Politik

UN lockern Libyen-Sanktionen Rebellen finden Gaddafis Giftgas

Ein Rebell steht in der Nähe von Sirte vor einem Rettungshubschrauber.

Ein Rebell steht in der Nähe von Sirte vor einem Rettungshubschrauber.

(Foto: dpa)

Einem Medienbericht zufolge sind die Giftgas-Bestände des libyschen Ex-Machthabers Gaddafi nun in der Hand der Rebellen. Das Senfgas befindet sich demnach in der Chemieanlage Ruwagha. Derweil werden die UN-Sanktionen gegen den Öl- und Bankensektor des Landes gelockert. Ein Sprecher Gaddafis beschuldigt die NATO, 350 Zivilisten getötet zu haben.

Der UN-Sicherheitsrat hat die gegen Libyen verhängten Sanktionen gelockert und die Entsendung einer UN-Mission beschlossen. Die Bundesregierung begrüßte die einstimmige Annahme der Resolution. Der libysche Übergangsrat hatte zuvor bereits offiziell den Sitz des nordafrikanischen Landes bei den Vereinten Nationen zugesprochen bekommen.

In der Resolution begrüßte der Sicherheitsrat die "Verbesserung der Situation" in Libyen, warnte aber vor Gefahren durch die unkontrollierte Verbreitung von Waffen aus den Arsenalen von Gaddafis Streitkräften. Dies könnte "Auswirkungen auf Frieden und Stabilität in der Region" haben, hieß es.

Die Strafmaßnahmen gegen den libyschen Öl- und Bankensektor wurden weitgehend aufgehoben. Die Milliardensummen, die wegen des gewaltsamen Vorgehens Gaddafis gegen die damalige Oppositionsbewegung im Februar und März eingefroren worden waren, sollen "so schnell wie möglich" dem libyschen Volk zur Verfügung gestellt werden. Die Resolution sieht weiterhin eine UN-Mission vor, die dem Übergangsrat in Tripolis bei der Organisation von Wahlen und der Ausarbeitung einer neuen Verfassung zu Seite stehen soll.

Senfgas in Hand der Rebellen

Derweil befindet sich einem Medienbericht zufolge das vom Gaddafi-Regime eingelagerte Giftgas jetzt in der Hand der Rebellen. Diese hätten die Bestände an Senfgas "unter ihrer Bewachung", schreibt der "Tagesspiegel" unter Berufung auf internationale Sicherheitskreise. Die Übernahme durch die Rebellen sei durch Satellitenaufnahmen belegt, hieß es demnach. Das Senfgas sei in der Chemieanlage Ruwagha 600 Kilometer südöstlich der Hauptstadt gelagert. Die NATO überwacht den Komplex aus der Luft.

Rebellen zerschneiden einen Wandteppich mit dem Portrait Gaddafis.

Rebellen zerschneiden einen Wandteppich mit dem Portrait Gaddafis.

(Foto: REUTERS)

Verlässliche Angaben, wie viel Senfgas in Libyen gelagert ist, gibt es nicht. Das Gaddafi-Regime, das 2004 der internationalen Chemiewaffenkonvention beitrat, meldete einen Bestand von 23 Tonnen. Internationale Experten vermuten, dass mindestens die Hälfte der Senfgas-Bestände noch existiert. Die für chemische Kampfeinsätze nötigen Kartuschen und Granaten sollen allerdings noch zu Gaddafis Zeiten vernichtet worden sein.

Heftiger Widerstand in Sirte

Ein Sprecher Gaddafis erhob unterdessen schwere Vorwürfe gegen die NATO: Bei Luftangriffen auf Gaddafis Geburtsstadt Sirte seien Wohnhäuser getroffen und 354 Menschen getötet worden, sagte Mussa Ibrahim. Insgesamt seien durch das Bombardement Sirtes binnen 17 Tagen mehr als 2000 Menschen ums Leben gekommen. Gaddafis Anhänger seien ausreichend bewaffnet und in der Lage, den Kampf monatelang fortzusetzen. Gaddafi selbst halte sich in Libyen auf und habe in dem Kampf gegen die Übergangsregierung das Oberkommando. Die Angaben konnten zunächst nicht überprüft werden. Die NATO trat den Vorwürfen entgegen. Kampfjets des Bündnisses hätten in der Nacht in Sirte nur eindeutig militärische Ziele bombardiert. Ein Militärsprecher kündigte jedoch eine genaue Prüfung der Vorwürfe an.

Die Truppen des Übergangsrats waren bei ihrem Sirte und Bani Walid auf unerwartet heftigen Widerstand gestoßen. Wie der arabische Sender Al-Dschasira berichtete, mussten sich die Kämpfer zunächst aus den Zentren beider Städte zurückziehen. Sie planen demnach einen erneuten Vorstoß. Nach Angaben des Übergangsrats stehen mindestens 6000 Kämpfer für diesen Angriff bereit. Der Flughafen der Stadt sei unter ihrer Kontrolle.

Bei Sirte lieferten sich beide Seiten derweil sporadische Raketen-Duelle. Auch in Bani Walid rund 150 Kilometer südöstlich von Tripolis kam es zu schweren Kämpfen. Bei Sebha ergriffen die Truppen des Übergangsrates gleichfalls die Initiative. Sie umzingelten die Stadt und nahmen nach Kämpfen den nahe gelegenen Flughafen ein. Nach Angaben arabischer Nachrichtensender wurden an den drei Fronten insgesamt 13 Gaddafi-Gegner getötet und Dutzende weitere verletzt.

Flugverbotszone bleibt bestehen

Die von Großbritannien eingebrachte UN-Resolution erlaubt auch Waffenlieferungen und technische Unterstützung für die Übergangsregierung. Die Flugverbotszone soll dagegen zunächst bestehen bleiben, auch wenn Russland das baldige Ende dieser Maßnahme forderte. Die gegen Gaddafi und seine Getreuen verhängten Sanktionen sollen ebenfalls weiter gelten.

In Tripolis wird gefeiert, doch in anderen Landesteilen gehen die Kämpfe weiter.

In Tripolis wird gefeiert, doch in anderen Landesteilen gehen die Kämpfe weiter.

(Foto: REUTERS)

Der per Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gesuchte . Eine internationale Koalition unter Führung der NATO hatte mit vom Sicherheitsrat autorisierten Luftangriffen maßgeblich zum Sieg der Rebellen über Gaddafis Streitkräfte beigetragen. Das westafrikanische Land Niger bekräftigte erneut, es wolle den geflüchteten Gaddafi-Sohn Al-Saadi nicht an den Übergangsrat in Tripolis ausliefern. Neben ihm haben in dem Land auch drei Generäle und andere Funktionäre des Gaddafi-Regimes Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung in ihrer Heimat gesucht.

Die UN-Vollversammlung stimmte zudem mit großer Mehrheit dafür, dass der Übergangsrat Libyen fortan bei der UNO repräsentiert. Von den 193 UN-Mitgliedsstaaten votierten 114 dafür, dass der Nationale Übergangsrat die Vertretung des libyschen Volkes übernimmt. Widerstand kam unter anderem aus den von Linksregierungen geführten Staaten Lateinamerikas. Mehrere afrikanische Staaten hatten zudem gefordert, die Entscheidung zu verschieben, um zunächst mehr Informationen über die Vorgänge in Libyen zu bekommen.

Dschalil trifft Obama

Bundesaußenminister Guido Westerwelle begrüßte die vom Weltsicherheitsrat beschlossene Lockerung der Sanktionen als Startschuss für den Wiederaufbau des nordafrikanischen Landes. "Der Sicherheitsrat hat mit der einstimmigen Annahme von Resolution 2009 ein wichtiges Zeichen der Unterstützung des neuen Libyen durch die internationale Staatengemeinschaft gesetzt", sagte Westerwelle.

Mit der Entsendung einer zivilen Mission würden die Vereinten Nationen "eine Schlüsselrolle auf dem Weg zu einem demokratischen und rechtsstaatlichen Libyen übernehmen". Zudem werde mit der Aufhebung von Wirtschaftssanktionen jetzt auch der "Startschuss für den wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbau des Landes gegeben". Gleichzeitig bekräftigte Westwelle die Partnerschaft Deutschlands mit dem neuen Libyen. "Wir werden es auf seinem Weg in eine bessere Zukunft nach Kräften unterstützen", sagte er.

Der Chef des Übergangsrates, Mustafa Abdel Dschalil, wird in der kommenden Woche an der UN-Generaldebatte teilnehmen und dabei auch US-Präsident Barack Obama treffen. Wie das Weiße Haus mitteilte, soll das Treffen am Dienstag in New York stattfinden. Obama wird demnach am Dienstag auch an einem Treffen der Libyen-Kontaktgruppe unter Leitung von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon teilnehmen. Die Zusammensetzung der neuen libyschen Übergangsregierung soll am Sonntag bekannt gegeben werden, sagte ein Vertreter der neuen Verwaltung.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa

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