätzen gerufen. Der Platz hat sich zu einem "Pulverfass" entwickelt. Die Stimmung ist aggressiv - auf beiden Seiten. Die Polizei spricht von wechselseitigen Provokationen. "Alkohol spielt da eine große Rolle", sagt Polizeisprecher Thomas Knaup. Jugendliche aus Bautzen, die örtliche Trinkerszene und Asylbewerber würden eine brisante Mischung ergeben.
Der parteilose Bautzener Oberbürgermeister Alexander Ahrens sieht in den gewaltsamen Ausschreitungen in seiner Stadt eine neue Qualität. Um die Situation in den Griff zu bekommen, sollen sich Streetworker um die Flüchtlinge kümmern, Ordnungsamt und Polizei verstärkt auf Streife gehen. Ahrens will offensiv mit dem Thema umehen. Wie zu Beginn des Jahres, als Bautzen nach einem Brandanschlag auf eine noch unbewohnte Asylunterkunft in die Schlagzeilen geriet. Schaulustige beklatschten die Flammen und behinderten die Feuerwehr beim Löschen.
Gauck beleidigt
Die aufgeheizte Stimmung Bautzener Bürger ist auch Bundespräsident Joachim Gauck schon entgegengeschlagen: Als er knapp drei Wochen nach dem Brandanschlag auf den "Husarenhof" die Stadt im März besucht, wird er von Schaulustigen mit "Gauck soll raus", "Gauck verschwinde" und Volksverräter-Rufen empfangen. Ein junger Mann streckt ihm den Mittelfinger entgegen.
Bei der Landtagswahl 2014 ging in der Stadt mit knapp 40 000 Einwohnern jede vierte abgegebene Stimme an die NPD (10,8 Prozent) oder AfD (14,3 Prozent). Landesweit kamen die beiden Parteien auf 4,9 (NPD) und 9,7 Prozent (AfD).
Der Bautzener CDU-Landtagsabgeordnete Marko Schiemann sieht die Entwicklung mit Sorge. Die Stadt Bautzen diskutiere zwar seit Wochen über ein Alkoholverbot auf dem Kornmarkt, nur geschehen sei bislang nichts. Stress mit Flüchtlingsfamilien gebe es in der Stadt nicht, nur mit den UMA - den unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern. Schiemann macht dafür auch deren Perspektivlosigkeit verantwortlich: "Das sind junge Menschen, die den ganzen Tat meist beschäftigungslos sind."
Quelle: ntv.de, Jörg Schurig und Christiane Raatz, dpa