Politik

Israel gedenkt ermordeten Premiers Rabins Vermächtnis fällt an seine Gegner

An öffentlicher Präsenz Rabins mangelt es nicht. Doch seine Friedensvision ist den Israelis abhandengekommen.

An öffentlicher Präsenz Rabins mangelt es nicht. Doch seine Friedensvision ist den Israelis abhandengekommen.

(Foto: AP)

Mit großem Aufwand begeht Israel den 20. Jahrestag der Ermordung von Jitzchak Rabin. Inzwischen regieren seine Kritiker nicht nur das Land, sondern kontrollieren auch sein Andenken. Von der historischen Friedensvision bleibt nichts mehr übrig.

So präsent wie in diesen Tagen war Jitzchak Rabin selten in Israel seit seiner Ermordung vor 20 Jahren. Gleich eine ganze Woche widmet der jüdische Staat dem Gedenken an seinen ermordeten Premierminister. Bereits am vergangenen Sonntag gab es die erste Veranstaltung in der Residenz von Staatspräsident Reuven Rivlin, tags darauf einen Staatsakt mit Präsident und Premierminister plus Sondersitzung der Knesset. Gleichzeitig haben Jugendorganisationen im ganzen Land Gedenkzelte errichtet und halten Mahnwachen ab, an allen Schulen gibt es Sonderstunden zum Thema Toleranz und politische Gewalt. Höhepunkt ist eine große Kundgebung mit der gesamten Staatsspitze auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv am Samstag, dem Jahrestag gemäß dem jüdischen Kalender.

"Sie haben dich getötet", rief Israel Ex-Präsident Schimon Peres seinem ermordeten Weggefährten Rabin zum Auftakt der Gedenkwoche zu, "aber der von dir eingeschlagene Weg bleibt lebendig." Ist Rabins Vermächtnis lebendig in Israel? Trotz des seit Jahren stillstehenden Friedensprozesses, trotz der ständig steigenden Zahl israelischer Siedler im Westjordanland und Ostjerusalem, trotz der jüngsten Gewaltwelle, die allein im Oktober elf Israelis und 60 Palästinenser das Leben kostete? Das intensive Gedenken und die Elogen auf Rabin auch von dessen einst erbitterten Gegnern haben Peres überzeugt, dass die Vision vom Frieden, von der der Premierminister damals am 4. November 1995 Minuten vor seinem Tod vor Zehntausenden Anhängern in Tel Aviv gesprochen hatte, nach wie vor gültig ist.

Den Ton für die Gedenkwoche setzten indes zunächst andere. Beim vergangenen Spieltag der ersten israelischen Fußballliga riefen die Anhänger des Clubs Beitar Jerusalem in Sprechchören den Namen von Yigal Amir, dem jüdischen Extremisten, der Rabin erschoss. Der Ausfall der als rassistisch berüchtigten Beitar-Fans zog einhellige Verurteilungen durch Medien und Politik nach sich. Doch auch die offiziellen Gedenkveranstaltungen werden durch - wenn auch weniger extreme - Gegner Rabins dominiert.

Die israelische Rechte, die mit Benjamin Netanjahu zunächst 1997 und dann wieder 2009 an die Regierung kam, stellt mit dem vergangenes Jahr zum Präsidenten gewählten Rivlin inzwischen die gesamte Staatsspitze. Erstmals seit Rabins Tod wird bei der zentralen Kundgebung in Tel Aviv kein politischer Vertreter des "Friedenslagers" sprechen. Peres, der im Moment des Attentates neben Rabin stand und bislang jedes Jahr zu den Hauptrednern gehörte, wurde nicht mehr eingeladen.

Rabin wäre für Netanjahu heute "irrelevant"

Zu denen, die nun offiziell Rabins Vermächtnis verwalten, gehört etwa Erziehungsminister Naftali Bennett von der national-religiösen Siedlerpartei Jüdisches Heim, der offen für eine Annexion der gesamten derzeit besetzten palästinensischen Gebiete durch Israel eintritt. Die Botschaft, die von Rabins Tod ausgehe, sei "keine Gewalt - niemals", schrieb Bennett in einem Brief an alle Schulen des Landes. Damit bezog er sich auf politische Auseinandersetzungen innerhalb Israels, nicht etwa auf einen Frieden mit den Palästinensern.

Was für ihn von der Hoffnung auf Frieden bleibt, die Rabin dem Nahen Osten brachte, legte Regierungschef Netanjahu vor der Knesset dar: nichts. Die Frage, was wäre, wenn Rabin noch lebte, sei schlicht "irrelevant". Die Feindschaft "des Islam" gegenüber Israel hätte auch er nicht überwinden können. Der Kampf Israels gegen seine Gegner werde für immer weitergehen. "Ich werde gefragt, ob wir immer mit dem Schwert leben werden", sagte Netanjahu. Seine klare Antwort: "Ja!"

Auch wenn unter staatlichen Vertretern kein Verfechter des Friedensprozesses mehr übrig geblieben ist, blieb diese düstere Vision aber nicht ganz unwidersprochen: Lebte sein Großvater noch, so würde er nach einer Strategie suchen, sagte Rabins Enkel Jonathan Ben Artzi. Dagegen habe die gegenwärtige israelische "Führung keinen Ausweg und keine Lösungen".

Quelle: ntv.de

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