Ende schon vor dem Anfang Rot-Grün in Berlin gescheitert
05.10.2011, 13:03 Uhr
Nichts geht mehr: Rot-Grün steckt im Stau der A100.
(Foto: picture alliance / dpa)
"Unüberbrückbare Differenzen" zur Stadtautobahn 100 verhindern einen rot-grünen Senat in Berlin. SPD und Grüne können ihren Konflikt nicht beilegen. Die SPD sieht deshalb nach den Worten des Regierenden Bürgermeisters Wowereit keine tragfähige Grundlage für eine Koalition. Die Grünen sehen den Grund allerdings mehr in der Person Wowereits als im Autobahn-Ausbau. Und auch der SPD-Nachwuchs nörgelt.
Rot-Grün in Berlin ist bereits in der ersten Koalitionsrunde gescheitert. Das gaben der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und der SPD-Landesvorsitzende Michael Müller bekannt. Die SPD sehe keine tragfähige Grundlage. Grund seien die "unüberbrückbaren Differenzen" zur Stadtautobahn A100.
Die Gespräche wurden bereits nach einer guten Stunde abgebrochen. "Bei dem Thema A100 sind die Positionen offenbar nicht in Einklang zu bringen", sagte Wowereit zur Begründung. Die SPD werde noch am Nachmittag den Landesvorstand unterrichten.
Grüne geben Wowereit die Schuld
Die Bundes-Grünen geben Wowereit die Schuld am Scheitern der Koalitionsverhandlungen. "Rot-Grün ist nicht an drei Kilometern Autobahn gescheitert, sondern an Klaus Wowereit. Schade für Berlin liebe SPD", schrieb Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke beim Kurznachrichtendienst Twitter.
Wowereit habe schlichtweg nicht mit den Grünen koalieren wollen. "Manchmal ist es so simpel: Das 'Spiel' hat er ja schon mal gespielt", sagte Lemke auf n-tv.de-Nachfrage.
Drei Sondierungen können nichts klären
SPD und Grüne hatten sich nach der Berliner Abgeordnetenhauswahl im September schnell gefunden – doch ebenso schnell brach Streit aus. Knackpunkt: Die A100. In den Sondierungsgesprächen verständigten sich beide Seiten zunächst darauf, den Weiterbau nicht grundsätzlich aufzugeben, sondern zu versuchen, die entsprechenden Bundesmittel für andere Verkehrsprojekte zu verwenden.
Diesen ursprünglichen Kompromiss zur A100-Verlängerung von Neukölln nach Treptow hatten beide Parteien aber so unterschiedlich ausgelegt, dass alle Gemeinsamkeiten in den Hintergrund traten. Die Grünen sperrten sich strikt gegen den Weiterbau, auch wenn eine Umwidmung der Bundesmittel in Höhe von 420 Millionen Euro dafür nicht möglich wäre. Die SPD dagegen wollte in diesem Fall bauen.
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer hatte eine Umwidmung abgelehnt: "Ohne A100 verfällt das Geld. Dann reiben sich andere Länder die Hände", so der CSU-Politiker. "Seine Schlaglöcher in Stadtstraßen muss Berlin schon selbst bezahlen."
Ein drittes, eigentlich nicht geplantes Sondierungsgespräch sollte nach dem Parteitag der Grünen die Differenzen ausräumen. Auf dem Parteitag hatten die Grünen der Aufnahme von Koalitionsvereinbarungen zugestimmt, aber ebenso vehement ihr Nein zur Erweiterung der A100 untermauert. Die SPD konnte darin keine Bereitschaft zu einem Kompromiss erkennen und forderte neuerliches Sondieren. Doch auch nach dieser stundenlangen Besprechung am Dienstag blieb völlig unklar, wie ein Kompromiss erreicht werden kann – und wie er aussehen soll.
Weiter mit der CDU?
Erwartet wird jetzt, dass die SPD mit der CDU Koalitionsverhandlungen führen wird. Entsprechende Signale aus der Union gibt es bereits. Ein solches Bündnis hätte wesentlich mehr Stimmen im neuen Abgeordnetenhaus als Rot-Grün. Einem SPD/CDU-Senat stünden im Abgeordnetenhaus allerdings drei linke Oppositionsparteien gegenüber: Grüne, Linke und Piraten. Das erinnert an frühere Zeiten einer Großen Koalition in Berlin. Damals wurde die SPD zwischen dem konservativen Koalitionspartner und der Opposition von links immer weiter dezimiert.
Die SPD mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit hatte nach der Wahl vom 18. September auch mit der CDU sondiert. In den vergangenen knapp zehn Jahren hatte die SPD mit der Linken in Berlin regiert. Wegen des schlechten Ergebnisses der Linken am 18. September wies vieles auf eine rot-grüne Koalition hin. Bereits vor zwanzig Jahren hatte es in Berlin kurzzeitig eine rot-grüne Koalition gegeben, die aber im Streit auseinanderging. Die konstituierende Sitzung des Landesparlaments soll am 27. Oktober stattfinden.
Die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, sieht die rot-grüne Option für den Bund durch das Scheitern der Koalitionsgespräche nicht als beschädigt an. "Nur wegen Klaus Wowereit gebe ich die Perspektive einer rot-grünen Koalition im Bund bestimmt nicht auf", sagte Roth der "Süddeutschen Zeitung". Zugleich übte sie scharfe Kritik an Berlins Regierendem: "Herr Wowereit hat nicht verstanden, was es bedeutet, einem potenziellen Koalitionspartner auf Augenhöhe zu begegnen", so Roth. "Ich glaube, Klaus Wowereit wollte gar keine rot-grüne Koalition in Berlin." Wowereit habe damit "unverantwortlich und gegen den Willen der Mehrheit in der Stadt und in seiner eigenen Partei gehandelt", sagte die Grünen-Chefin.
"Betonköpfe"
Die Entwicklung kommt beim sozialdemokratischen Nachwuchs nicht gut an: "Wir nehmen die Absage an eine Koalition mit den Grünen nicht einfach hin. Rot-Grün wäre die einzig mögliche Koalition für ein soziales und ökologisches Berlin gewesen – mit einem klaren Auftrag der Wählerinnen und Wähler und gleichzeitig Vorreiter für einen Wechsel im Bund 2013", so der Berliner Juso-Landesvorsitzende, Christian Berg. Deshalb sei die eigenmächtige Entscheidung der SPD-Spitze nicht hinnehmbar.
"Wenn die Parteispitze der SPD ernsthaft diese Koalition gewollt hätte, wären die Gespräche nicht an drei Kilometern Autobahn gescheitert. Deshalb kann auch diese Entscheidung nicht folgenlos bleiben." Wer mit der CDU koalieren wolle, müsse erklären, wie dann sozialdemokratische Sozial-, Gesellschaft und Innenpolitik umgesetzt werden solle.
Die Jusos Berlin fordern nun einen SPD-Parteitag ein, bevor weitere Entscheidungen getroffen werden. Dort müsse über die Konsequenzen des betonköpfigen Verhaltens von Klaus Wowereit und Michael Müller diskutiert werden.
Quelle: ntv.de, jmü/hdr/dpa