Politik

Einreise abgelehntRegierung hat an gefährdeten Afghanen "kein politisches Interesse"

10.12.2025, 19:21 Uhr
Ein-Flugzeug-von-Turkish-Airlines-Flug-TK1555-von-Istanbul-nach-Hannover-landet-am-Flughafen-Hannover-Die-lange-Wartezeit-in-Pakistan-hat-fuer-einige-weitere-Afghaninnen-und-Afghanen-aus-den-Bundesaufnahmeprogrammen-ein-Ende
In den vergangenen Monaten werden mehrfach Afghanen aus Pakistan mit Linienflügen nach Deutschland gebracht. (Foto: picture alliance/dpa)

Mehr als 1000 Afghanen warten derzeit in Pakistan auf ihre eigentlich sichere Einreise nach Deutschland. Seit der Machtübernahme der Taliban sind sie in besonderer Gefahr - auch wegen ihrer Arbeit für Deutschland. Doch nun ändert das Innenministerium seine Entscheidung.

Die Bundesregierung will einem Teil der Afghaninnen und Afghanen, die in Pakistan noch auf eine Aufnahme in Deutschland warten, offiziell eine Absage erteilen. Eine Sprecherin des Innenministeriums sagte dazu auf Nachfrage von Journalisten in Berlin, "dass den Personen, die im Überbrückungsprogramm sind und auf der Menschenrechtsliste stehen, in den nächsten Tagen mitgeteilt werden wird, dass kein politisches Interesse zur Aufnahme mehr vorliegt".

Sie bezog sich dabei auf einen Paragrafen des Aufenthaltsgesetzes, wonach einem Ausländer für die Aufnahme aus dem Ausland aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann. Wörtlich heißt es darin: "Eine Aufenthaltserlaubnis ist zu erteilen, wenn das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland die Aufnahme erklärt hat."

Die Betroffenen sollten aber in ihrem aktuellen Zufluchtsland Pakistan weiter von Deutschland unterstützt werden, sagte die Sprecherin. "Sie werden also nicht in die Obdachlosigkeit getrieben oder auf die Straße gesetzt", fügte sie hinzu.

Weiterhin Hoffnungen auf eine Aufnahme in Deutschland können sich dagegen circa 90 ehemalige Ortskräfte deutscher Institutionen in Afghanistan und ihre Angehörigen machen sowie rund 580 Menschen, die eine entsprechende Zusage über das sogenannte Bundesaufnahmeprogramm für besonders durch die neuen Machthaber gefährdete Menschen erhalten hatten. Das Bundesinnenministerium betont allerdings, dass auch für Menschen aus diesen beiden Gruppen gelte, dass eine Einreise nicht möglich sei, falls sich bei der vorgeschalteten Überprüfung Sicherheitsbedenken ergeben sollten.

Weiterer Charterflug geplant

Dem Vernehmen nach ist für die kommende Woche ein weiterer Charterflug von Islamabad nach Deutschland geplant. Die Bundesregierung hatte vergangene Woche erstmals seit dem Regierungswechsel Afghanen aus dem Bundesaufnahmeprogramm per Charterflug nach Deutschland gebracht. Die 192 Menschen flogen von Islamabad zum Flughafen Erfurt.

In den vergangenen Monaten waren mehrfach Afghanen von Islamabad mit Linienflügen nach Deutschland gebracht worden. Das Bundesinnenministerium ist in Kontakt mit einigen Menschen, die ursprünglich eine Zusage erhalten hatten und jetzt überlegen, ein Angebot anzunehmen, ihren Antrag auf Aufnahme gegen eine Geldzahlung zurückzunehmen.

Pakistan hat der Bundesregierung eigentlich nur bis zum Jahresende Zeit für die Aufnahmeverfahren gegeben. Danach werde man die Menschen nach Afghanistan abschieben. Im August 2021 war die Hauptstadt Kabul als letzte Stadt in Afghanistan nach einer Blitzoffensive der Taliban wieder an die Islamisten gefallen.

Schnellere Aufnahmen gefordert

In einem veröffentlichten offenen Brief forderten mehr als 250 deutsche Organisationen die Bundesregierung auf, die Schutzsuchenden aus Afghanistan mit Aufnahmezusage nun auch tatsächlich aufzunehmen. "Die Zeit drängt, es zählt buchstäblich jeder Tag", heißt es in dem Brief, der an Bundesinnenminister Alexander Dobrindt und Bundesaußenminister Johann Wadephul gerichtet ist.

Zu den Unterzeichnern zählen Pro Asyl, Terre des Hommes, Amnesty International, der Paritätische Gesamtverband, Human Rights Watch und Brot für die Welt. Den Angaben zufolge warten rund 1800 afghanische Menschen darauf, nach Deutschland in Sicherheit zu kommen. Über 70 Prozent von ihnen seien Frauen und Kinder.

Das Bundesverfassungsgericht hatte Deutschland vergangene Woche verpflichtet, schnell über Visa-Anträge eines afghanischen Ex-Richters und seiner Familie zu entscheiden. Die Karlsruher Richterinnen und Richter begründeten dies mit der "besonderen Dringlichkeit" und der "Besonderheit" des Falles. Beschwerdeführer waren ein ehemaliger Richter am Obersten Gericht Afghanistans, seine Ehefrau und die vier gemeinsamen Kinder. Das Bundesinnenministerium hatte sie im Jahr 2022 in das Aufnahmeprogramm "Überbrückungsliste" gesetzt.

Quelle: ntv.de, mwa/dpa/AFP

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