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Streit um Wehrdienst eskaliert SPD lässt Einigung in letzter Minute platzen

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Die Einigung der Fraktionen wich in einem entscheidendem Punkt von Pistorius' Gesetzentwurf ab - das Losverfahren kam darin nicht vor.

Die Einigung der Fraktionen wich in einem entscheidendem Punkt von Pistorius' Gesetzentwurf ab - das Losverfahren kam darin nicht vor.

(Foto: picture alliance/dpa)

Eigentlich wollten die Fraktionen von Union und SPD am frühen Abend eine Einigung zum neuen Wehrdienst präsentieren. Doch es kommt anders. Die Pressekonferenz wird abgesagt, die erste Lesung von der Tagesordnung des Bundestags gestrichen.

Bis Deutschland einen neuen Wehrdienst bekommt, wird noch einige Zeit vergehen. Eine eigentlich schon als sicher angesehene Einigung von Union und SPD ist am frühen Abend geplatzt - offenbar kurz vor der Pressekonferenz, auf der CDU-Politiker Norbert Röttgen und Siemtje Möller von der SPD ihre Pläne für einen Wehrdienst erläutern wollten. Die war für 17.30 Uhr angesetzt, doch 20 Minuten später trat ein Sprecher vor die versammelte Hauptstadtpresse und sagte den Termin kurzerhand ab. Von Union und SPD ließ sich kein Abgeordneter blicken. Derzeit sind noch viele Fragen offen. Beispielsweise die, ob der Wehrdienst am Donnerstag in den Bundestag eingebracht wird. So hatten es Union und SPD vereinbart.

Zuvor waren Details über die Einigung bereits durchgesickert. Demnach wich die Einigung in Teilen von dem Gesetzentwurf ab, den Verteidigungsminister Boris Pistorius ins Kabinett eingebracht hatte. Neu an der Einigung der Fraktionen war die Idee, junge Männer per Losverfahren zum Wehrdienst zu verpflichten. Diese "Lotterie" hätte eingesetzt werden sollen, wenn sich nicht genug junge Männer und Frauen freiwillig zum Wehrdienst gemeldet hätten.

Der Absage der Pressekonferenz gingen heftige Diskussionen in der SPD-Fraktion voraus. Aus Teilnehmerkreisen hieß es, dass es keine Zustimmung zu den Eckpunkten gegeben habe, auf die sich zuvor Unterhändler beider Seiten geeinigt hatten. Vertreter beider Seiten hatten von einer Grundsatzeinigung auf Eckpunkte gesprochen. Pistorius hatte "The Pioneer" gesagt, er werde sich nicht querstellen, auch wenn er "inhaltlich ein bisschen skeptisch" sei.

Union befürwortet Losverfahren

Unionsfraktionschef Jens Spahn hatte die Einigung schon am Nachmittag verteidigt, insbesondere gegen Kritik am Losverfahren, dessen Einzelheiten noch unklar sind. Sollte es zu einer neuen Wehrpflicht kommen, müsse man eine möglichst gerechte Auswahl treffen, sagte er. "Da scheint mir das vorgeschlagene Verfahren das fairstdenkbare. Ich habe jedenfalls noch keinen faireren Vorschlag gehört."

CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann wies rechtliche Bedenken zurück. Die Union habe ein Rechtsgutachten dazu in Auftrag gegeben, nach dem eine solche Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar wäre, sagte der Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten. Ein Losverfahren diene dazu, in einem Auswahlprozess Gleichheit herzustellen. "Der Prozess der Auslosung gewährleistet diese Gleichheit, weil alle die gleiche Chance haben oder Nicht-Chance, gezogen zu werden."

Ein Sprecher der Unionsfraktion sagte nun: "Wir haben die Pressekonferenz abgesagt, weil die beabsichtigte Einigung ausgeblieben ist. Wir hatten fest damit gerechnet. Wir wissen nicht, wann die erste Lesung des Gesetzentwurfs erfolgen wird und werden Sie dazu zeitnah informieren." Aus der SPD-Fraktion hieß es, es gebe noch Fragen zum von der Union vorgeschlagenen Losverfahren.

Nicht der erste Rempler im Verfahren

Das Platzen der Einigung kurz vor Schluss reiht sich ein in eine Reihe von Streitpunkten. Schon bevor das Kabinett den Gesetzentwurf beschloss, hatte Außenminister Johann Wadephul einen Ministervorbehalt dagegen ausgesprochen, diesen aber kurz darauf zurückgezogen. Damit wollte er Bedenken der Unionsfraktion Ausdruck verleihen. Vielen Abgeordneten von CDU und CSU war der Gesetzentwurf zu unverbindlich. Schon in der vorletzten Woche hatte sich angedeutet, dass es noch Redebedarf gab. Union und SPD verschoben die erste Lesung in die laufende Woche.

Den Gesetzentwurf des SPD-Politikers Pistorius hatte das Kabinett medienwirksam auf einer Sitzung im Verteidigungsministerium, dem Bendlerblock, beschlossen. Parallel hatten Röttgen und Möller Gespräche zu dem Thema geführt - die Arbeitsgruppe tagte seit einem gemeinsamen Treffen der Fraktionen in Würzburg.

Der Gesetzentwurf sieht vor, die Zahl der Wehrdienstleistenden zunächst auf freiwilliger Basis zu erhöhen - etwa durch attraktive Gehälter und andere Vergünstigungen. Erst danach sollte es verpflichtende Elemente geben. Die Union forderte, dies mit Stichtagen und konkreten Zahlen auszugestalten, die SPD wollte das nicht. Insbesondere die Parteilinke und die Jusos bestanden auf Freiwilligkeit. Ende Juni hatte Pistorius darüber stundenlange Diskussionen mit Juso-Chef Philipp Türmer geführt.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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