
Feldherr in Rüstung: Nach dem Sieg über Schweden lässt sich Peter den Titel "der Große" verleihen (Ölgemälde um 1717).
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Peter I. gehört zu den bekanntesten Persönlichkeiten der russischen Geschichte. Vor 300 Jahren starb der Herrscher, den Präsident Putin als sein Vorbild bezeichnet.
Er gilt als Vater der russischen Marine, großer Reformer und Gründer von Sankt Petersburg: Als Peter I. am 8. Februar 1725 stirbt, hat er Russland den Weg zur Großmacht geebnet. Die Peter-Biografin Martina Winkler sieht in dem Herrscher eine wichtige, aber oft überschätzte Figur der Geschichte. "Peter war sicher ein begabter Staatsmann und Feldherr", sagt die Historikerin im Gespräch mit ntv.de. "Er war aber vor allem geschickt darin, die Geschichte seiner Erfolge zu erzählen." Dabei ist bei Peters Geburt gar nicht klar, dass er einmal auf dem Zarenthron sitzen würde.
Peter I. kommt am 9. Juni 1672 in Moskau zur Welt. Er entstammt der zweiten Ehe von Zar Alexej, der bereits mehrere Söhne aus erster Ehe hat. Nach dem Tod des Vaters kommt es zu Konflikten über die Thronfolge und einem blutigen Aufstand der Hofgarde. Am Ende wird der zehnjährige Peter zusammen mit seinem geistig zurückgebliebenen Halbbruder Iwan im Frühjahr 1682 zum Zaren gekrönt. Erst nach Iwans Tod 1696 regiert Peter als Alleinherrscher.
Reise nach Westeuropa
Kaum an der Macht reist der junge Regent 1697 für 18 Monate durch Mittel- und Westeuropa. Es ist das erste Mal, dass ein russischer Zar in Friedenszeiten sein Reich verlässt. "Der eigentliche Grund für diese Reise war diplomatischer Art", sagt Winkler. "In Wien wollte Peter mit dem Kaiser eine Allianz gegen das Osmanische Reich anbahnen, was aber misslang. Auch Handelsgespräche mit England standen auf dem Programm."
Ein weiterer Grund für die Reise ist das Sammeln von Wissen und neuen Technologien. Auf einer Werft in Amsterdam absolviert Peter eine Lehre zum Schiffszimmermann, in London besucht er das Parlament. Der Zar lernt, wie man Zähne zieht und Leichen seziert. Nebenbei heuert er Experten für sein Reich an: Ärzte, Kapitäne und Handwerker.
Nicht alle Reformen gehen auf Peter zurück
Zurück in Moskau beginnt Peter damit, in seinem Land Veränderungen durchzusetzen. Er reformiert das Militär und die Verwaltung, lässt eine Kriegsflotte bauen und führt den julianischen Kalender ein. Als Zeichen der Modernisierung verbietet er dem Hochadel das Tragen der traditionellen Vollbärte. Doch nicht alle Reformen gehen auf den Zaren zurück. "Das 17. Jahrhundert war schon vor Peter ein Zeitalter der Transformation", sagt Winkler. "In den meisten Fällen hat er an bereits bestehende Entwicklungsprozesse angeknüpft und diese weitergeführt. Peter verstand sich als Gestalter, und nicht mehr vorrangig als Bewahrer der alten Ordnung. Dabei ging er konsequenter und rücksichtsloser vor als seine Vorgänger."
1703 lässt Peter an der Ostsee-Mündung der Newa die Stadt Sankt Petersburg errichten. Bei den Bauarbeiten in dem sumpfigen Gebiet kommen Zehntausende Zwangsarbeiter ums Leben. Peters Härte zeigt sich nicht nur beim Bau der Stadt. Aufgrund seines Reformwillens kommt es immer wieder zu Protesten und Aufständen. Die Konflikte löst er manchmal durch Kompromisse, oft aber mit Gewalt. Dabei macht der Zar auch vor Familienmitgliedern nicht halt. Als sich sein ältester Sohn Alexej zur Führungsfigur der höfischen Opposition entwickelt, lässt ihn Peter foltern und in den Kerker werfen, wo er wenig später stirbt.
Vom Zaren zum Kaiser
Außenpolitisch führt Peter im Süden Kriege gegen die Osmanen und Tataren. Im Norden kämpft er 21 Jahre gegen Schweden um die Vorherrschaft im Ostseeraum. Mit dem Sieg im Großen Nordischen Krieg löst Russland Schweden als europäische Großmacht ab. Im Anschluss lässt Peter sich die neuen Titel "Kaiser" sowie "Vater des Vaterlandes" und "Peter der Große" verleihen.

Peter als erfolgreicher Feldherr und christusgleicher Messias (Ölgemälde um 1710/1720).
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Die propagandistische Strahlkraft des Zaren reicht bis in die Moderne. Russlands Präsident Wladimir Putin bezeichnet Peter 2019 in einem Interview als sein Vorbild. Drei Jahre später vergleicht der Kremlchef den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit dem Großen Nordischen Krieg.
Peter I. habe das Gebiet um Sankt Petersburg nicht von den Schweden erobert, sondern "zurückgewonnen", behauptet Putin bei einer Veranstaltung im Sommer 2022. "Offenbar ist es auch unser Los: Zurückzuholen und zu stärken."
"Putin missbraucht die Geschichte für seine imperialistische Politik", entgegnet Winkler. "Er greift mit Peter I. eine Schlüsselfigur auf, die nicht nur in Russland, sondern auch in Westeuropa bekannt und mit vielen Erzählungen verknüpft ist." Peter sei dabei eine Chiffre für Erfolg, Fortschritt, Gewalt und Expansion, für russische Größe, aber auch für russisches Anderssein. "Und der Mythos von Peter, der Teile Schwedens 'zurückgeholt' habe, stärkt die heutige Lüge von einer vermeintlich immer zu Russland gehörenden Ukraine", so die Historikerin.
Quelle: ntv.de