Politik

Stille Post zwischen Präsidenten? Putin provoziert, Poroschenko plaudert

Wenn er wollte, dann könnte er: Wladimir Putin schreckt offenbar nicht davor zurück, auch gegenüber Nato-Staaten militärisch zu drohen.

Wenn er wollte, dann könnte er: Wladimir Putin schreckt offenbar nicht davor zurück, auch gegenüber Nato-Staaten militärisch zu drohen.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Russische Truppen können in zwei Tagen in Warschau und Bukarest sein - damit soll Russlands Präsident Putin gedroht haben. Die Umstände, unter denen der Satz nach außen dringt, sind dubios. An ihrer Schlagkraft ändert dies jedoch nichts.

Wladimir Putin und Petro Poroschenko haben häufiger telefoniert in den vergangenen Wochen. Für den Ukraine-Konflikt ist das nicht von Nachteil. Schließlich haben die Staatschefs lange Zeit gar nicht miteinander, sondern nur übereinander gesprochen. Monatelang herrschte Eiszeit.

In bilateralen Gesprächen zweier Spitzenpolitiker gilt in der Regel, dass das Gesprochene nicht den Raum verlässt. Vertraulichkeit ist geboten, erst recht wenn die Lage ernst und das Verhältnis so angespannt ist wie zurzeit zwischen Moskau und Kiew. Bei Poroschenko und Putin hat es genau an dieser Stelle offenbar gehakt. Aus ihren Telefonaten drangen wesentliche Details über Umwege nach außen. Pikante Details.

So sprach Poroschenko mit EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso während dessen Besuch in der ukrainischen Hauptstadt offenbar unter anderem über seine Unterhaltungen mit dem russischen Präsidenten. "Wenn ich wollte, könnten russische Truppen in zwei Tagen nicht nur in Kiew, sondern auch in Riga, Villnius, Tallinn, Warschau oder Bukarest sein", soll Putin laut der "Süddeutschen Zeitung" gedroht haben. Das hat Poroschenko zumindest Barroso gesagt.

"Mich überrascht gar nichts mehr."

In der deutschen Politik sorgen die angeblichen Sätze Putins für Befremden. In dem Konflikt zwischen Russland und dem Westen richtet sich der russische Präsident damit immerhin erstmals direkt an Nato-Staaten. "Das zeigt den Charakter dieses Herrn. Wir müssen gewappnet sein. Von einem europäischen Partner würde man etwas anderes erwarten", sagt dazu Unionsfraktionsvize Michael Fuchs n-tv.de. "Wir müssen davon ausgehen, dass Putin seine Interessen brachial vertritt. Das beweist er jeden Tag aufs Neue. Mich überrascht gar nichts mehr."

Verärgert ist auch Wolfgang Gehrcke, Außenpolitiker der zuletzt eher russlandfreundlichen Linken. "Das ist eine Gedankenwelt, derer man sich nicht bedienen soll. Ich mag diesen bedrohlichen Ton nicht. Ich will nicht, dass solche Sätze fallen. Man sollte diesen Kalten Krieg überwinden und ihn nicht weiter anheizen. Das gilt für Putin, die USA und die EU." Außenpolitiker von Grünen und SPD wollten den Satz nicht kommentieren.

Der Gesprächsfetzen zwischen Putin und Poroschenko wirft Fragen auf: Spielen die Politiker stille Post, oder ist die Äußerung wirklich genau so gefallen? Hätte der ukrainische Präsident ein Interesse daran, Putin etwas in den Mund zu legen? Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob es an Poroschenkos Stelle klug war, mit Dritten über Inhalte der Gespräche mit seinem russischen Kollegen zu sprechen. Völlig verbrieft mag der Satz Putins nicht sein, die Umstände seiner Veröffentlichung erscheinen etwas dubios. Die EU-Kommission möchte die Äußerung zwar nicht bestätigen, die "Süddeutsche Zeitung" zitiert jedoch aus einer Gesprächszusammenfassung des Auswärtigen Dienstes der EU.

Moskau kündigt Beweise an, legt aber keine vor

Viel deutet darauf hin, dass Putin gegenüber Poroschenko tatsächlich so deutlich wurde, wie nun öffentlich geworden ist. Dafür spricht nicht nur Russlands Handeln und seine offensive Geopolitik der vergangenen Monate. Ein Teil der angeblichen Drohung ist nicht neu. Dass er in zwei Wochen Kiew einnehmen könne, soll Putin schon Anfang September in einem Telefonat gesagt haben - übrigens direkt zu Barroso. Moskau kommentierte damals nur, dies sei "aus dem Zusammenhang gerissen" worden.

Ob Putin real gedroht oder nur kokettiert hat, macht letzlich kaum einen großen Unterschied. Seine Äußerungen sind unmissverständlich: Egal in welchem Zusammenhang, sie bleiben aggressiv. Einen Hinweis darauf, wie ernst Putins "Wenn ich wollte, könnte ich" gemeint ist, bietet auch diese halbherzige Reaktion. So hat Moskau noch immer nicht dementiert, dass der russische Präsident mit der Eroberung Kiews gedroht haben soll. Der russische EU-Botschafter Wladimir Tschischow kündigte zwar bereits Anfang September an, den Inhalt des Gesprächs zwischen Putin und Barroso zu veröffentlichen, "um Missverständnisse auszuräumen". Dies ist jedoch bis heute nicht geschehen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen